3. Zeitgeschehen

Dienstag, 31. Dezember 2013

Facies terroris: Al-Qaida des Maghreb

Die AQMI, die Organisation Al-Qaida des Islamischen Maghreb (vormals Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf), ist eine radikal-islamische Gruppe aus Algerien. Sie umfasst 300 bis 400 Mitglieder und wird von Abdelmalek Droukdel geführt. Seit Ende 2006 gehört sie der Al-Qaida an und schloss einen von Al-Qaida vermittelten Frieden mit der radikalen ›Libyschen Islamischen Kampfgruppe‹. Seither bezieht sie aus Libyen Waffen, darunter Luftabwehrraketen und panzerbrechende Munition.

Die AQMI gilt als eine der bestorganisierten und gefährlichsten Terrorgruppen der Welt. Allein im August 2008 gehen drei Anschläge mit insgesamt 93 Toten und mindestens 38 Verletzten in Algerien auf diese Gruppierung zurück.

Gemeinsam mit Ansar Dine und der ›Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika‹ brachte die AQMI seit März 2012 den Norden Malis unter Kontrolle und beteiligte sich an der Vertreibung der Tuareg-Bewegung MNLA. Neben Ansar Dine soll auch die AQMI an der Zerstörung von Mausoleen in Timbuktu beteiligt gewesen sein.

In einem Gefecht Ende Februar 2013 bei Kidal verlor die AQMI mit Abdelhamid Abu Said einen ihrer wichtigsten Anführer.

MNLA

Die MNLA, die Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad, ist eine politisch und militärisch agierende Gruppe in Mali, die für einen unabhängigen Staat der Tuareg im malischen Norden kämpft. Sie umfasst derzeit etwa 4.000 Kämpfer, von denen viele für das Gaddafi-Regime in Libyen gekämpft haben sollen. Beteiligt war die Gruppe an mehreren Rebellionen gegen die Zentralregierung in Bamako. Im Januar 2012 soll sie mehrere Dutzend Regierungssoldaten ermordet haben, worauf es in Südmali zu Pogromen gegen dort lebende Tuareg kam.

Ende März 2012 eroberte die MNLA die Städte Gao und Kidal, Anfang April auch Timbuktu. Einige Tage später wurde die Unabhängigkeit des Azawad ausgerufen. Ihre Operationen führte die MNLA gemeinsam mit den vermeintlich verbündeten Kämpfern von Ansar Dine durch, doch mit der Verweigerung der Anerkennung der Scharia durch die MNLA zerbrach dieses Bündnis und die MNLA wurde von den Islamisten aus den eroberten Städten Nordmalis vertrieben.

Nach dem Eingreifen Frankreichs und der ECOWAS-Staaten schloss die MNLA sich dieser Allianz an und setzt nun auf eine politische Lösung für mehr Autonomie der Tuareg in Mali.

Facies terroris: Ansar Dine

Ansar Dine (dt.: ›Unterstützer des Glaubens‹) ist eine islamistische Gruppe im Norden der westafrikanischen Republik Mali. Angeführt wird sie von Iyad Ag Ghaly, der eine der wichtigsten Figuren einer Tuareg-Rebellion in den 1990er Jahren war und die ›Volksbewegung im Azawad‹ anführte. Deren Überfall auf eine Militärkaserne gilt als Beginn der Rebellion. Ag Ghaly unterhält Verbindungen zu ›Al-Qaida im Maghreb‹ und anderen islamistischen Gruppen im Norden und Westen Afrikas.

Ziel der Gruppe ist die Einführung der Scharia in ganz Mali. Dazu Ag Ghaly: »Ich will keine Unabhängigkeit, ich will die Scharia für mein Volk. Wir sind gegen Revolutionen, die nicht im Namen des Islam sind.« Letztere Aussage führte auch zum Verrat an den anfänglichen Verbündeten, den Tuareg der MNLA, die für einen autonomen Staat Azawad eintreten.

Im Juni 2012 befanden sich die drei nordmalischen Regionen Gao, Kidal und Timbuktu in der Hand der Islamisten und ihrer Verbündeten. Unter deren Herrschaft mussten Frauen sich verschleiern, Dieben wurde ohne Gerichtsverfahren die Hand abgehackt, Alkohol und internationale Musik wurden verboten. Es kam zu Gefechten zwischen Ansar Dine und der säkularen MNLA, da letztere die Scharia nicht anerkennen wollten. Sie endeten mit der Vertreibung der Tuareg aus den Städten. Zwischen Mai und Juli 2012 zeichneten Kämpfer von Ansar Dine für die Zerstörung von zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Mausoleen muslimischer Heiliger verantwortlich.

Es sollten mehr als sechs Monate vergeben, bis die Menschen in Nordmali von ihren Bedrückern befreit wurden.

Syrien - aktuelle Situation

Am 29. Juli 2013 eroberten zu den bewaffneten Kräften der syrischen Opposition gehörende, islamistische Kämpfer die Ortschaft Al-Khan bei Aleppo im Norden und ermordeten im Anschluss etwa 150 Menschen. Dieses Massaker ist bestätigt und wurde eingehend von internationalen Stellen untersucht.

Knapp einen Monat später, am 21. August 2013, meldeten Oppositionsstellen den mutmaßlichen Beschuss eines Vorortes von Damaskus mit Raketen, deren Sprengköpfe Giftgas enthalten haben sollen. Die Rede ist von 100 bis 1.400 Toten, als Verursacher wird die Assad-Armee benannt. Die Untersuchung durch UN-Inspektoren wird heute beendet, die Auswertung muss abgewartet werden, falls man Wert auf eine neutrale Untersuchung legt.

Zwei Verbrechen an der Menschheit habe ich hier kurz angesprochen, beide inhuman und fürchterlich. Bei einem der Verbrechen stehen Täter und Opfer fest, bei dem anderen wird fleißig gemutmaßt. Dennoch rasseln wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes längst die Säbel. Friedensnobelpreisträger Obama sieht Assads Schuld als erwiesen an und erwägt begrenzte Militärschläge gegen den syrischen Diktator, Großbritanniens Parlament hat eine britische Beteilung gestoppt, Frankreich bleibt an Obamas Seite und Deutschlands Regierung hält einen Raketenbeschuss der Assadtruppen für angemessen, möchte sich aber selbst heraushalten.

Ist angesichts der Situation ein Militärschlag gegen Assad angemessen? Ist eine Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg überhaupt richtig?

Ein Gedanke vorweg: Von ›Vergeltungsschlägen‹ und ›Strafaktionen‹ zu sprechen, ist der blanke Zynismus von Verantwortlichen für eben jene Gesellschaften, in denen inneren Gefügen jedwede Selbstjustiz und Racheaktionen (zurecht) verpönt sind. Stellen wir uns an dieser Stelle den öffentlichen Aufschrei vor, wenn ein Mann ankündigen würde, mit einer ›Koalition der Willigen‹ den mutmaßlichen Vergewaltiger einer Nachbarin inklusive zufällig anwesender Angehöriger verprügeln zu wollen.

Der Auslöser für die möglicherweise bevorstehenden Angriffe, also der Einsatz von Giftgas gegen aufständische Kämpfer und unbeteiligte Zivilisten ist gewiss ein Kriegsverbrechen. Allerdings eines, dessen Täter nicht zweifelsfrei identifiziert sind. Andere Täterschaften sind sehr wohl bekannt, ohne dass es zum Eingreifen des westlichen Militärbündnisses oder einzelner Staaten kam. Auch die Vertreibung von ethnischen oder religiösen Minderheiten sind Kriegsverbrechen, genauso verstoßen die Erschießung von Kriegsgefangenen, die Enthauptung von Zivilisten oder die Verwendung von Sprengfallen (zu denen auch Selbstmordattentäter und Autobomben gehören) gegen die schutzlose Bevölkerung nicht minder gegen das humanistische Völkerrecht und die Genfer Konventionen.

Ein Eingreifen mittels Militär ist kontraproduktiv. Verbesserungen der Lage können nur über die Diplomatie erreicht werden. Dazu müssen besonders die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat zusammenarbeiten. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen und - vor allem - einige Abstriche an ihren Eigeninteressen hinnehmen. Eine erste Maßnahme, um Russland mit ins Boot zu holen, wäre bspw. die Garantie für das Fortbestehen dessen Marinestützpunktes an der syrischen Mittelmeerküste. Da Russland ebenso geostrategisch denkt und plant wie die USA wäre dieses Zugeständnis eine Botschaft für das Miteinander. Doch, so muss leider eingeschätzt werden, beherrscht noch immer oftmals der ›Kalte Krieg‹ das Denken der beiden Kontrahenten. Und dies wirkt sich hinsichtlich der globalen Sicherheit schädlich aus.

Wie auch immer: Jede Schwächung der Assad-Truppen ist im Hinblick auf die derzeit festgefahrenen Fronten begünstigend für die Kämpfer der Opposition. Diese bestehen zu rund zwei Dritteln aus Islamisten und Dschihadisten. Ich habe die radikalislamischen Gruppen HIER aufgelistet.

Betrachten wir jene Länder, in denen die früheren Diktatoren durch militärische Gewalt gestürzt wurden, müssen wir feststellen, dass keines von ihnen in irgendeiner Weise stabil ist, sondern durch schwache Staatsgewalten und starke terroristische und militante Organisationen geprägt ist. Täglich sterben in den Ländern des sogenannten ›Arabischen Frühlings‹, in Afghanistan und im Irak Menschen durch die Hand von Radikalen. In all diesen Staaten sind religiöse und andere Minderheiten mehr denn je an Leib und Leben bedroht.

Soll es in Syrien auch so kommen?

Der Soldat Lee Rigby

Es geschah am helllichten Tag im Londoner Stadtteil Woolwich. Auf offener Straße spielten sich am Mittwoch Szenen ab, die an einem Kinofilm des US-Regisseurs Quentin Tarantino erinnern könnten. Doch was da vor den Augen entsetzter Passanten ablief, war real. Schrecklich real. Zwei Männer stürzten sich mit Messern und einem Fleischerbeil bewaffnet auf einen jungen Mann, sie stachen und hackten etwa eine Viertelstunde lang auf ihr Opfer ein. Ein grausiger Mord, ein schreckliches Blutbad, bei dem die Täter immer wieder riefen: »Allahu akbar - Allah ist groß!« Nach der Tat blieben die Täter neben ihrem Opfer stehen und präsentierten sich besudelt mit dem Blut des Toten. Als die Polizei eintraf, stürmten sie auf die Beamten los und mussten angeschossen werden.

Das Opfer ist der 25-jährige Soldat Lee Rigby. Der Vater eines zwei Jahre alten Sohnes versah seinen Dienst im 2. Bataillon der Royal Fusiliers. Als Trommler nahm er für sein Regiment in der bekannten scharlachroten Uniform mit Bärenfellmütze der Garde an Paraden teil, als Infanterist bediente er ein Maschinengewehr. Er diente seinem Land in Zypern, Afghanistan und Deutschland. Oberstleutnant Jim Taylor, Lee Rigbys Bataillonskommandeur, würdigte den ermordeten Kameraden als einen »entschlossenen und professionellen Soldaten«, der »im Herzen des Trommlerkorps« gedient habe. Aufgeweckt sei er gewesen, und humorvoll.

Lee wurde zum Opfer eines aus Hass begangenen Verbrechens. Er überstand den sechsmonatigen Kampf gegen die Taliban in der afghanischen Unruheprovinz Helmand - und starb in seiner Heimat durch die Hand mutmaßlicher Islamisten.

»Ihr werdet nie sicher sein!«

Vor ihrer Festnahme posierten die beiden Täter vor Handykameras und stießen Drohungen aus. »Wir schwören beim allmächtigen Allah, wir hören nie auf, Euch zu bekämpfen, bis Ihr uns in Ruhe lasst«, sagte einer der Täter. »Auge um Auge, und Zahn um Zahn. Es tut mit leid, dass Frauen das mit ansehen mussten.« Und: »Ihr werdet nie sicher sein.«

Die Täter - das sind zwei junge Briten (28 und 22) mit nigerianischen Wurzeln. Vom älteren der Beiden weiß man, dass er Student war. Aufgewachsen als Christ geriet er ins kriminelle Milieu, schloss sich mit 18 Jahren einer Jugendbande an, geriet in die Fänge eines islamistischen Hasspredigers und radikalisierte sich. Den Krieg, den er als Auslöser für seine Bluttat verantwortlich machte, hat er im Gegensatz zu Lee Rigby, dem Opfer, selbst nie gesehen. Ebenso wenig wie sein Mittäter.

Derzeit prüfen die britischen Ermittlungsbehörden eine Verflechtung der beiden Täter mit Terrorgruppen. Ich gehe nicht davon aus, sondern sehe in ihnen Einzeltäter, die sich selbst radikalisiert haben. Wie die ›Sauerlandbomber‹, wie die Attentäter von Boston. Lee Rigby fühlte sich sicher in London. So wie wir uns auch meist sicher fühlen. Der junge Brite bezahlte seine Arglosigkeit mit dem Leben. Denn hier wie dort redet man das Problem des islamischen Terrorismus und Extremismus gerne klein. Es könnte der Integration der Muslime schaden. Ob Blauäugigkeit und Pauschalbewertung allerdings integrationsfördernd ist, bleibt fraglich. Es gibt eine weite Spanne zwischen Totalüberwachung durch den Staat und absoluter Sorglosigkeit gegenüber Sicherheitsproblemen. Das zeigt in Deutschland nicht nur die NSU, sondern auch generell der europaweite Umgang mit extremistischen Strukturen und Personen.

Terrorismus und politische oder pseudo-religiöse Gewalt können gewiss nicht mit Flächenüberwachung bekämpft werden. Dazu ist viel mehr ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Die Sicherheitsarchitektur ist nur ein Teil davon.

Die Teilnahme Großbritanniens (oder anderer Staaten der westlichen Welt) an internationalen Militäreinsätzen als Rechtfertigung zu nehmen, um Gewalt gegen Soldaten auszuüben, ist auch Europäern nicht fremd. Wäre kein Krieg in Afghanistan, argumentieren manche, würden wir sicherer leben. Doch geht es solchen radikalisierten Tätern wirklich darum? Warum sind dann die meisten Opfer der Islamisten Muslime? Warum ermorden - wie kürzlich in Niger - muslimische Terroristen muslimische Soldaten, weil Niger in Mali gegen muslimische Extremisten kämpft? Nein, die einfachste Antwort ist nicht immer die richtige. Die Ursachen für eine Radikalisierung sitzen tiefer.

Doch lassen wir dazu einen Muslim zu Wort kommen - Faruk Murad vom Rat der Muslime in Großbritannien. Er sagte: »Die Attacke ist eine Beleidigung unseres Glaubens. Der Islam erteilt niemandem und unter keinen Umständen die Lizenz, einen Unschuldigen zu töten.« Auch betonte er, der Rat habe sich immer gegen Gewalt ausgesprochen und Menschen ermutigt, dazu differenzierte Diskussionen zu führen.

Die Heldinnen des Tages

Ich möchte meine Schilderungen nicht beenden, bevor ich drei beherzte Frauen erwähnt habe. Sie, die ›drei Engel von Woolwich‹, sind die Heldinnen in dieser Tragödie. Da war Ingrid Loyau-Kennett (48), eine katholische Pfadfinderleiterin. Sie bat einen der Täter, ihr sein Messer zu übergeben. Auf dessen Aussage, er wolle in London einen Krieg beginnen, erwiderte sie ruhig: »Ihr könnt ihn nicht gewinnen, ihr seid wenige und wir sind viele.«

Und da war die Christin Amanda Donnelly-Martin (44) mit ihrer Tochter Gemini (20). Amanda hielt betend den Körper des ermordeten Lee in ihren Armen, unter dem Beistand ihrer Tochter. Diese anrührende Geste erinnert an die Pietá, das Vesperbild, die Darstellung der Schmerzensmutter Maria mit dem Leichnam des vom Kreuze abgenommenen Jesus. »Er könnte doch mein Sohn sein«, sagte sie nur.

Menschen wie Ingrid, Amanda und Gemini lassen hoffen. Ihre gelebte Nächstenliebe bildet den Gegenpol zum brodelnden Hass, der keine Normen mehr kennt, der keine wirklichen Ursachen und Beweggründe benötigt, sondern der nur noch vom Vernichtungswillen gesteuert ist. Die Taten dieser drei Frauen stehen für Hoffnung und Zuversicht, für Frieden und gelebtes Miteinander der Völker, Religionen und Kulturen. Sie sind der Lichtblick am düsteren Horizont.

Sie sind die Zukunft.

Anmerkung:
Dieser Beitrag wurde vom bekannten, deutschsprachigen katholischen Nachrichtenportal KATH.NET übernommen.

Interne Links:
Ergänzung 29.11.2013
Ergänzung 26.02.2014

Zur Situation in Mali

Da in verschiedenen Diskussionen immer wieder Verständnisschwierigkeiten bezüglich der Geopolitik und der Geostrategie - also des militärischen Teils der Geopolitik - auftreten, möchte ich anhand des aktuellen Beispiels der Situation im westafrikanischen Staat Mali die Gründe schildern, die für ein militärisches Eingreifen seitens der westlichen Welt hauptsächlich ausschlaggebend sind. Grundsätzlich ist die Geostrategie von globalem Denken geprägt und hat das Ziel, entstehende Konflikte im Vorfeld nicht ausbrechen zu lassen bzw. entstandene Konflikte in der Entstehungsregion lokal einzudämmen. Die Situation der Menschenrechte in einer Krisenregion ist dabei von nachgeordneter Bedeutung. Wie könnte es auch anders sein? Menschenrechtsverstöße weltweit durch militärische Operationen zu ahnden hieße, einen Weltkrieg zu führen. So ist ein militärisches Eingreifen nur dann vorgesehen, wenn damit Stabilität geschaffen werden soll. In allen anderen Fällen erfolgt die Einflussnahme über die Politik, die Diplomatie oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit, wozu auch Sanktionen gehören können. Nach diesem Verständnis ist bspw. das oft angesprochene Saudi-Arabien nicht instabil, auch wenn dort eine schwierige Menschenrechtssituation vorherrscht. Von Saudi-Arabien geht allerdings gegenwärtig keine akute Gefahr für den gesamten Nahen Osten aus.

Das westafrikanische Mali ist hingegen durch die Inbesitznahme der Nordprovinzen des Landes durch Aufständische und durch die daraus resultierende Unordnung zu einer regionalen Gefahr geworden, die seitens der malischen Regierung nicht ohne Unterstützung beseitigt werden konnte. Vor dem Eingreifen der französischen Streitkräfte und des westafrikanischen Staatenbündnisses beherrschten die Aufständischen den gesamten Norden des Landes. Etwa 6.000 Islamisten und anfangs verbündete, separatistische Tuareg standen einer regulären Armee gegenüber, die ganze 4.000 Soldaten umfasste und hauptsächlich im Süden stationiert war. Durch einen Militärputsch zerfiel diese Armee in zwei etwa gleich starke Gruppen, die sich auch gegenseitig bekämpften. Indes rückten die Islamisten nahezu unbehelligt weiter nach Süden vor.

Dies allein ist aus geostrategischer Sicht noch immer kein Anlass für ein militärisches Engagement. Hierfür ist die Befürchtung der Konfliktausbreitung notwendig. So muss man an dieser Stelle die Gesamtsituation Westafrikas in den Fokus nehmen. Wichtig ist zu wissen, dass Mali und seine Nachbarstaaten eines der Hauptoperationsgebiete der Al-Qaida und derer Verbündeten ist. Maßgebliche Organisation ist die sogenannte ›Al-Qaida im Maghreb‹, zu der auch die malische Gruppe ›Ansar Dine‹ gehört. Ebenso wichtig ist es zu wissen, wie der radikale Islamismus sich finanziert. Das instabile Mali ist zum Hauptumschlagplatz für den Drogen- und Waffenhandel geworden. Die aus Lateinamerika kommenden Drogen werden von Mali aus über den afrikanischen Kontinent verteilt und gelangen über Marokko auch nach Europa. Mit den Einnahmen werden Waffen bspw. aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Libyen erworben. Weiterverkauft werden sie u.a. an islamistische Gruppen in Algerien. Auch die islamistische Sekte ›Boko Haram‹, die sich besonders durch Anschläge auf Christen im Norden Nigerias hervorhebt und mittlerweile auch in Kamerun auftritt, gehört diesem radikal-islamistischen Netzwerk an.

Diese kurze Darstellung zeigt die Wichtigkeit der Stabilisierung Malis. Die ungute Kombination der Lage des Landes im Zentrum Westafrikas, die Nähe zu den in Unordnung geratenen Staaten Nordafrikas und die innere Instabilität begünstigen die Entstehung eines Flächenbrandes. Dies wissen auch die Nachbarstaaten, die trotz eigener immenser Probleme an der Befriedung Malis mit eigenen Soldaten und entsprechender Logistik teilnehmen. Denn sie hegen die Befürchtung, von den islamistischen Attacken in Mitleidenschaft gezogen zu werden und selbst in eine instabile Lage geraten zu können.

lagemali

Ich bitte meine mangelhaften Zeichenkünste zu entschuldigen, möchte aber dennoch auf eine grafische Darstellung der Situation nicht verzichten. Die Karte zeigt das Operationsgebiet der ›Al Qaida im Maghreb‹ in und um Mali und die Verhältnisse vor dem Eingreifen Frankreichs und der westafrikanischen Staaten. Innerhalb der schraffierten Zone streben islamistische und dschihadistische Kräfte nach Macht, verübten zahlreiche Anschläge und verbreiten Unruhe und Unordnung. Ihre vorrangigen Ziele sind die Errichtung von radikal-islamistischen Emiraten, die Einführung der Scharia und die Beseitigung demokratischer Strukturen (gerade Mali galt als afrikanische Vorzeigedemokratie). Ihre Mittel und Methoden sind Bürgerkriege, Terror und Unterdrückung.

Bei allem Verständnis für den Umstand, dass nicht alle Kulturen an der Übernahme unserer westlichen Kultur interessiert sind - man muss auch verstehen, dass die Menschen in anderen Teilen dieser Welt nicht unter der Herrschaft von Terroristen und Radikalen leben möchten, sondern sich Frieden und Ordnung, Freiheit und Sicherheit ersehnen. Auch afrikanische (und andere) Muslime lehnen in der überwiegenden Mehrheit radikale Macht- und Herrschaftsformen ab. In Nordmali findet dies seinen Ausdruck in der Begrüßung der Franzosen und ihrer Verbündeten als Befreier.

An dieser Stelle endet die Geostrategie und beginnt die Geopolitik. Denn nach dem militärischen Engagement muss nun ein kluges und umsichtiges Agieren der politisch Verantwortlichen aller beteiligten Staaten in der nahen Zukunft für ein besseres Miteinander der Völker unserer Welt sorgen.

Syrien, das blutende Land

Als der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) unlängst erklärte, das Assad-Regime sei am Ende und der Sieg der Aufständischen stehe unmittelbar bevor, habe ich mir den Nacken massiert und mich gefragt, ob sich diese Aussage eventuell auf die Informationen eines V-Mannes aus der ›Jubelrebellenszene‹ stützen könnte. Schließlich habe ich anhand der mir zur Verfügung stehenden, für jedermann öffentlich zugänglichen Nachrichten stets die These vertreten, der syrische Bürgerkrieg werde sich noch ziemlich lange hinziehen. Leider habe ich Recht behalten sollen, denn der BND hat sein Statement korrigiert. Oder ins Gegenteil verkehrt - wenn man es so sehen möchte.

Meine Aussagen beruhten eigentlich auf einem simplen Denkprozess (denn die Welt ist nicht kompliziert, sondern wird nur kompliziert gestaltet) mit nur zwei wesentlichen Beobachtungen:

1. Keine der beiden Parteien hat auch nur die leiseste Absicht, den Konflikt am Verhandlungstisch zu lösen. Gleichzeitig ist keine Seite stark genug um einen Sieg zu erringen und keine Seite schwach genug um aufgeben zu müssen. Und niemand möchte einen Kompromiss eingehen. Die Parole heißt: Sieg oder Untergang.

2. In beiden Lagern diktiert der Hass auf die jeweilige Gegenseite das blutige Geschehen. Allen Konfliktbeteiligten ist klar, dass mit der Niederlage auch das Schicksal der jeweiligen eigenen Ethnie oder Religionsgemeinschaft besiegelt ist. Erwartet werden wahrscheinliche und - tatsächlich realistisch drohende - Szenarien der Stillung des Rachegelüstes der Sieger. Somit kann keine Seite aufgeben, selbst wenn sie erschöpft und ausgeblutet ist.

Parole: Sieg oder Untergang

Die Regierungstruppen sind wiedererstarkt. Das sage nicht nur ich, sondern nun auch der BND. Und mittlerweile sammeln sich in Syrien sämtliche im Mittelmeerraum verfügbaren, von Ideologien und religiösem Wahn getriebenen Kämpfer, die nichts zu verlieren haben, aber alles gewinnen können. Da ist die libanesische Hisbollah-Miliz. Sie hat sich nach Syrien begeben und verstärkt nun aktiv die Reihen Assads. Eine Verbindung zwischen ihnen gab es schon immer. Das syrische Regime gilt als einer der wichtigsten Verbündeten und Unterstützer der Hisbollah. Die israelischen Luftangriffe auf Nachschublieferungen an die Miliz taten ihr Übriges.

Aber auch die Rebellen haben kampferprobten Zuwachs bekommen. Türkische und irakische Kurden sind aktiv in den Konflikt eingetreten. Sie sind getrieben von der Sehnsucht nach einem eigenen Staat Kurdistan und spekulieren, um ihn errichten zu können, auf einen Teil des syrischen Territoriums. Besser verständlich wird nun auch der angekündigte und bereits angelaufene Rückzug der kurdischen PKK-Kämpfer aus der Türkei. Wer nun immer noch meint, es wäre ein rein syrisches Problem und geht uns nichts an, übersieht das Übergreifen des Konflikts auf Drittstaaten. Der Krieg wird zum multinationalen Konflikt, der schnell zum Flächenbrand anschwellen kann. Jederzeit.

Ein ›Heiliger Krieg‹?

Dass der Konflikt nur noch weiter eskalieren kann, liegt in der Natur der Sache. Längst geht es nicht mehr um einen Aufstand zur Befreiung von einem Diktator. Es hat sich ein Krieg der Religionen und Ideologien entwickelt, dem die Welt seit zwei Jahren untätig zusieht. Wir erleben den vorläufigen Zenit der Auswirkungen des von der westlichen Politik viel bejubelten ›Arabischen Frühlings‹, der zum Aprilwetter mit Regenschauern aus Blut und Tränen verkommen ist. Düster. Kalt. Ohne große Hoffnung auf baldigen Sonnenschein.

Die Zivilbevölkerung in Syrien ist auf der Flucht. Hunderttausende fristen ihr Dasein in Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien, in der Türkei, ebenso viele Menschen haben Zuflucht außerhalb der Kampfgebiete im Inland gesucht. Jene, die geblieben sind, führen einen täglichen Überlebenskampf. Alles ist knapp - Nahrung, Trinkwasser, Medikamente, Energie. Dazu die ständige Furcht vor Gefechten und Beschuss. Oder vor Heckenschützen, die in den Städten überall zu finden sind. Der Alltag der Syrer ist bestimmt von Angst, Trauer und Sorge. Auf beiden Seiten.

Werfen wir einen Blick auf die altehrwürdige Metropole Aleppo im Norden. Der Krieg hat die Stadt geteilt. Die Regierungstruppen beherrschen den Westen der Stadt und den Flughafen im Südosten, die Rebellen kontrollieren den Ostteil. Entlang der Frontlinie prägen verlassene und zerschossene Ruinen das Bild. In einem der Hochhäuser residieren die ›Gotteskrieger‹ der Al-Nusra-Front. Für die Aufständischen sind die Islamisten »willkommene, tapfere Verbündete«. Verbündete, die Gefangene unter der Anleitung der Mullahs von Heranwachsenden enthaupten lassen, von ›Geistlichen‹, die zur Vergewaltigung christlicher Frauen aufrufen. Die schreckliche ›Normalität‹ des Dschihad.

Wie geht es den Christen?

Bleiben wir in Aleppo. Das dortige Christenviertel nordwestlich des Zentrums befindet sich unweit der Demarkationslinie. Die Menschen sind hin- und hergerissen zwischen der christlichen Friedensliebe und der wachsenden und berechtigten Angst um ihr Überleben. Knapp 200 Männer haben eine Miliz gegründet, um nötigenfalls ihre Kirchen, ihre Familien und ihr Viertel zu verteidigen. Angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage sind sie bereit zu kämpfen und zu sterben. Die Bischöfe haben sich hingegen stets für Neutralität ausgesprochen. Zwei von ihnen befinden sich seit einiger Zeit in der Geiselhaft der Islamisten. Ihr Schicksal ist ungewiss.

Für die Christen in Aleppo sind die »willkommenen und tapferen Kämpfer« der Al-Nusra-Front eine unmittelbare Bedrohung für das Leben. In ihrer Not wenden sie sich von der westlichen Welt ab und vertrauen auf Hilfe von Assads Unterstützern Russland und China. Denn Assad gewährte den syrischen Christen etwas, das von den meisten Rebellen kaum zu erwarten ist: Religionsfreiheit und Gleichberechtigung. Ihre Verzweiflung ist mit Worten nicht zu beschreiben.

Die Welt sieht zu. Noch immer fantasieren die Verantwortlichen der westlichen Welt von den Errungenschaften des ›Arabischen Frühlings‹. Diese Errungenschaften sind in Ägypten und Libyen islamistischer Terror gegen religiöse und ethnische Minderheiten. Diese sind, neben den syrischen Alawiten, besonders die koptischen und assyrischen Christen. Und die westliche Welt? Wir hören nicht ihre verzweifelten Schreie, wir sehen nicht ihre bitteren Tränen, wir nehmen ihr Sterben und Leiden nur am Rande wahr - und reden belehrend von einem Frieden, der in Syrien vor nunmehr zwei Jahren zum ersten Opfer des Krieges wurde.

Gott segne seine syrischen Kinder!

Brennendes Land

Als im Frühling 2011 die Demonstrationen gegen den ägyptischen Machthaber Mubarak begannen, schöpfte die Welt Hoffnung auf eine Veränderung der gesamten Region. Der Wunsch der Menschen in aller Welt nach Demokratie und Freiheit fand neue Nahrung. Der ›Arabische Frühling‹ wurde bejubelt und beklatscht. Ägypten kam dabei eine bedeutende Rolle zu. Denn gerade Ägypten gilt seit jeher als Leitmacht in Nordafrika und als Vorbild für die Nachbarstaaten. Seite an Seite begehrten Säkulare und Religiöse, Liberale, Konservative und Soziale, Christen und Muslime gegen einen Despoten auf, der das Land in das Eigentum eines Herrscherklans verwandelt hatte.

Die Revolution der für ein gemeinsames Ziel geeinten Massen war, nicht zuletzt durch die Neutralität des mächtigen Militärs, erfolgreich und die Welt atmete erleichtert auf. Zu früh, wie wir heute wissen. Einen Monat und einen Tag genau ist es her, als ich in einem anderen Beitrag vor allzu viel Euphorie gewarnt hatte. Leider zurecht.

Ägypten nahm zunächst den Weg in die Richtung einer Islamischen Republik. Nach nur einem Jahr sah das Militär sich zum Eingreifen veranlasst und setzte den gewählten Staatspräsidenten kurzerhand ab. Daraufhin kam es zu Protesten der Mursi-Anhänger, zu Gewalt und Blutvergießen und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Am Mittwoch räumten das Militär und die Polizei gewaltsam zwei große Protestlager der Muslimbruderschaft. Infolge dessen kamen 638 Menschen ums Leben, weitere rund 4.200 wurden verletzt. Nun herrscht Ausnahmezustand in Ägypten, der Notstand wurde ausgerufen, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Wie es im Land der Pyramiden und Pharaonen weitergehen wird, weiß im Augenblick allein Gott.

Die Machtverhältnisse und Gruppierungen

Die gegenwärtigen politischen Mehrheitsverhältnisse in Ägypten können bestenfalls geschätzt werden. Verlässliche Aussagen, welche Bewegung wie viele Anhänger verzeichnen kann, sind nicht vorhanden. Zur gegen Mursi aktiven Opposition gehören mindestens 25 Gruppierungen, ideologisch völlig unkompatibel, von Liberalen und Bürgerlichen über Sozialisten und Kommunisten sowie Gewerkschaften bis hin zu anderen radikal-islamistischen Bewegungen. Daneben gibt es im Gesamtspektrum des politischen Ägyptens nach wie vor die Muslimbrüder und die Salafisten. Und natürlich auch die Anhänger des gestürzten Despoten Mubarak.

Indes haben jene Kräfte, die der Westen als Verbündete betrachtet, namentlich die säkularen Eliten des Landes, ein gewaltiges Problem. Sie sind bei zahlreichen Mitbürgern eher unbeliebt. Schuld daran ist deren Neigung zum westlichen Lebensstil, aber auch die Verachtung der einfachen Menschen, also der Mehrheit der Ägypter, durch eben diese Eliten. Ob sie mit dieser Haltung als einigender Faktor dienen können, ist mehr als fraglich.

Die eigentliche Regierungsgewalt ist derzeit ohnehin die Armeeführung. Das darf nicht erstaunen; die Rolle des Militärs ist in Ägypten bedeutsamer als anderswo. Die Streitkräfte des Landes sind Staat im Staate, sie legen ihren Etat selbst fest, betreiben Unternehmen, Hotels, Autobahnen. Die US-Administration unterstützt das ägyptische Militär darüber hinaus mit jährlichen finanziellen Zuwendungen. Man kann die Rolle der Streitkräfte unterschiedlich bewerten. Nach westlichen Maßstäben wären sie nicht gerade sehr vertrauenswürdig. Dennoch, die Armee ist derzeit die einzige intakte Einrichtung im Land. Ohne das Militär wäre keine Regierung handlungsfähig und die verhasste Polizei, die man noch immer als früheres Machtinstrument Mubaraks sieht, wäre zur Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten Ordnung alleine nicht imstande.

Es kommt auch nicht darauf an, wie wir die ägyptische Armee sehen, sondern wie die Einschätzung der Ägypter ist. Diese sehen in ihren Streitkräften eine gegenüber dem Volk integere Institution, die partei- und gruppenübergreifend Respekt und Vertrauen genießt. Als Einrichtung, die das Volk und die Revolution vor neuen Diktaturen und Gewaltherrschern schützt. Besonders vor den Muslimbrüdern und deren Anhängerschaft.

Die Muslimbruderschaft

Die anfängliche Beliebtheit der Muslimbruderschaft bei den Ägyptern stützte sich auf zwei wesentliche Grundlagen. Die Muslimbrüder widersetzten sich dem Regime Mubaraks, wurden verfolgt, inhaftiert und gefoltert. Sie galten für ihre Mitmenschen als Helden des Widerstandes. Und sie waren, im Gegensatz zum Regime, sehr sozial engagiert und unterstützten tatkräftig die Armen, wodurch sie stetig zunehmenden Einfluss gewannen. Sie kümmerten sich um jene, um die sich sonst niemand kümmerte. Ähnlich agiert die palästinensische Hamas, die einen politischen, einen sozialen und einen militärischen Apparat unterhält, ähnlich agiert die libanesische, schiitische Hisbollah-Miliz.

Doch dies ist nur die Schauseite der Medaille. Hinter der sozialen Fassade der Muslimbruderschaft verbirgt sich eine Extremform des politischen Islam, dessen hauptsächliches Ziel die Errichtung eines weltweiten Kalifats ist. Das zum Kalifat natürlich auch die Scharia gehört, muss nicht eigens erwähnt werden.

Diese Bruderschaft ist kein harmloser Dorfkulturverein und keine geistig minderbemittelte Truppe von zwangsrekrutierten Analphabeten, wie so gern behauptet wird. Sie ist radikal-islamisch, global aktiv und ihr Netzwerk verfügt über Ableger in mehr als siebzig Ländern, darunter in Saudi-Arabien, im Libanon, in Syrien, den Palästinensergebieten, Jordanien, im Sudan, in Algerien, Tunesien und Libyen - sowie bspw. Frankreich und Deutschland.

Die Muslimbruderschaft in Deutschland umfasst rund 1.800 Mitglieder, betreibt mehrere wirtschaftliche Unternehmungen und unterhält neben der Zentrale in München weitere Zentren in Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Marburg, Braunschweig und Münster.

Der Multikultikontinent Europa ist prädestiniert für Extremismen aller Art und während hierzulande über Islamphobie, Lebensmittelampeln, Zigeunersauce (kennt sogar mein Rechtschreibprogramm) und Wichtigkeiten unterhalb der Gürtellinie debattiert wird, wächst im Verborgenen heran, was man anderswo mit Panzern und Kalaschnikows im Zaum halten muss - was viele Menschen - einschließlich namhafter deutscher und europäischer Politiker und Experten - für übertrieben halten.

Vorherrschend ist die angesichts des Blutvergießens schon banal-zynische Aussage, Ägypten würde eben viel Zeit benötigen, bis man dort Demokratie gelernt hat. An dieser Stelle muss ich dann doch polemisch werden: Es sind nicht die Politiker und Experten Deutschlands und Europas, nicht die bestens bewachten Eliten Ägyptens, deren Blut für Demokratie und Freiheit fließen muss, sondern das der einfachen Menschen des Landes. So das Blut der Kopten und anderer Christen beispielsweise.

Die Lage der Christen

Die Kopten stellen bis zu zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung und bilden damit das Gros der christlichen Einwohner. Die koptische Kirche ist weltweit die älteste christliche Kirche und geht auf den Apostel Markus zurück. In keiner Weise mit dem Mubarak-Regime verflochten, teilten sie die Lasten der Revolution und demonstrierten Seite an Seite mit den Muslimen und den Säkularen. Doch nach dem Sturz des Tyrannen wurden sie zum Feindbild der Islamisten.

»Wenn Mursi auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann reißen wir den Christen die Augen aus«, verkündete der radikale TV- Prediger Abdullah Badr in einem Talk des ägyptischen Senders ›Al Hafez‹. Und der Generalsekretär der Partei für Freiheit und Entwicklung, Mohammed Abu Samra, äußerte in einem Interview des Nachrichtensenders ›Al-Arabija‹: »Wenn die Christen sich gegen die Legitimität stellen, dann werden wir äußerste Gewalt anwenden. Wir sind keine Muslimbrüder und auch keine Salafisten, wir sind Dschihadisten.«

Übergriffe auf Christen und Gotteshäuser geschahen häufig im Ägypten nach Mubarak. Doch mit der Räumung der Protestlager der Muslimbrüder eskalierte die Situation vollends. Plündernder, randalierender und sogar mordender Mob zerstörte an nur einem Tag 26 Kirchen, verwüstete oder beschädigte weitere 13 Gotteshäuser, griffen zudem sechs Schulen, vier Gemeindezentren sowie Geschäfte, Wohnhäuser, Autos und Ausflugsboote an. Vier Christen wurden vom Mob gesteinigt. Einfach so. Aus Hass. Vermutlich wird es später noch mehr schreckliche Meldungen geben, denn momentan regiert das Chaos.

Angesicht der politischen Töne aus Deutschland und Europa fühlen sich die ägyptischen Christen von der westlichen Welt ignoriert und verlassen. Ihr grausames Schicksal wird schlicht übersehen in den Debatten darüber, was demokratisch ist und was nicht. Und während die Welt sich mal wieder nicht einig wird, sterben in Ägypten unschuldige Menschen durch die Hand rasender Mörderbanden.

Die Zukunft des Landes

Eine Zukunft in Frieden, Demokratie und Freiheit setzt voraus, dass alle Kräfte guten Willens zusammenkommen und gemeinsame, gerechte Lösungen finden. Dazu bedarf es jedoch zuerst der Ruhe und Ordnung. Eine Übergangsregierung, die Gefahr läuft, das gesamte Land an Anarchie und Aufruhr zu verlieren, kann nur in einem sehr begrenzten Rahmen agieren und ist auf Unterstützung angewiesen, die über das eigene Militär hinausgeht. Da mutet es seltsam an, dass man in Europa Herrn Mursi nachtrauert und die von den Islamisten attackierte Regierung einseitig kritisiert.

Am heutigen Freitag brennen doch erneut die Barrikaden, werden wiederum Menschen angegriffen und Gebäude zerstört. Wieder rasen Messer und Mord, auch heute schreit der Mob nach Blut. Sieht man das nicht? Will man es nicht sehen?

Im Grunde genommen hat Ägypten nur eine einzige Chance auf Ruhe und Ordnung fernab des Bürgerkrieges. Man muss den Muslimbrüdern und ihren Anhängern unmissverständlich klarmachen, dass es für eine neue Tyrannei keinen Platz gibt und dass sie, sofern sie mitbestimmen wollen, der Gewalt entsagen und am Verhandlungstisch platz nehmen müssen.

Doch ich fürchte, es wird anders kommen. Zu unversöhnlich sind die Radikalen, zu groß ist ihr Hass. Es besteht die große Gefahr, dass der ›harte Kern‹ der Muslimbruderschaft in den Untergrund geht und das gesamte Land mit Terror überzieht. Und wir reden über den Umgang der ägyptischen Übergangsregierung mit Mursi. Vermutlich hätten die Ägypter gern unsere ›Probleme‹.

Gott schütze Ägypten und segne seine Kinder!

Facies terroris: Die Taliban

Die Taliban werden oft als Terrororganisation bezeichnet. Dies sind sie nicht. Sie sind vielmehr eine regionale islamistische Miliz, die sich terroristischer Mittel bedient und Kontakte zu Terrorgruppen unterhält, um das Islamische Emirat Afghanistan wiederzuerrichten. Zwischen 1996 und 2001 gab es dieses Emirat bereits, nur anerkannt von Saudi-Arabien, Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für die meisten Afghanen stellte der Taliban-Staat eine Schreckensherrschaft dar, die das Land um Jahrhunderte zurückwarf. Die Taliban, Anhänger der Islamschule von Deoband, sehen in Frauen und Nichtsunniten Menschen zweiter Klasse, sie setzten die Scharia durch, verstümmelten Diebe, steinigten vermeintliche und tatsächliche Homosexuelle und angeblich ›unkeusche‹ Frauen. Während der Gewaltherrschaft der Taliban kam es zu mindestens 15 Massakern. Daran beteiligt: die Al-Qaida. Ganze Landstriche wurden verwüstet, Städte niedergerissen, Kulturstätten zerstört, Flüchtlinge von der Versorgung abgeschnitten.

Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA begannen Luftangriffe auf Trainingslager der Al-Qaida und Stützpunkte der verbündeten Taliban. Unterstützt von amerikanischen und britischen Spezialeinheiten griff die afghanische Vereinte Front die Taliban an. Schnell fand die Herrschaft der Taliban ein jähes Ende. Gemäß einer Resolution des UN-Sicherheitsrates übernahmen vorläufig internationale Truppen die Herstellung und Gewährleistung der Sicherheit in Afghanistan.

Eine Armee der Söldner

Werfen wir einen Blick auf die Zusammensetzung der Taliban, um die Mär von den ›Freiheitskämpfern‹ zu beenden, die sich gegen ›fremde Besatzer‹ zur Wehr setzen. Bis 2001 kämpften etwa 45.000 Kämpfer auf der Seite der Taliban. Darunter waren nur etwa 14.000 Afghanen. Rund 20.000 waren hingegen reguläre pakistanische Soldaten und 8.000 pakistanische Milizionäre, 3.000 Kämpfer kamen aus arabischen und asiatischen Ländern. Weitere 8.000 Pakistani schlossen sich den Taliban direkt an.

Pakistan ist überhaupt eine wichtige Basis der Taliban. Im Jahre 2003 organisierten sich die Taliban dort neu. Gemeinsam mit dem terroristischen Haqqani-Netzwerk und den Milizen des früheren Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar brachten sie einige Regionen und Dörfer erneut unter ihre Kontrolle und setzten ihre Schreckensherrschaft fort.

Die notwendige Finanzierung der Taliban erfolgt durch unterschiedliche Quellen. Hauptsächlich erhalten sie Spenden aus dem Ausland, vor allem aus der Golfregion. Auch werden Hilfsgelder abgezweigt. Hinzu kommen erpresste Schutzgelder und Steuererhebungen in kontrollierten Gebieten, vor allem aber der Drogen- und Menschenhandel und Prostitution. Die Finanzstrukturen sind lokal und mafiös organisiert, zuständig sind die Kommandeure vor Ort.

Angst und Schrecken

Doch kommen wir zu den Mitteln und Methoden der Taliban. Ihre Macht beruht auf Einschüchterung, Terror und Gewalt. Besonders Frauen haben unter ihnen zu leiden. Der Umgang mit der weiblichen Bevölkerung war unter der Taliban-Herrschaft noch übler als in anderen streng muslimischen Staaten. Frauen durften die Burka nicht einmal anheben, was eine medizinische Untersuchung oder Zahnbehandlung gänzlich unmöglich machte. Dies wurde durch eine Art Religions- und Sittenpolizei flächendeckend überwacht. Andererseits durften Ärztinnen nicht praktizieren. Bildung war Frauen generell verboten. Erinnert sei an die damals 15-jährige Pakistanerin Malala, deren einziges ›Verbrechen‹ der Wunsch nach Bildung für Mädchen war. Dafür schoss man sie an; sie überlebte wie durch ein Wunder.

Sieht so ein ›Freiheitskampf‹ aus? Bereits vor 2001 waren die Taliban für etwa drei Viertel aller zivilen Todesopfer verantwortlich. Seit 2001 sind es einundachtzig Prozent, während den Koalitionstruppen und der neuen afghanischen Armee neun Prozent zugeordnet werden. Wer da meint, man könne mit Selbstmordattentaten auf Zivilisten die Menschen in Afghanistan ›befreien‹, dem fehlt der Sinn für die Realität.

Das Ziel der Taliban war und ist nicht die Befreiung Afghanistan, sondern die Herrschaft über Land und Leute - eine Herrschaft, die auf Unterdrückung und Tyrannei, auf Mord und Terror, auf Furcht und Schrecken beruht. Die Taliban berufen sich auf den Islam. Sie sehen gemäß ihrer deobandischen Ausrichtung alle Muslime als gleich an und lehnen unter ihnen jedwede Hierarchie ab. Dennoch töten sie Muslime. Nicht nur verhasste Schiiten, Aleviten und ›Ungläubige‹ werden zu ihren Opfern, sondern jeder Mensch, gleich welchen Alters oder Geschlechts, gleich welchen Glaubens, der sich ihren radikalen Ansichten nicht unterwirft, hat in den Augen dieser grausamen Fanatiker sein Leben verwirkt.

Wer diese Verbrecher auch nur mit Worten unterstützt, hat den Sinn für die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht verloren. Mehr noch. Er beleidigt jene Menschen, die sich unter dem Einsatz von Leib und Leben der Tyrannei entgegenstellen.

Gott segne alle Menschen guten Willens!

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