Russischer Frühling

Sonntag, 1. März 2015

Eben festgenommen

Während des Gedenkmarsches für den gestern ermordeten, russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzov wurde Aleksey Honcharenko, einer der Rädelsführer des Massakers von Odessa im Mai 2014, der an der Gedenkveranstaltung teilnahm, von der russischen Polizei festgenommen.

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Aleksey Honcharenko (Mitte)

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Mit seinem Freund John McCain

Jazenjuk und die Rentner

Seit Juni 2014 sind alle Rentenzahlungen des ukrainischen Staates an Bezugsberechtigte, die in den nicht anerkannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken leben, eingestellt worden. Zuvor waren die Berechtigten aufgefordert worden, die abtrünnigen Regionen zu verlassen, um weiterhin ihre Renten empfangen zu können. Allein in Donezk leben etwa 278.000 Rentner, von denen 40.000 bis Ende 2014 freiwillig oder notgedrungen in anderen Gebieten der Ukraine, die unter der Kontrolle der Kiewer Regierung stehen, niederließen.

Nun stehen die umzugswilligen Rentner, die schließlich leben müssen und ihre Altersbezüge benötigen, zusätzlich vor einem weiteren, bizarren Problem. Ministerpräsident Jazenjuk prägte nämlich den Begriff vom ›Ruhestandstourismus«. Der Vorwurf an die Betroffenen: Sie ziehen zeitweise in die von Kiew kontrollierte Ukraine, um ihre Renten zu empfangen, behalten aber ihre Häuser und Wohnungen in der DVR und der LVR. Dies führte zu einer weiteren Verschärfung der Blockade.

Künftig muss der umzugswillige Pensionär Haus und Hof auf dem Gebiet der DVR und der LVR aufgeben. Mit den Mitteln der Bürokratie verkompliziert man absichtlich einen Umzug. So müssen Wohnungen gekündigt und Grundstücke verkauft werden, Nachbarn müssen dies bezeugen, man benötigt Dutzende Urkunden und Dokumente. Die Menschen stehen vor der Wahl, nicht unerhebliche Teile ihres Besitzes aufzugeben, um Rente zu bekommen, oder sie bleiben in den Volksrepubliken, behalten ihr kleines Häuschen und verzichten auf die Kiewer Rentenzahlung. Viele Rentner leben von der humanitären Versorgung, die hauptsächlich aus Russland kommt, die Volksrepubliken zahlen entsprechend ihrer Möglichkeiten kleine Grundrenten an die Betroffenen aus.

Sind die DVR und die LVR für die Rentenzahlungen in ihren Gebieten verantwortlich? Da sie sich als de facto unabhängige Staaten sehen, sind sie an der Organisation eigenständiger Sozialsysteme nicht nur interessiert, sondern sie befinden sich längst im Aufbau. Doch selbst ein autonomes Rentensystem der Volksrepubliken entbindet die Ukraine nicht von der Verpflichtung, die vor der Abspaltung der beiden Gebiete erworbenen Rentenansprüche an die Empfangsberechtigten auszuzahlen. Da Kiew die Gebiete Donezk und Lugansk nach wie vor als Bestandteil ihres Staates sieht, ist die Nichtgewährung der Renten reine Willkür.

Die Vorschriften sind in Deutschland nicht anders. Die Altersrente ist über das Sozialversicherungssystem organisiert, in dem man durch Einzahlungen während der Erwerbstätigkeit Leistungsansprüche erwirbt. Auch ausländische Arbeitnehmer zahlen hierzulande in die Rentenversicherung ein und erwerben dadurch Ansprüche. Zieht nun ein Ausländer bei Eintritt in den Altersruhestand in sein Herkunftsland zurück, werden die Zahlungen dorthin weitergeleitet. Auch ein Deutscher, der sich bspw. in Peking niederlässt, bekommt seine Rentenzahlung weiter, selbst wenn er die chinesische Staatsbürgerschaft annimmt und die deutsche zurückgibt.

Samstag, 28. Februar 2015

Ein Asow-Kämpfer packt aus

Hier ein englisch untertiteltes Video mit den Aussagen eines bei Mariupol gefangen genommenen Ex-Kämpfers des faschistischen Asow-Regiments:

https://www.youtube.com/watch?v=4BOv_KSWRRc

Insgesamt gibt es etwa 17 Bataillone mit faschistischem oder rechtsnationalisischem Hintergrund. Dies sind etwa 6.500 bis 8.500 Bewaffnete - mehr als 10 Prozent der im Donbass beteiligten ukrainischen Truppen.

Rechte Organisationen: UNA-UNSO

Das etwas sperrige Kürzel UNA-UNSO steht für die rechte Partei ›Ukrainische Nationalversammlung - Ukrainische Nationale Selbstverteidigung‹ bzw. für ›Ukrainische Nationalversammlung - Ukrainische Nationale Solidaritätsorganisation‹.

Ihre Ausrichtung ist rechtsextrem, nationalistisch, revanchistisch und russophob, teilweise antisemitisch. Die Parteifarben sind schwarz-rot, also wie die des ›Rechten Sektors‹. Während des Maidan trat die Partei im Umfeld von UDAR (Klitschko-Partei) auf. In der Russischen Föderation ist die Tätigkeit der Partei verboten. Nach jüngsten Medienberichten wirbt UNA-UNSO über soziale Netzwerke auch in europäischen Staaten um junge ukrainischstämmige Menschen, die sich dem Kampf im Donbass anschließen sollen.

Angehörige der UNA-UNSO waren an diversen bewaffneten Konflikten der jüngeren Geschichte aktiv beteiligt, so u.a.:

- im Karabach-Konfikt auf der Seite Aserbaidschans
- im Transnistrien-Konflikt auf der Seite Transnistriens
- im Konflikt Georgien mit Abchasien auf der Seite Georgiens
- im 1. Tschetschenienkrieg auf der Seite der Islamisten
- im Kroatienkrieg auf der Seite der Kroaten
- im Bosnienkrieg auf der Seite z.T. der Kroaten, z.T. der Serben
- im Kosovokrieg auf der Seite der Serben
- im Südossetienkonflikt auf der Seite Georgiens
- im Ostukrainekonflikt auf der pro-westlichen Seite

Weitere derartige Organisationen folgen bei Gelegenheit.

Kontraste

Wie manche Mitmenschen die Welt sehen:

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Ein ›getöteter Terrorist‹ in Donezk

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Ein ›friedlicher Demonstrant‹ in Kiew

Cyborgs

Cyborg ist die Bezeichnung für eine Mischung aus lebendem Organismus und Maschine. Der Begriff umschreibt in der Regel einen Menschen, der mit künstlichen Bauteilen ausgestattet ist. Ein nahezu unzerstörbares Mischwesen. Cyborg nannten sich die ukrainischen Truppen auf dem Flughafen von Donezk. Nun, vielleicht gehört es zu den Eigenschaften solcher Wesen, ihre Toten wie Schrott zu entsorgen.

Bis zum gestrigen Tag wurden die Körper von 76 ›Cyborgs‹ auf dem Gelände des Donezker Flughafens gefunden und geborgen, die von ihren Kameraden einfach liegen gelassen wurden. Klar, es kann in der Hitze des Gefechts vorkommen, einen Leichnam zu übersehen. Doch auch mindestens 76 (die Suche ist noch nicht abgeschlossen)? Keine Armee, die auch nur über ein Mindestmaß an Respekt, Anstand und Kameradschaftlichkeit verfügt, lässt seine Gefallenen auf dem Schlachtfeld liegen.

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Kriegsgefangene bei der Bergung toter Kameraden

Anmerkung: Der Flughafen war nicht eingekesselt. Die Toten hätten weggeschafft werden können. Und sorry für das Foto, aber ich habe das am wenigsten Schreckliche herausgesucht.

Freitag, 27. Februar 2015

Novotoshkovskoe

Die Siedlung Novotoshkovskoe befindet sich im von den Kiewer Truppen kontrollierten Bereich der Region Lugansk. Der Gouverneur dieses Gebietes, Gennadi Moskal, bezeichnet Novotoshkovskoe als die einzige Ortschaft auf dem Territorium der Ukraine (wobei er DVR und LVR herausrechnet), deren Infrastruktur vollständig zerstört wurde. Von einst mehreren Tausend Menschen leben heute noch um die 300 in der Siedlung, darunter 15 Kinder.

Novotoshkovskoe war vor dem Eintreten des Waffenstillstands hart umkämpft und wechselte mehrfach den Besitzer. Der Anblick der Siedlung ähnelt nun den Kleinstädten und Ortschaften an der Frontlinie auf dem Gebiet der nicht anerkannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken, die allesamt in weiten Teilen stark zerstört wurden und deren Infrastruktur funktionsuntüchtig ist.

Die Menschen in den Regionen Lugansk und Donezk haben den Krieg nicht ausgelöst. Die neurussischen Milizen, gegründet als Selbstverteidigungskräfte, haben zwar die Kontrolle in den mehrheitlich pro-russischen Gebieten übernommen, aber keine Aggressionen gegenüber der Rest-Ukraine gezeigt. Der Krieg wurde von Kiew in den Osten des Landes getragen. Kampfflugzeuge und Artilleriesysteme der ukrainischen Armee griffen die Städte und Siedlungen in den aufständischen Gebieten an. Nicht umgekehrt.

Seitens der ukrainischen Führung gab es nicht nur einen Hagel von Bomben und Granaten, sondern zusätzlich ein wirtschaftliches Totalembargo, dessen Folgen nicht zwischen Zivilisten und Milizangehörigen unterscheidet. Vom ersten Schuss an nahm die Kiewer Regierung keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung im Donbass.

Bilder gehen um die Welt. Bilder der Zerstörung. Sie sollen die Schrecken des Krieges zeigen, aber sie zeigen nur totes Material. Zerbrochenen Beton, geborstenes Glas, verbogenen Stahl. Menschen kommen nur selten zu Wort, und wenn, dann sind sie weit weg von den Trümmern, die der Beschuss verursacht hat. Man redet lieber über das Völkerrecht und noch lieber über den ›Aggressor Putin‹.

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Petrovski-Bezirk, mitten in Donezk

Doch wer kümmert sich nun um die alten Mütterchen, denen Kiew seit Monaten die Rentenzahlung verweigert? Wer versorgt die Verletzten in den Krankenhäusern, deren Personal keine Gehälter bezieht und die von der Medikamentenversorgung abgeschnitten sind? Die deutschen Grünen? Marie Louise Beck und Werner Schulz? Nein. Es sind Staat und Gesellschaft der Russischen Föderation. Und es sind die Milizen mit ihren humanitären Abteilungen, die unermüdlich dringend notwendige Güter heranschaffen und ihre eigene Versorgung mit den Zivilisten teilen.

»Alle waren gegen uns«, klagte ein ukrainischer Kriegsgefangener nach der Einnahme von Debalcevo durch die Milizen, »keiner wollte uns haben.« Wer die Augen, Ohren und Herzen öffnet, der weiß warum es so ist.

Rückblick: Krim

Heute vor einem Jahr, am 27. Februar 2014, konnte man sie auf der Halbinsel Krim zum ersten Mal sehen: Soldaten ohne Hoheitszeichen, im Westen gern als ›grüne Männchen‹ bezeichnet, von vielen Einheimischen bevorzugt ›höfliche Leute‹ genannt.

Zur Erinnerung an diesen merk- und denkwürdigen Tag einige unkommentiert bleibende Fotos:

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Donnerstag, 26. Februar 2015

Katya, Anya & Co.

Die beiden nachstehend abgebildeten jungen Damen heißen Katya und Anya. Beide sind neunzehn Jahre jung. Sie gehören der neurussischen Miliz (VSN) an. Mehr weiß ich nicht über sie. Ich kenne nur die Vornamen und das Alter. Möglicherweise sind sie Zwillingsschwestern. Anzunehmen. Jedenfalls sehen sie sich sehr ähnlich. Was bringt diese beiden Mädchen dazu, die Risiken des Kampfes in einem Krieg auf sich zu nehmen? Sie werden gewiss ihre Gründe haben.

katya anya

Auch die drei Menschen auf der nächsten Abbildung sind Angehörige der VSN. Ihre Namen sind mir nicht bekannt. Ich weiß nur, dass es sich um eine Familie handelt: um Vater, Mutter und Tochter. Aber welche Gründe können Eltern dazu veranlassen, ihre Tochter, vielleicht das einzige Kind, einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit auszusetzen? Nun, auch sie werden wissen, wofür sie es tun. Es muss etwas Höheres, Bedeutsames sein.

familie

Doch hierzulande halten politisch interessierte Leute es tatsächlich für logisch, dass diese fünf Menschen für drei Mahlzeiten am Tag, einen Nachmittagstee und eine Stange Zigaretten pro Woche höchste persönliche Risiken eingehen - nur um Vladimir Putin eine Gefälligkeit zu erweisen. Geht's eigentlich noch?! Warum nimmt man dann für seine eigenen Ansichten nicht annähernd ähnliche Härten auf sich?

Ich für meinen Teil wünsche diesen Fünf - und allen anderen - alles Glück der Welt. Dass sie überleben und gesund bleiben werden. Und dass Strapazen, Leiden und Engagement nicht umsonst sein werden.

Rückblick: Lvov, August 2013

Das nachstehend verlinkte Video wurde im August 2013 veröffentlicht. Es zeigt die Umbettung von Gefallenen der einstigen Division der Waffen-SS ›Galizien‹, die hauptsächlich aus ukrainischen Freiwilligen und deutschem Rahmenpersonal bestand.

Nur gut, dass es in der Ukraine keine Nazis und Faschisten gibt. Außer ein paar Möchtegern-SS-Leute mit Karabinern und Maschinenpistolen sowie Hakenkreuz und Totenkopf - Seite an Seite mit Folklore-Kosaken ohne Säbel und Musketen.

Video - Alte und neue SS-Schergen
https://www.youtube.com/watch?v=ZyNxNffaCs8

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