Russischer Frühling

Mittwoch, 4. Februar 2015

Eine schöne Episode

Heute übergaben die Behörden in Donezk einen jungen Kriegsgefangenen an seine Eltern. Jaroslav Gavyanez, so der Name des 22-Jährigen aus Tarnopol, der auf dem Flughafen Donezk in Gefangenschaft geriet, versprach, nicht wieder zur Waffe zu greifen.

Im Vorfeld hatte der Vater des jungen Mannes angeboten, statt seines Sohnes Gefangener zu sein. Das Oberhaupt der DNR, Aleksandr Zaharchenko, an den die Botschaft des Vaters gerichtet war, verfügte die Freilassung Jaroslavs und sicherte den Eltern sicheres Geleit zu, um ihren Sohn persönlich abzuholen.

Propaganda

Um die Kampfmoral der eingekesselten Truppen bei Debalcevo zu heben, berichteten ukrainische Medien heute von einem großen Sieg über die neurussischen Kräfte. Unter anderem sollte das nachstehende Foto die Zerstörung von gepanzerten Fahrzeugen der VSN bezeugen.

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Nur leider trägt der Schützenpanzer links im Bild die typische ukrainische Kennung: zwei weiße Balken. Die VSN entfernt diese bei Beutefahrzeugen umgehend, um den Beschuss durch eigene Truppen zu vermeiden. Das sollte man wissen.

Der Kessel von Debalcevo

Aktuell ist der Kessel von Debalcevo geschlossen wurden. Es besteht keine offene Verbindung mehr zwischen Svetlodarsk und Debalcevo. Gleichzeitig halten die neurussischen Streitkräfte (VSN) die wichtigen Ortschaften Uglegorsk und Kalinovka im Nordwesten des Kessels und stoßen aus zwei weiteren Richtungen ins Innere vor.

Die ukrainischen Truppen befinden sich in einer komplizierten Lage. Ein nicht unerheblicher Teil der Kräfte im Raum Debalcevo und Svetlodarsk sind eingekreist, Vorstöße im Gebiet Troizkoe im Norden scheitern am heftigen Widerstand der VSN. Mit dem Fall der ukrainischen Stellungen bei Novogrigorovka würde Svetlodarsk selbst bedroht.

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Es gibt drei Möglichkeiten: Konzentriert die VSU ihre Kräfte auf die Wiederöffnung des Kessels, öffnet sich für die VSN der Weg nach Artemovsk und weiter nach Kramatorsk und Slavjansk. Überlässt man die eingekesselten Truppen ihrem Schicksal, ist dies das moralische ›Stalingrad‹ für die Ukraine. Die dritte Option ist der Ausbruch aus dem Kessel. Bei Ilovaysk scheiterte die VSU allerdings mit einem solchen Versuch und verlor dabei mehr als 1.200 Soldaten.

Die VSN hat bereits mehr als 3.000 Einwohner aus Uglegorsk und Kalinovka evakuiert und weitere 1.000 Flüchtlinge aus dem Innern des Kessels mitgenommen. Vor den Milizen in diesem Bereich liegt fast wie ein aufgeschlagenes Buch die Straße nach Debalcevo.

Die aktuelle Lage

Hier zur Gesamtlage vom 3. Februar 2015 in den acht Schwerpunktbereichen:

1. Flughafen Donezk und Umgebung
Die Lage am Flughafen Donezk ist unverändert. Beide Parteien halten ihre gegenwärtigen Positionen. Nach wie vor liegt die Stadt Donezk unter starkem Feuer der ukrainischen Armee (VSU).

2. Raum Dokuchaevsk
In diesem Bereich gibt es noch immer Artillerievorbereitung für eine Offensive der VSU, die sich gegen den Süden von Donezk richtet. Die neurussischen Milizen (VSN) halten ihre Stellungen und bereiten die Abwehr des Angriffs vor.

3. Raum Mariupol
Beide Parteien halten weiterhin ihre Positionen, die Kontaktlinie blieb unverändert. Es gibt weiterhin Feuer auf die Siedlung Telmanovo und andere Ortschaften nordöstlich von Mariupol.

4. Raum Gorlovka
Beim Beschuss der Stadt durch die Artillerie der VSU starben am 2. Februar 2015 mindestens 20 Zivilisten (siehe Video 18+). Das Artilleriefeuer hält weiterhin an.

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5. Raum Debalcevo
Der Kessel von Debalcevo ist geschlossen. Über diesen Kriegsschauplatz wird wegen der Intensität der Kämpfe gesondert berichtet.

6. Raum Popasnaya
Die neurussischen Streitkräfte (VSN) streben weiterhin die Einnahme der Ortschaft an, um sich für Offensiven gegen Artemovsk in Stellung bringen zu können.

7. Bakhmutska-Trasse
Die Kämpfe um die Kontrollposten entlang der Trasse halten unverändert an. Ihre Intensität hat nachgelassen, da die meisten Reserven beider Seiten bei Debalcevo kämpfen.

8. Staniza Luganskaya, Schastye, Slavyanoserbsk
Außer gelegentlichen Schusswechseln gibt es hier keine Besonderheiten.

Video Beschuss von Gorlovka
Zwanzig Zivilisten getötet!
https://www.youtube.com/watch?v=i-xTuk3FTuM
VIDEO 18+ Englisch untertitelt

Lufteinsatz der VSN
Die nicht anerkannte Lugansker Volksrepublik (LVR) berichtet, dass während einer Operation zum Schließen des Kessels von Debalcevo die Suchoi Su-25 der LVR-Luftwaffe (davon wurde hier berichtet) einen Konvoi der VSU auf der Autobahn Artemovsk - Debalcevo angriff und mindestens zwei gepanzerte Fahrzeuge und zwei LKW zerstörte.

Dienstag, 3. Februar 2015

Die heutige Lage

Heute gibt es mal wieder einen kurzen Lagebericht:

Städte an der Kontaktlinie
Es gab auch heute den längst üblich gewordenen Beschuss der Städte Lugansk, Donezk und Gorlovka sowie derer Vororte. Es gibt verwundete Zivilisten, deren Verletzungen eindeutig auf Phosphormunition zurückzuführen sind. Heftig beschossen wurde auch die Ortschaft Telmanovo nördlich von Mariupol.

Kessel von Debalcevo
Wegen des schweren, sechs Tage anhaltenden Beschusses von Uglegorsk durch die ukrainischen Truppen (VSU) haben die neurussischen Milizen (VSN) die Zivilbevölkerung der gesamten Ortschaft evakuiert. Eine Verstärkungskolonne der VSU wurde nördlich von Debalcevo zurückgeschlagen. Mehrere Fahrzeuge wurden dabei zerstört. Die VSN stößt nun aus südlicher Richtung aus Nikishino gegen Debalcevo vor. Die Verhandlung mit zwei Bataillonen der VSU hinsichtlich des freien Abzugs wurden von der VSN abgebrochen, da man zu den Gesprächen anstelle ranghöherer Offiziere zwei Leutnants geschickt hat.

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Unruhen in Kiew
In Kiew haben mehrere hundert aufgebrachte Menschen die Gardesoldaten vor Petro Poroschenkos Amtssitz überrannt und sind in das Gebäude eingedrungen. Ziel der Aktion war es vermutlich, vor einer Fernsehkamera eine Ankündigung zu tätigen. Näheres ist mir bisher nicht bekannt geworden. Der Sender Russia Today (RT) hatte eine livecam geschaltet, die aber mittlerweile deaktiviert wurde.

Warum kämpfen im Donbass ...

... Tschetschenen gegen Tschetschenen?

Hierzulande wird gern der Eindruck vermittelt, alle Tschetschenen wären entweder anti-russisch oder pro-westlich. Oder beides. Dies ist allerdings grundfalsch. Wie bspw. in der Ukraine gibt es in Tschetschenien einen pro-russischen Bevölkerungsanteil. Diese Gruppe sieht sich als Teil der russischen Föderation und möchte es bleiben. Der andere Anteil ist hingegen zwar anti-russisch, aber keinesfalls pro-westlich, sondern vielmehr pro-islamistisch.

Ziel der Aufständischen in Tschetschenien ist ganz bestimmt nicht die Übernahme westlicher Werte, der spätere EU-Beitritt oder ein ähnliches Unterfangen. Man strebt die Bildung eines Islamischen Emirats an. Damit würde an der Grenze zu Russland ein militanter ›Gottesstaat‹ entstehen, der mit seinen Nachbarn keineswegs friedlich zusammenleben würde und der ohne dauerhafte Unterstützung Dritter kaum überlebensfähig wäre.

Gegen dieses radikal-islamische Emirat wehrt sich die säkulare, pro-russische Bevölkerungsgruppe. In der Ukraine haben die Tschetschenen beider Seiten nun die Möglichkeit des kriegerischen Austragens ihrer Zerwürfnisse im Rahmen eines Stellvertreterkonfikts.

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Foto - Auf pro-russischer Seite kämpft derzeit ein tschetschenisches Freiwilligenbataillon. Es umfasst etwa 300 Kämpfer, von denen 70 bis 75 Prozent in Spezialeinheiten gedient haben und höhere militärische Auszeichnungen tragen.

Demnächst - Warum kämpfen im Donbass Polen gegen Polen?

Aktivistin der ersten Stunde

Irina Poltoratskaya gehört in der nicht anerkannten Donezker Volksrepublik zu den Aktivisten der ersten Stunde. Im Frühjahr 2014 organisierte sie in ihrer Heimatstadt Torez ein Referendum zur Unabhängigkeit von der Ukraine. Sie gehört zu den bekanntesten pro-russischen Aktivisten in ihrer Region.

Im Mai 2014 wurde Irina von Gewährsleuten des ukrainischen Militärgeheimdienstes SBU nach Kiew verschleppt. Im nachstehenden Video erzählt sie ihre Geschichte. Der Film ist zwar recht lang, bietet aber den Vorteil der deutschen Untertitelung.

Video Irina Poltoratskayas Geschichte
https://www.youtube.com/watch?v=Mm5bwO9tWQU

Irina ist ihrer Überzeugung treu geblieben und arbeitet in Torez weiterhin für die Eigenstaatlichkeit des Donbass. Neben der politischen Tätigkeit ist sie vor allem im humanitären Bereich stark engagiert.

Montag, 2. Februar 2015

(K)alte Krieger

Eine Polemik

Als die ukrainische Regierung den Beginn der sogenannten ›Antiterroroperation‹ (ATO) befahl und Panzerfahrzeuge in den Donbass schickte, glaubte das selbsternannte ›Heldenvolk‹ fest daran, dass die pro-russischen Aktivisten aufgeben würden. Niemand in Kiew (und im Westen) ging von diesem hartnäckigen Widerstand aus, der sich dem ukrainischen Militär und dessen ›Hilfswilligen‹ entgegen stellte.

Die anfänglichen Erfolge gegen die pro-russischen Milizen ließen die Militärführung leichtsinnig werden. Man merkte nicht mal mehr, dass die Anfangserfolge mit großen Verlusten verbunden waren. Diese mangelnde Befähigung zur Einsicht feuerte immer wieder die Legende von regulären russischen Truppen im Donbass an. Mit der Umkehr der Entwicklung und den Siegen der pro-russischen Milizen erhielt das Märchenerzählen zusätzlichen Auftrieb. An diese Mär glauben heute nur noch ein paar deutsche Medienmacher. Sie verbreiten sie sogar weiter, nachdem die ukrainische Führung das Gegenteil eingestanden hat.

Klar, man kann diesen Krieg ewig führen. Es gibt sicherlich Mächte, die daran sogar interessiert sind. Dabei kann die Ukraine nur verlieren. Der Konflikt zerstörte die Leben Tausender, es bleiben Traumata und Zerrüttung, ewiger Hass der beiden Bevölkerungsanteile aufeinander - und Milliardenschulden bei Gläubigern, die nur ungern ihre Beute teilen. Die Zukunft der Westukraine wird der Gegenwart Rumäniens oder Bulgariens entsprechen, die Zukunft der Ostukraine steht in den Sternen. Aber eines ist sicher: Die Milizen werden nicht aufgeben. Und gute (westliche) Waffen in den Händen schlechter Soldaten bringen nicht viel. Nur mehr Tod und Zerstörung.

Ich bleibe daher bei meiner mehrfach geäußerten Position: Die Ukraine muss den gleichen Weg gehen wie die frühere Tschechoslowakei, die sich friedlich in Tschechien und die Slowakei aufgelöst hat. Oder sie wird das Schicksal des vormaligen Jugoslawien teilen, dass erst durch einen langen und blutigen Bürgerkrieg in ein halbes Dutzend Staaten zerfiel, tatkräftig unterstützt durch die jeweils verbündeten ›Kalten Krieger‹ von einst. Mir wäre der tschechoslowakische Weg um ein Vielfaches lieber.

Aber die friedliche Lösung wird der ›Westen‹ wohl nicht zulassen. Die ganze Ukraine ist in den Fokus von Politik, Wirtschaft und NATO geraten, und besonders das Weiße Haus hat sich noch nie um die Befindlichkeiten anderer Staaten und Völker gejuckt, wenn diese den eigenen Interessen im Weg standen. Dass besonders das bis zur Ergebenheit loyale Deutschland dann ganz oben auf der Speisekarte der US-Geheimdienste gelandet ist, muss ein Treppenwitz der Weltgeschichte sein.

Doch angesichts der Bilder der Toten und Verstümmelten im Donbass, die ich jeden Tag ansehen muss, um darüber schreiben zu können, lassen mir das Lachen im Halse stecken bleiben. Zum ›Qualitätsjournalisten‹ fehlt mir glatt die notwendige innere Grabeskälte. Die ›Einige Ukraine‹ ist mir persönlich nicht wichtig. Vor 1922 gab es sie nicht mal im Ansatz. Die Menschen sind mir hingegen sehr wichtig. Jede/r Einzelne!

Liebe 'Die Welt',

der Artikel eures Chefreporters ist Abschreckung genug ... und für den 'friedfertigen Pazifistenstaat' Deutschland ist das sogar ein bisschen zuviel Kriegstreiberei.

Also, Herr Eigendorf, Sie können gern für den Kunststaat Ukraine, dessen Olygarchen und deren Fascho-Freunde kämpfen. Warum sollen das stets andere tun? Selbst ist der Mann. Eine Waffe liegt bestimmt irgendwo für Sie herum. Vielleicht bei Debalcevo, da wurde gerade eine Anzahl Flinten ins Korn geworfen.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article137041942/Die-Ukraine-braucht-dringend-Waffen-aus-dem-Westen.html

Hier ein Video darüber, was immer mehr Ukrainer - und vor allem Ukrainerinnen - von diesem Krieg und der Mobilmachung halten: Sie protestieren dagegen!

https://www.youtube.com/watch?v=o1yTdd6YYzA

Ja, West-Waffen in die Ukraine, damit dort noch mehr Menschen sterben!

Milizen erobern Nikishino

Das kleine, seit drei Monaten verlassene Dorf Nikishino liegt am Südrand des Kessels von Debalcevo und stand bisher unter der Kontrolle der ukrainischen Armee. Auf dem Dorffriedhof liegen rund 70 ukrainische Soldaten begraben.

Nunmehr nahmen die pro-russischen Milizen den letzten Stützpunkt der Kiewer Truppen in Nikishino ein. Es konnte einiges Gerät erbeutet werden, das künftig den Milizen seinen Dienst leisten wird. Das nachstehende Video zeigt u.a. das Abschleppen eines reparablen Schützenpanzers in die Werkstatt.

https://www.youtube.com/watch?v=HuASmDb0RBk

Anmerkung: An den senkrechten weißen Streifen am Fahrzeug erkannt man, dass es sich um ein Gefechtsfahrzeug der ukrainischen Armee handelt.

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