Dienstag, 31. Dezember 2013

Syrien, das blutende Land

Als der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) unlängst erklärte, das Assad-Regime sei am Ende und der Sieg der Aufständischen stehe unmittelbar bevor, habe ich mir den Nacken massiert und mich gefragt, ob sich diese Aussage eventuell auf die Informationen eines V-Mannes aus der ›Jubelrebellenszene‹ stützen könnte. Schließlich habe ich anhand der mir zur Verfügung stehenden, für jedermann öffentlich zugänglichen Nachrichten stets die These vertreten, der syrische Bürgerkrieg werde sich noch ziemlich lange hinziehen. Leider habe ich Recht behalten sollen, denn der BND hat sein Statement korrigiert. Oder ins Gegenteil verkehrt - wenn man es so sehen möchte.

Meine Aussagen beruhten eigentlich auf einem simplen Denkprozess (denn die Welt ist nicht kompliziert, sondern wird nur kompliziert gestaltet) mit nur zwei wesentlichen Beobachtungen:

1. Keine der beiden Parteien hat auch nur die leiseste Absicht, den Konflikt am Verhandlungstisch zu lösen. Gleichzeitig ist keine Seite stark genug um einen Sieg zu erringen und keine Seite schwach genug um aufgeben zu müssen. Und niemand möchte einen Kompromiss eingehen. Die Parole heißt: Sieg oder Untergang.

2. In beiden Lagern diktiert der Hass auf die jeweilige Gegenseite das blutige Geschehen. Allen Konfliktbeteiligten ist klar, dass mit der Niederlage auch das Schicksal der jeweiligen eigenen Ethnie oder Religionsgemeinschaft besiegelt ist. Erwartet werden wahrscheinliche und - tatsächlich realistisch drohende - Szenarien der Stillung des Rachegelüstes der Sieger. Somit kann keine Seite aufgeben, selbst wenn sie erschöpft und ausgeblutet ist.

Parole: Sieg oder Untergang

Die Regierungstruppen sind wiedererstarkt. Das sage nicht nur ich, sondern nun auch der BND. Und mittlerweile sammeln sich in Syrien sämtliche im Mittelmeerraum verfügbaren, von Ideologien und religiösem Wahn getriebenen Kämpfer, die nichts zu verlieren haben, aber alles gewinnen können. Da ist die libanesische Hisbollah-Miliz. Sie hat sich nach Syrien begeben und verstärkt nun aktiv die Reihen Assads. Eine Verbindung zwischen ihnen gab es schon immer. Das syrische Regime gilt als einer der wichtigsten Verbündeten und Unterstützer der Hisbollah. Die israelischen Luftangriffe auf Nachschublieferungen an die Miliz taten ihr Übriges.

Aber auch die Rebellen haben kampferprobten Zuwachs bekommen. Türkische und irakische Kurden sind aktiv in den Konflikt eingetreten. Sie sind getrieben von der Sehnsucht nach einem eigenen Staat Kurdistan und spekulieren, um ihn errichten zu können, auf einen Teil des syrischen Territoriums. Besser verständlich wird nun auch der angekündigte und bereits angelaufene Rückzug der kurdischen PKK-Kämpfer aus der Türkei. Wer nun immer noch meint, es wäre ein rein syrisches Problem und geht uns nichts an, übersieht das Übergreifen des Konflikts auf Drittstaaten. Der Krieg wird zum multinationalen Konflikt, der schnell zum Flächenbrand anschwellen kann. Jederzeit.

Ein ›Heiliger Krieg‹?

Dass der Konflikt nur noch weiter eskalieren kann, liegt in der Natur der Sache. Längst geht es nicht mehr um einen Aufstand zur Befreiung von einem Diktator. Es hat sich ein Krieg der Religionen und Ideologien entwickelt, dem die Welt seit zwei Jahren untätig zusieht. Wir erleben den vorläufigen Zenit der Auswirkungen des von der westlichen Politik viel bejubelten ›Arabischen Frühlings‹, der zum Aprilwetter mit Regenschauern aus Blut und Tränen verkommen ist. Düster. Kalt. Ohne große Hoffnung auf baldigen Sonnenschein.

Die Zivilbevölkerung in Syrien ist auf der Flucht. Hunderttausende fristen ihr Dasein in Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien, in der Türkei, ebenso viele Menschen haben Zuflucht außerhalb der Kampfgebiete im Inland gesucht. Jene, die geblieben sind, führen einen täglichen Überlebenskampf. Alles ist knapp - Nahrung, Trinkwasser, Medikamente, Energie. Dazu die ständige Furcht vor Gefechten und Beschuss. Oder vor Heckenschützen, die in den Städten überall zu finden sind. Der Alltag der Syrer ist bestimmt von Angst, Trauer und Sorge. Auf beiden Seiten.

Werfen wir einen Blick auf die altehrwürdige Metropole Aleppo im Norden. Der Krieg hat die Stadt geteilt. Die Regierungstruppen beherrschen den Westen der Stadt und den Flughafen im Südosten, die Rebellen kontrollieren den Ostteil. Entlang der Frontlinie prägen verlassene und zerschossene Ruinen das Bild. In einem der Hochhäuser residieren die ›Gotteskrieger‹ der Al-Nusra-Front. Für die Aufständischen sind die Islamisten »willkommene, tapfere Verbündete«. Verbündete, die Gefangene unter der Anleitung der Mullahs von Heranwachsenden enthaupten lassen, von ›Geistlichen‹, die zur Vergewaltigung christlicher Frauen aufrufen. Die schreckliche ›Normalität‹ des Dschihad.

Wie geht es den Christen?

Bleiben wir in Aleppo. Das dortige Christenviertel nordwestlich des Zentrums befindet sich unweit der Demarkationslinie. Die Menschen sind hin- und hergerissen zwischen der christlichen Friedensliebe und der wachsenden und berechtigten Angst um ihr Überleben. Knapp 200 Männer haben eine Miliz gegründet, um nötigenfalls ihre Kirchen, ihre Familien und ihr Viertel zu verteidigen. Angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage sind sie bereit zu kämpfen und zu sterben. Die Bischöfe haben sich hingegen stets für Neutralität ausgesprochen. Zwei von ihnen befinden sich seit einiger Zeit in der Geiselhaft der Islamisten. Ihr Schicksal ist ungewiss.

Für die Christen in Aleppo sind die »willkommenen und tapferen Kämpfer« der Al-Nusra-Front eine unmittelbare Bedrohung für das Leben. In ihrer Not wenden sie sich von der westlichen Welt ab und vertrauen auf Hilfe von Assads Unterstützern Russland und China. Denn Assad gewährte den syrischen Christen etwas, das von den meisten Rebellen kaum zu erwarten ist: Religionsfreiheit und Gleichberechtigung. Ihre Verzweiflung ist mit Worten nicht zu beschreiben.

Die Welt sieht zu. Noch immer fantasieren die Verantwortlichen der westlichen Welt von den Errungenschaften des ›Arabischen Frühlings‹. Diese Errungenschaften sind in Ägypten und Libyen islamistischer Terror gegen religiöse und ethnische Minderheiten. Diese sind, neben den syrischen Alawiten, besonders die koptischen und assyrischen Christen. Und die westliche Welt? Wir hören nicht ihre verzweifelten Schreie, wir sehen nicht ihre bitteren Tränen, wir nehmen ihr Sterben und Leiden nur am Rande wahr - und reden belehrend von einem Frieden, der in Syrien vor nunmehr zwei Jahren zum ersten Opfer des Krieges wurde.

Gott segne seine syrischen Kinder!

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