Russischer Frühling

Samstag, 23. Mai 2015

Diesem Milizionär

wurden in der Gefangenschaft des ukrainischen ›Rechten Sektors‹ beide Zeigefinger abgeschnitten. Mit diesem (von mir verfremdeten) Foto brüsteten sich diese Folterknechte auch noch im Internet:

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Erzähl mir jemand was von den ›brutalen Separatisten‹ ...

PsyOps Nr. 48.193 (oder so)

In dem nachstehend verlinkten Artikel berichtet man von der Aussage des ukrainisches Innenministers Avakov, dass ein Ausbildungslager der ›Terroristen‹ im Donbass durch einen Luftangriff vernichtet wurde. Seltsamerweise fanden überhaupt keine Aktivitäten der ukrainischen Luftwaffe statt. Auch die Tausenden russischen Regulären mit ihren Hunderten Flugabwehrsystemen müssen diesen besagten Angriff total verpennt haben.

http://www.unian.net/politics/922517-baza-terroristov-pod-luganskom-byila-unichtojena-izdaleka-raketno-bombovyim-udarom.html

Dazu ein Statement des Lugansker Brigadekommandeurs Aleksey Mozgovoy: »Im Zusammenhang mit der Geburt der Brigade Prizrak schlage ich vor sich zu erinnern, wie es damals war. Die Idiotie dieser Aussagen macht mich ratlos. Jetzt kann ich nur noch lachen. Nur dank der Aktionen Avakovs haben wir einen Namen [*] und durch die Aktionen Poroschenkos Waffen. Machen Sie weiter mit Ihrer guten Arbeit, und bald werden wir ein freies Land haben, mit einer freien, sozialen Zivilgesellschaft. Doch ohne Sie, meine Damen und Herren.«

Nun, endlich lernen die Ukrainer bessere Propaganda von ihren US-Militär-Freunden. Die haben da ihre eigenen Erfahrungen - und Idole. Beispielsweise die einstige Heldin Jessica Lynch, die angeblich ihre gesamte Einheit gerettet hatte, obwohl das arme Mädel mit gebrochenen Unterarmen gar nicht in der Lage gewesen war, auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern - was später eingestanden werden musste.

[*] Den Namen Prizrak (Gespenst) gab sich Mozgovoys Brigade nach der Behauptung des Innenministers Avakov, der Verband sei komplett vernichtet worden. Real verlor er keine vierzig der damals mehr als 1.500 Kämpfer. Aufgrund der Falschmeldung bezeichneten sich Mozgovoys Milizionäre selbstironisch als Gespenster.

Zur militärischen Lage

Heute soll an meiner Stelle der Stellvertreter des Stabschefs der 5. Taktischen Bataillonsgruppe der Donezker Republikanischen Garde, Aleksandr Matyuschin, Rufzeichen ›Varyag‹ (Waräger) berichten:

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Foto: Milizoffizier Matyuschin

»Der vergangene Tag zeigte sich relativ ruhig. Die ukrainischen Truppen setzten allerdings ihre schmutzige Arbeit zur Vernichtung des Volkes des Donbass fort. Gorlovka blieb für einen Tag vom Beschuss verschont. Das aus Dzershinsk und Mayorsk ausgehende Feuer traf besonders die Donezker Stadtbezirke Kiev und Kuibyshev. Die Ukrainer waren nicht in der Lage, zum Flughafen durchzubrechen und entluden ihren Zorn durch den Beschuss des Bereiches.

In Peski war es unruhig. Der Feind beschoss ständig unsere Positionen und sondierte mit Aufklärern unsere Verteidigungslinie. Mein Bataillon beklagt zwei Verwundete, der Feind musste mehrere Tote verzeichnen. Bei Mariupol versuchen die Ukrainer uns aus Shirokino zu vertreiben. Sie kommen nicht voran, doch bis zur nächsten Offensive sind wir gezwungen, in der Defensive zu bleiben. Im Gegensatz zu den Kiewer Truppen halten wir Wort und beachten die Vereinbarungen der Minsker Gespräche.«

Weiter teilte Matyuschin mit, dass seitens der nicht anerkannten Donezker Volksrepublik Donezk der Besitz und Erwerb von Schusswaffen bis zum Kaliber 11,43 mm künftig erlaubt sein wird. »Wir bekommen die Rechte freier Menschen zurück«, schwärmt der Milizoffizier.

Montag, 18. Mai 2015

Michail Tolstych - vom Lokführer zum Offizier

»Ich habe Freunde verloren in diesem Krieg. Auch meinen engen Freund Sasha, Rufname ›Partizan‹. Bereits seit Ilovaysk waren wir befreundet. Ich erinnere mich namentlich an all die Toten und besuche regelmäßig ihre Gräber.« Der Mittdreißiger im wetterfesten, zweifarbigen Kampfanzug spricht seine Worte leise und bekümmert. Übergangslos lächelt er seine Interviewer verschmitzt an und bittet sie, bloß nicht über seinen familiären Status zu berichten.

Die Erinnerung an die Gefallenen treibt ihn um. Loyalität ist eine seiner wichtigsten Eigenschaften: Loyalität gegenüber seiner Familie und den Menschen im Donbass, seinen Untergebenen und seinen Vorgesetzten Oberst Zaharchenko, dem Oberhaupt der jungen Donezker Volksrepublik, und Generalmajor Kononov, dem Verteidigungsminister.

Der junge Mann hinter dem Schreibtisch zündet sich eine Zigarette an und schaut den Interviewern aufmerksam entgegen. Er ist groß und schlank, er hat schwarzes Haar, das erste Silberfäden aufweist. Sein Konterfei könnte das Cover einer Modezeitschrift zieren. Aber er ist kein männliches Fotomodell, keine Werbefigur, wie einst von seinen Gegnern behauptet wurde, sondern der Kommandeur einer neurussischen Milizeinheit der nicht anerkannten Donezker Volksrepublik. Michail Sergeyevich Tolstych, so sein Name, ist Oberstleutnant der Donezker Streitkräfte und befehligt das Mechanisierte Bataillon Somali (Somalia).

Sein Funkcode ›Givi‹ ist der Name seines georgischen Großvaters. Er kennt ihn nur aus den Erzählungen der Großmutter. Aber Großvater Givi, weiß Tolstych, war ein tapferer Kämpfer im Großen Vaterländischen Krieg, ein Abschnittskommandeur im Kaukasus. Tolstychs Familie lebt heute vorübergehend nicht mehr im Donbass, sondern in Russland. Er hat sie dorthin gebracht, als der Krieg begann. Frau und Kinder hat er nicht. Diese ständige Behauptung, er hätte seine Familie treulos sitzen lassen, ist ein Teil der im Ostukrainekonflikt allgegenwärtigen Propaganda.

»Es ist die gleiche Propaganda, die von den Menschen im Donbass allgemein und von den Milizsoldaten speziell nur als ›Terroristen und Banditen‹ spricht«, beurteilt Tolstych. »Es gibt da viele Varianten«, sagt er und fügt mit einem Schulterzucken hinzu: »Wenn es sie glücklich macht ...«

Tolstych ist der ›Popstar‹ der nicht anerkannten Volksrepublik Donezk. Er ist einer der beliebtesten Milizionäre. Dass nicht alle Einwohner ihn mögen, ist ihm freilich bewusst. »Ich weiß nicht, weshalb manche Menschen mich negativ sehen«, erzählt er offenherzig. »Mein Bataillon stand unter anderem im Kampf beim Stadtviertel Chanzhonkov. Meine Leute haben tagelang nicht geschlafen und konnten verhindern, dass mehr als ein Dutzend Granaten in Makeyevka einschlugen. Zuerst schliefen sie friedlich, dann schauten sie uns vorwurfsvoll an.« Für Tolstych sind sie die ›schwarzen Schafe, die es in jeder Familie gibt‹. Aber diese Wenigen sind schnell vergessen, merkt er an, wenn er die positive Haltung der Vielen wahrnimmt. »Meine Jungs heulen manchmal, wenn sie die hingebungsvolle Zuwendung der Menschen zu spüren bekommen«, gesteht ›Givi‹ ein.

Den Vorwurf, die Miliz würde sich berechnend in Wohngebieten einquartieren, um gegnerischen Beschuss zu verhindern, weist Michail Tolstych energisch zurück. »Wir verschanzen uns in längst verlassenen Gebäuden ohne Glas in den Fenstern. Es ist unsere wichtigste Aufgabe, die Zivilisten zu schützen, nicht aber, sie in Gefahr zu bringen. Die Ukrops (Ukrainer) schossen in die Wohnviertel, weil sie uns töten wollten - Soldaten wie Zivilisten.«

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Foto: Michail Sergeyevich Tolstych

Michail Tolstych stammt aus der Kleinstadt Ilovaysk in der Region Donezk, um die er mit seinen Soldaten erbittert gekämpft hat. Die dortige Kesselschlacht war der Wendepunkt während der Kämpfe im Sommer 2014, die eine drohende Niederlage der Miliz bei Shachtersk in einen triumphalen Erfolg verwandelte. Der Blutzoll war hoch, erinnert sich der heutige Oberstleutnant.

Somali, der Name seines Bataillons, geht auf diese Zeit zurück. ›Givi‹ kommandierte während der Kesselschlacht nur eine kleine Gruppe verwegener Kämpfer. Dann kam das Bataillon von Arsenij Pavlov, Funkcode ›Motorola‹, zur Unterstützung herbei. Als dieser Tolstychs Einheit, über deren Köpfe die Kugeln pfiffen, sah - die Milizionäre trugen wegen der Hitze nur T-Shirts und kurze Hosen -, meinte Pavlov: »Hier ist es wie in Somalia. Und ihr lauft herum wie die Piraten.« Als Tolstychs Einheit zum selbständigen Bataillon ausgebaut wurde, wählte sie wie selbstverständlich den Namen ›Somali‹.

Überhaupt sind Pavlov und Tolstych die engsten Freunde geworden. Meist kämpfen die Bataillone der beiden Kommandeure Seite an Seite. Beide Männer sind Milizionäre der ersten Stunde. Sie fochten u.a. in Slavyansk, Shachtersk, Ilovaysk und am Donezker Flughafen. Diese vier Orte benennen eine Niederlage und eine Beinahe-Niederlage sowie zwei Siege. Besonders die drei Schlachten um den Flughafen gehörten zu den härtesten und blutigsten Momenten des bisherigen Kriegsverlaufes.

Legendär wurde ›Givi‹ durch ein Video auf der Plattform youtube. Mehr als 800.000 Mal wurde es binnen kurzer Zeit aufgerufen. Es zeigt den heutigen Oberstleutnant nur wenige Meter vom Einschlag einer Grad-Rakete entfernt in stoischer Gelassenheit. Anschließend warnte er die aus ihren Deckungen zurückkehrenden Journalisten davor, die noch heißen Splitter zu berühren.

Für viele Menschen im Donbass ist der Milizionär ein Held und Idol. Im Büro eines Donezker Schulleiters hängt ein Porträt ›Givis‹. Der Oberstleutnant schmunzelt geschmeichelt und stellt seine eigenen Idole vor: An den Wänden seines Stabsquartiers hängen die Fotos seiner Kämpfer. Es gibt auch Kämpferinnen. Beispielsweise führt eine junge Frau namens Lena eine der Kompanien des Bataillons. Die Vorbilder Tolstychs sind Heerführer, Strategen und Taktiker. Er nennt einige von ihnen: Suvorov, Kutusov, Napoleon, Chapaev.

Doch Michail Tolstych gesteht ein, auch Angst gehabt zu haben. Damals in Yampol, als seine nur mit Schützenwaffen versehene Einheit, keine 200 Mann, von einem ganzen Regiment mit Panzern und Schützenpanzern eingekreist wurde. Dennoch führte der Kommandeur seine Einheit aus dem Kessel.

Bisweilen wirkt Tolstych ein wenig selbstgefällig. Man muss dabei zweierlei berücksichtigen: Dass zur ostslawischen Kultur eine hierarchisch aufgebaute Gesellschaft gehört. Dieser entsprechend ist ein Offizier ein Offizier und ein Soldat ein Soldat. Oft erkennt der Untergebene die Zuneigung seines Vorgesetzten nur an kleinsten Gesten, die im Westen unerkannt bleiben würden. Und dass Menschen wie Michail Tolstych Grenzerfahrungen machen, die den meisten Menschen im Hier und Heute des friedlichen Westens erspart bleiben.

Doch über Anschuldigungen diverser Medien, er würde, während andere darben, teuren Cognac und dicke Zigarren konsumieren, kann der Bataillonskommandeur nur schmunzeln. In seinem Bataillon isst, trinkt und raucht man, was gerade verfügbar ist. ›Givi‹ kocht sogar selbst ab und an, am liebsten Gerichte mit Fleisch. »Manchmal mangelt es an Munition«, sagt er nicht ohne Augenzwinkern, »aber immer mangelt es an Zigaretten.« Er lacht. »Das ist ein ernstes Problem.«

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Foto: Beste Freunde - Motorola und Givi

Zu den Leidenschaften Tolstychs im Frieden gehörte der Fußball. Er ist ein Anhänger von Shachtar Donezk. Jede Niederlage des Vereins setzt ihm zu. Dann wird er launisch. Dies verband ihn einst mit dem Hauptsponsor des Vereins und dem zugleich reichsten Ukrainer: Rinan Achmetov. Über ihn sagt Tolstych: »Ich bin traurig, dass Achmetov unser Handeln nicht versteht. Ich habe ihn immer respektiert, aber dieser Respekt ging verloren, als er seine Wahl traf und unsere Gegner unterstützte.«

Seine Zukunft sieht der Oberstleutnant weiterhin als Offizier der Donezker Streitkräfte. Er möchte die jungen Menschen lehren, die Grenzen der Heimat zu verteidigen. »Sofern ich nicht getötet werde«, schränkt er ein. Die Heimat ist für ihn die Donezker Volksrepublik. Tolstych ist kein Visionär wie der Lugansker Brigadekommandeur und Donkosak Aleksey Mozgovoy. Aus seiner Sicht müssen sich zuerst die beiden kleinen Volksrepubliken etablieren, erst dann soll man über ein vereintes Novorossia verhandeln.

Tolstych sähe sich als schlechter Kommandeur, wenn seine Befehle diskutiert würden. Die Befehlstreue sieht er als Vertrauensbeweis. Im Zweifel sucht er den Rat der Kämpfer mit größerer Erfahrung. Im offenen Gespräch nimmt er Ratschläge an. Er findet: »Ich bin auch nur ein Mensch, ich kann nicht alles wissen und allein entscheiden.« Und er findet außerdem: »Die mir verliehenen Auszeichnungen (Goldener Stern von Donezk, zwei Tapferkeitskreuze, zwei Kreuze für Ilovaysk und Chanzhonkov, die Medaille für die Verteidigung von Slavyansk u.a.) gebühren meinem gesamten Bataillon.«

Den derzeitigen Waffenstillstand sieht er im Gegensatz zu anderen Feldkommandeuren als kleinen Gewinn. Als Verschnaufpause. Dennoch hegt er keinerlei Bedenken am Ausgang des Geschehens: »Wir werden gewinnen. Vorerst gilt es, keinen Flecken Heimat dem Gegner zu überlassen. Doch wir sind bereit zur Einnahme jeder einzelnen Stadt im Donbass.«

Seine Landsleute im Donbass bezeichnet Michail Tolstych als die seit jeher kühnsten und stärksten Männer der Welt. »Als wir ansehen mussten, was auf dem Maidan passierte, waren unsere Leute die einzigen hartnäckigen Widerständler«, meint der Kommandeur. »Wir haben lange auf diesen Zeitpunkt gewartet, um uns gegen die Oligarchen und die verantwortungslosen Politiker aufzulehnen. Wir einfachen Menschen arbeiteten hart und andere verdienten die Milliarden. Janukowitsch hat uns verraten. Am 1. Mai 2014 ging ich, um zu kämpfen, nach Slavyansk.«

›Givi‹ erinnert sich an zahlreiche Gespräche mit ukrainischen Kriegsgefangenen. Er spürt eine gewisse Verachtung für die ›Ukrops‹, die immer wieder behaupteten, sie selbst hätten nicht geschossen, ja, rein gar nichts getan. Dass es jeweils ›die anderen‹ gewesen sind. Als Tolstychs Bataillon den gegnerischen Kommandeur, unter dessen Befehl auf Wohngebiete in Donezk und Makeyevka gefeuert wurde, gefangen nahm, verlor Tolstych in einem Zustand der Euphorie wegen des Sieges und der Trauer um seine verlorenen Kameraden kurz die Beherrschung und schlug dem ukrainischen Oberstleutnant zweimal ins Gesicht. Ein Kriegsverbrechen, urteilten westliche Medien. Die am Flughafen aufgehängten Milizionäre mit herausgerissenen Zähnen nahmen diese Medien hingegen nicht zur Kenntnis. Das macht Michail Tolstych wütend.

»Ich würde eher den Stift einer Handgranate ziehen, als mich gefangen geben«, erklärt der Kommandeur. »Die Ukrainer hassen mich, sie würden mich ohnehin in Stücke schneiden.« In der Tat wurde ›Givi‹ gemäß ukrainischer Medien mehrfach getötet oder gefangen, es gab einen Anschlag auf ihn, den er leichtfertig ignorierte. Erst nach einem ausdrücklichen Befehl des Verteidigungsministers Kononov reist er nunmehr mit bewaffneten Begleitern.

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Foto: Givi, Motorola und der Kommandeur der Sturmeinheit Pyatnaschka (2.v.l.)

Tolstych redet lieber über sein Bataillon als über sich selbst. Er spricht von seinem Jüngsten, der als 17-Jähriger zum ihm kam und anfangs abgewiesen wurde. Einem Jungen, der nun 18 ist und in das Bataillon aufgenommen wurde. Von der vordersten Front hält ›Givi‹ ihn trotzdem noch fern. Und er redet vom Ältesten, einem 64-Jährigen. Dieser wechselte von ›Motorolas‹ Einheit Sparta zu ›Givis‹ Somali, weil er nicht mehr gut zu Fuß war, dafür aber ein begnadeter Panzermechaniker.

Besonders die enge persönliche Freundschaft Tolstychs zu Arsenij Pavlov soll nicht unerwähnt bleiben. Sie kämpften Schulter an Schulter in Slavyansk, in Ilovaysk, in Semyonovka und gemeinsam mit der kleinen, elitären Sturmeinheit Pyatnaschka am Donezker Flughafen. »Wir verstehen uns blind«, erzählt Michail Tolstych. »Uns unterscheiden nur die Waffengattungen. Ich führe ein Bataillon mit Panzern, Infanterie, Artillerie und Raketenwerfern, das Bataillon Sparta des einstigen russischen Marineinfanteristen ›Motorola‹ ist die beste Aufklärungstruppe der Donezker Armee. Wir respektieren uns, unsere Kämpfer respektieren sich.«

Lässig im Drehsessel zurückgelehnt - ›Givi‹ spielt seine ihm zugeschriebene Rolle des ›coolen Superstars‹ nahezu perfekt - kommt er gegenüber seinen Interviewern erneut auf Zigaretten zu sprechen. »Was sollten wir ohne sie tun?«, fragt er scherzhaft. Dann wird er ernst. »Die Hauptsache ist Munition, ist Kleidung. Im Vordergrund stehen Renten und Sozialleistungen für die Zivilbevölkerung. Doch nun wird es auch für uns Kämpfer besser. Wir bekommen ein kleines Gehalt, aber wir kämpfen nicht für Geld.«

Anders als andere Feldkommandeure setzt Tolstych auf eine rein einheimische Mannschaft im Bataillon. »Für das Heimatland sollten jene Menschen kämpfen, die ihre Eltern, ihre Kinder und die Vorfahren in ihren Gräbern schützen. Die wissen, wofür sie kämpfen.«

Die Interviewer haben ihre Fragen gestellt. Ihnen gegenüber sitzt hinter dem Schreibtisch ein junger Mann mit ukrainischen und georgischen Wurzeln, mit russischer Kultur und Sozialisation. Seine Talente, über die er zweifelsohne verfügt, wären beinahe verloren gegangen in einem System der radikalkapitalistischen Oligarchie und des latenten westukrainischen Ultranationalismus. Aus dem jungen Mann, der in der Seilerei von Charzysk eine Diesellokomotive fuhr, ist ein verantwortungsvoller Militärkommandeur geworden. Ein Aufstieg, der längst nicht alltäglich ist.

Geächtet von westlichen und westukrainischen Eliten gehört Michail Sergeyevich Tolstych selbst einer Elite an, die in westlichen Ländern keine Rolle mehr spielt: der auf Vorbildwirkung und Tapferkeit beruhenden militärischen Auslese. Der Kommandeur führt derzeit viele Kämpfe. Er streitet für Autonomie, für die Menschen des Donbass, für seine Heimat: die kleine, nicht anerkannte Volksrepublik Donezk. Er verehrt seinen Oberkommandierenden Aleksandr Zaharchenko, der ihn in schwierigsten Zeiten nie allein gelassen hat.

Wer ›Givi‹ beurteilen möchte, darf keinesfalls die unglückliche Situation ignorieren, in der er sich befindet - gemeinsam mit den Hunderttausenden im Donbass, für die er täglich sein Leben riskiert. Fest steht indes auf jeden Fall: Er ist ein kühner und furchtloser Mann.

Sonntag, 17. Mai 2015

Bonus-Videos

Einfach mal zwischendurch zwei Videos mit deutschen Untertiteln.

1 - Der ukrainische Journalist Anatolij Sharij zeigt die Kiewer Medienpropaganda und die Wirklichkeit in Donezk anlässlich des 1. Jahrestages des Referendums. Vor Ort stellt er nur eine Frage: Was wünschen die Menschen im Donbass den Ukrainern?

https://www.youtube.com/watch?v=R7IQDDVnHCc

2 - Aleksandr Zaharchenko, Oberhaupt der nicht anerkannten Donezker Volksrepublik, spricht in einem sehr ausführlichen Interview über die Fehler der Vergangenheit, die Probleme der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft. Dabei schildert er auch seine ganz persönlichen Erlebnisse.

https://www.youtube.com/watch?v=3a3SCNZVeZw

An dieser Stelle unbekannterweise ein Dankeschön an Frau Dagmar Henn für die Übersetzung aussagekräftiger Videos.

Samstag, 16. Mai 2015

Ankündigung

Heute und morgen werde ich mich aus dem Netz zurückziehen und an einem umfangreicheren Porträt für die Rubrik »Gesichter des Donbass« arbeiten. Es sei schon mal vorweg genommen, um wen es gehen wird:

Um Michail Tolstych, besser als Givi bekannt.

Das Porträt erscheint frühestens am Sonntagabend, spätestens am Montag.

Freitag, 15. Mai 2015

Der Donbass am 14. Mai

Die Situation im Donbass ist unverändert kritisch. Beschuss und Kämpfe gab es in den letzten 24 Stunden in den bereits bekannten Abschnitten: Donezk und Vororte, Shirokino, Staniza Luganskaya und entlang der Bakhmutska-Trasse.


Bereich Donezker VR

In der Nacht gab es Beschuss des Stadtrandes durch die ukrainischen Streitkräfte (VSU) mit schwerer Artillerie. Am Abend wurde auch die Siedlung Spartak am Donezker Flughafen beschossen. Weiterer Beschuss wurde aus dem Flughafenbereich, vom Volvo-Center, aus Gorlovka und Yasinovataya, Zhabichevo sowie Lozove vermeldet.

In einem Donezker Vorort fuhr das Fahrzeug eines Aufklärungs- und Sabotagetrupps der VSU auf eine Mine. Versuchte Sabotagetätigkeit wurde auch aus Debalcevo gemeldet.

Im Südabschnitt wurden die Ortschaften Shirokino bei Mariupol und Sahanka nördlich von Shirokino beschossen. Verwendet wurden Granatwerfer vom Kaliber 120 mm.

Insgesamt meldet das Verteidigungsministerium 26 Fälle der Verletzung der Waffenruhe.


Bereich Lugansker VR

Entlang der Bakhmutska-Trasse gab es vier Gefechte zwischen der VSU und der neurussischen Armee (VSN). Beschossen wurden die Region nahe Staniza Luganskaya, das Dorf Kirovsk und die dortigen Stellungen der Brigade Prizrak (Mozgovoy) und die Ortschaft Slavyanoserbsk. Sechs Sabotagetrupps der VSU konnten aus dem Frontbereich vertrieben werden.

Es wurden von der Lugansker Miliz 24 Verstöße gegen die Waffenruhe gemeldet. Mehrere Zivilisten und Milizsoldaten wurden verwundet.

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Foto: Wrack eines ukrainischen Panzers bei Enakievo


Sonstige Informationen

1 - Die ukrainische Seite berichtet, dass nach den Minsker Verhandlungen im Februar dieses Jahres 83 ukrainische Soldaten gefallen sind und mehr als 400 verwundet wurden.

2 - Der 26. humanitäre Konvoi des russischen Ministerium für Katastrophenschutz lieferte 1.100 Tonnen Hilfsgüter in den Donbass, hauptsächlich Lebensmittel, Gegenstände des täglichen Bedarfs, aber auch Baumaterial und Lehrbücher für Schüler und Studenten.

Souveräne Ukraine?

Der ukrainische Präsident Poroschenko hat seine Top-Berater ernannt. Einer von ihnen ist der als aggressiver Kriegstreiber verrufene US-Senator John McCain, ein früher Unterstützer des Euromaidan. Daneben findet sich Carl Bildt, ein früherer schwedischer Ministerpräsident und ›Chef-Einpeitscher‹ auf dem Maidan. Und dann ist da noch Miheil Saakaschvili, der in seiner georgischen Heimat, deren Staatspräsident er war, zur Fahndung ausgeschrieben wurde und in die USA geflohen war.

Mit diesem von Nicht-Ukrainern dominierten, russophoben ›Kriegsrat‹ stehen die Zeichen wohl kaum in Richtung einer friedlichen Lösung. Unterdessen sang man während einer NATO-Tagung den Song ›We Are The World‹. Genau das scheint man sich tatsächlich einzubilden ...

Kluge Entscheidung, Jungs

Die beiden jungen Männer Sergey Gapich und Aleksey Efremenko wollten aus der von den ukrainischen Streitkräften kontrollierten Ortschaft Svatovo fliehen, um sich den Reihen der Miliz anzuschließen und für die Vertreibung der ukrainischen Armee aus ihrer Heimatstadt zu kämpfen.

An einem Kontrollposten in Staniza Luganskaya wurden sie von Soldaten des Bataillons ›Schwarze Hundertschaft‹ festgenommen, das mutmaßlich dem Geheimdienst SBU untersteht. Als Agenten sollten sie die Volksmiliz ausspionieren. Allerdings stellten sie sich umgehend den Lugansker Strafverfolgungsbehörden.

Diplomatisches

Konstantin Kossatschov, der Leiter der staatlichen Agentur für Fragen der im Ausland lebenden russischen Staatsangehörigen und für internationale humanitäre Zusammenarbeit sowie Vorsitzender des Ausschusses des Föderationsrates für internationale Angelegenheiten, schließt nicht aus, dass der Donbass dem Beispiel der Krim folgen kann, sofern die Region keine weitreichende Autonomie erhalten wird.

Kossatschov erinnert an den zwischen Russland und der Ukraine vereinbarten besonderen Status der Krim als Autonome Republik im Jahr 1991, der aus seiner Sicht innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre systematisch von Kiew eingeebnet wurde und somit die späteren Probleme provozierte. »Die gleiche Verfahrensweise kann auch im Südosten geschehen, je nach der Art des Vorgehens in Kiew«, so der Agenturleiter. Er zeigt sich zuversichtlich, dass die Kiewer Regierung dem Donbass einen besonderen Status gewähren wird.

Der Agenturleiter setzt auf die Vorschläge zur Dezentralisierung der Ukraine durch die nicht anerkannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken im Rahmen des Abkommen von Minsk. »Sollte die Kiewer Antwort nur aus Angriffen und Blockaden bestehen, zeigt sich offen, dass die ukrainische Regierung das Abkommen sabotiert«, sagt Kossatschov weiter.

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Foto: Vier junge Damen aus Lugansk präsentieren ihre neuen Pässe

Vor einigen Tagen haben die nicht anerkannten DVR und LVR eigene Ausarbeitungen für eine Reform der ukrainischen Verfassung bezüglich der Gebiete unter der Kontrolle der Volksrepubliken vorgelegt. Das Dokument schließt Parteien und Kandidaten von den Wahlen aus, die sich für Aktionen gegen den Donbass ausgesprochen bzw. sich daran beteiligt haben. Darüber hinaus soll die Kiewer Regierung ihre militärischen Strafmaßnahmen beenden, die Wirtschaftsblockade aufheben und eine Generalamnestie für alle Teilnehmer der Handlungen im Donbass erlassen. Weitere Forderungen sind der Status der russischen Sprache als Amtssprache im Donbass, das Recht auf die Bildung eigener Selbstschutzmilizen und - besonders heikel - die Absage der gesamten Ukraine hinsichtlich der Mitgliedschaft in der NATO.

Der ukrainische Politologe Volodymyr Fesenko weist die Angebote der Volksrepubliken zurück und verweist darauf, dass die ukrainische Verfassung nicht zulasse, die Teilnahme an Wahlen zu beschränken und den ukrainischen Massenmedien die Berichterstattung über die Kommunalwahlen zu untersagen. Er denkt, dass die Verhandlungen zwischen der Kiewer Regierung und den Vertretungen von Lugansk und Donezk ohne einen akzeptablen Kompromiss zum Scheitern verurteilt sind.

Persönlich sehe ich kaum Chancen für einen für beide Seiten zufriedenstellenden Kompromiss. Weder wird Kiew die Angebote der Volksrepubliken anerkennen, noch diese die Vorschläge der ukrainischen Zentralregierung. Es wird meines Erachtens auf einen eingefrorenen Konflikt und De-facto-Systeme hinauslaufen, ähnlich wie in Transnistrien, Abchasien, Südossetien oder Zypern.

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