Akte Weltordnung

Mittwoch, 25. Februar 2015

Das Neue Europa

Kürzlich beklagte sich ein polnischer Intellektueller über seine Landsleute und schämte sich für sie. Der Grund: Nur 22 Prozent der Polen stimmten in einer Umfrage für Waffenlieferungen an die Ukraine. Seltsam. Sind die meisten Polen eventuell gar nicht so russophob, wie man ihnen gern nachsagt? Natürlich gibt es Polen mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Antipathie gegenüber dem Nachbarn, übrigens beiderseitig, aber es gibt auch andere, bspw. die Befürworter eines Kontinentalbündnisses anstatt des transatlantischen Paktes. Die sozialdemokratische Präsidentschaftskandidatin Magdalena Ogórek wirbt immerhin für ein verbessertes Verhältnis zur Russischen Föderation.

Anders die aktuelle Regierung. Deren Absichten spiegeln sich bspw. in der Ende des Jahres 2014 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie Polens wider, die eine Reihe politischer Empfehlungen enthält.

Blicken wir zurück: Am Vorabend des Krieges entstand erstmals am Vorabend des Krieges einer US-geführten ›Koalition der Willigen‹ gegen den Irak Saddam Husseins der Begriff vom Neuen Europa, das sich vom Alten Europa naturgemäß unterscheidet. Die meisten westeuropäischen Staaten hatten damals kein Interesse an einer Beteiligung am Irakkrieg gezeigt, einige osteuropäische Staaten hingegen schon. Als besonders eifrig im Hinblick auf eine Kriegsbeteiligung erwies sich Polen.

Nun zum eigentlichen Thema, der polnischen Nationalen Sicherheitsstrategie. Diese ist besonders geprägt von einer nahezu paranoiden Feindseligkeit gegenüber der Russischen Föderation. Es finden sich in diesem Dokument Empfehlungen an die Politik bezüglich des Revisionismus der Geschichte und der Indoktrination der Gesellschaft. Käme ein solches Papier in nicht-westlichen Ländern zur Geltung, spräche man umgehend von einem Machwerk der Propaganda, das man um jeden Preis bekämpfen muss.

U.a. empfiehlt das Dokument die Instrumentalisierung der NATO zur Förderung polnischer nationaler Interessen. Bereitwillig soll Polen sich zum neuen Hauptstützpunkt der US- und NATO-Truppen im Osten Europas machen. Da eine konkrete Bedrohung von NATO- oder EU-Staaten nicht real existiert, soll sie durch die durchgängige Darstellung Russlands als Aggressor mit subtilen Methoden inszeniert werden.

Europäischer Vorposten der USA in der NATO

Das Dokument sieht in der NATO die wichtigste Form der politischen und militärischen Zusammenarbeit zwischen Polen und seinen Partnern - also nicht die Europäische Union. Für strategische Partnerschaften soll die Priorität auf die Zusammenarbeit mit den USA festgeschrieben werden. Polen wird sich um eine ausgeweitete militärische Präsenz der USA in Europa, darunter in Polen selbst, bemühen, und es wird Maßnahmen zur Erhaltung der US-Sicherheitsgarantie für Europa unterstützen.

Es wird ein deutliches und langfristiges Engagement der USA in europäischen Sicherheitsfragen angeregt. Polen wird zum Tor des Pentagon nach Europa und ist bereit, aktiv im Auftrag des US-Militärs zu handeln.

Polen wird somit zum ›Statthalter‹ der US-geführten NATO in Europa. Über die GSVP, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, wird Polen verstärkten Einfluss auf die politische und militärischen Entwicklung ganz Europas ausüben, der sich ganz im Sinn eines Nicht-EU-Mitglieds auswirken wird: zugunsten der USA, die immer häufiger die Aufrüstung Europas fordert.

Methode: Angewandte Sozialwissenschaft

Zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Sicherheitsdoktrin soll ein politischer Konsens über den Vorrang von Sicherheitsfragen mittels der Angewandten Sozialwissenschaft (social engineering) sowohl durch die Politik als auch durch die Medien und das Bildungssystem Einfluss auf die Bevölkerung genommen werden. Eckpunkte dieser Einflussnahme sind die Bedrohung durch den Erbfeind Russland und die Abwehrmöglichkeit dieses Risikos allein durch die USA. Hierzu soll der Patriotismus gefördert werden. Geplant ist eine Maßnahme namens ›Bildung für Sicherheit‹ an Schulen und Hochschulen.

Als Bestandteil der kulturellen, patriotischen und militärischen Initiativen des Staates hält das Papier ein eigenes Kapitel über ›Medien für Sicherheit‹ bereit, indem es heißt: »Eine strategische Aufgabe in diesem Bereich der Sicherheit ist es, die Zusammenarbeit der Regierung und der Verwaltung mit den Medien zu stärken, um die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins in Bezug auf eine geeignete Weise der Reaktion auf auftretende Bedrohungen zu erhöhen.«

Im Grunde genommen wird damit eine neutrale journalistische Arbeit stark beeinträchtigt, wenn nicht gar nahezu unmöglich gemacht. Kann eine unvoreingenommene Berichterstattung unter dem Druck der Regierung, die das Sicherheitskonzept rechtfertigt, überhaupt noch stattfinden?

Methode: Neubewertung der Geschichte

Eine zweite Methode der Beeinflussung der Bevölkerung ist eine propagandistische ›Überarbeitung‹ der Geschichte. Die ersten beiden Ergebnisse dieser Politik sind bereits zutage getreten. Da war die Aussage, das faschistische Konzentrationslager Auschwitz sei von der Ukraine befreit worden, und die Unterstellung, der 2. Weltkrieg sei von Moskau ausgegangen.

Für die Macher des Konzepts scheint der 2. Weltkrieg also nicht von Hitlerdeutschland ausgegangen zu sein, sondern von der damaligen Sowjetunion. Also auch von der Ukraine? Diese Geschichtskrittelei ist nichts als ein tiefer Affront gegen Russland, der in seiner Überhöhung der ukrainischen Beteiligung auch den Anteil zahlreicher anderer Nationalitäten herabwürdigt.

Die Aussage des polnischen Außenministers Grzegorz Schetyna hinsichtlich der Befreiung von Auschwitz durch die Ukraine ist wohl der Auftakt einer künftigen Serie von Unterstellungen hinsichtlich der Rolle Russlands in der Geschichte des 2. Weltkriegs. Schetyna kann sich die Hand mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk reichen, der im deutschen Fernsehen von einer Moskauer Invasion in Deutschland 1945 sprach.

Anscheinend war es dieser Russophobie nicht genug, denn es folgte die Ankündigung des Polens, nicht an der Feier anlässlich des 70. Jahrestages des Sieges über den Faschismus in Moskau teilnehmen zu wollen. Zitat: »Es ist widernatürlich, das Ende des Krieges an jenem Ort zu feiern, an dem er begann.«

Das lasse ich mal so stehen. Jedenfalls hat das Konzept nicht nur Auswirkungen auf Polen selbst, sondern auch auf die Staaten der EU. Es kann nur zu mehr Einfluss der USA in Europa führen, zu mehr Überwachung und Gesinnungsschnüffelei, zur Militarisierung und Aufrüstung - all dies unter Ausnutzung eines selbst inszenierten, fadenscheinigen Bedrohungsszenarios.

Das ›Wahrheitsministerium‹ lässt grüßen.

Anmerkung - In der Roten Armee kämpften Menschen aus rund 100 Ethnien der damaligen Sowjetunion gemeinsam gegen den Hitlerfaschismus. Befreit wurde Auschwitz konkret von der 332. Schützendivision der 60. Armee, die in Gebieten entlang der Wolga aufgestellt wurde. Die größte ethnische Gruppe in der 60. Armee bildeten die Russen.

Freitag, 13. Februar 2015

Obama plaudert

Dass die von mir genutzte Quelle die deutsche Ausgabe des russischen Mediums RT ist, liegt allein an der im Artikel verwendeten Sprache: Deutsch. Wer mag, kann googeln, dann finden sich in der internationalen Presse weitere, anderssprachige Beiträge. In Deutsch wird es schon komplizierter.

Lange Vorrede, kurzer Sinn:
Barack Obamas Diplomatieverständnis
http://www.rtdeutsch.com/11745/headline/obamas-diplomatie-verstaendnis-wir-muessen-gewalt-anwenden-wenn-laender-nicht-das-machen-was-wir-wollen/

PS: Ein weiterer interessanter Artikel
http://sputniknews.com/europe/20150213/1018221522.html#ixzz3Rd1HnNLr

Mittwoch, 7. Januar 2015

Ein Zitat Al-Gaddafis

»Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet Ihr Verwirrung stiften, Al-Qaida in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen: Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa schwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten. Al-Qaida wird sich in Nordafrika einrichten, während Mullah Omar den Kampf um Afghanistan und Pakistan übernimmt. Al-Qaida wird an eurer Türschwelle stehen. In Tunesien und Ägypten ist ein politisches Vakuum entstanden. Die Islamisten können heute von dort aus bei euch eindringen. Der Heilige Krieg wird auf eure unmittelbare Nachbarschaft am Mittelmeer übergreifen. Die Anarchie wird sich von Pakistan und Afghanistan bis nach Nordafrika ausdehnen.«

Aus Peter Scholl-Latours Buch
›Der Fluch der bösen Tat‹

Dienstag, 6. Januar 2015

Faszinierend

Neben PEGIDA gibt es nun auch PEGADA: Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes.

SIEHE HIER

Dienstag, 2. Dezember 2014

Sirkos Prophezeiungen

Bei den Parlamentswahlen in Moldawien wurde überraschend die Sozialistische Partei mit etwa 21 Prozent zur stärksten Kraft gewählt. Gemeinsam mit den Kommunisten (rund 17 Prozent) vertritt diese Partei einen Kurs der engeren Anbindung Moldawiens an die Russische Föderation. Allerdings haben die drei pro-europäischen Parteien zusammen 44 Prozent erreicht. Nehmen wir den de jure zu Moldawien gehörenden De-facto-Staat Transnistrien hinzu, ergibt sich annähernd eine Gleichheit der jeweiligen Kräfte. Hier wird meines Erachtens die »nächste Ukraine« geboren. Denn auch in Moldawien gibt es zwei etwa gleich große Bevölkerungsanteile, von denen einer in die Europäische Union strebt und der andere sich nach Russland orientiert.

Ich denke, es wird Moldawien demnächst seitens der EU ein Assoziierungsabkommen angeboten werden, dass eine engere Orientierung nach Russland ausschließen und das Land exklusiv an die EU binden wird. Der pro-russische Teil wird dies nicht tatenlos hinnehmen wollen - also die gleiche Ausgangssituation wie in der Ukraine. Natürlich wird sofort Partei ergriffen werden - von beiden Seiten -, anstatt Polen und Balten werden sich die Rumänen und Bulgaren von Russland bedroht sehen und die NATO wird russische Uboote auf dem Mars (oder anderswo) sichten.

Erst vor einigen Tagen meinte Kanzlerin Merkel hinsichtlich der Ukraine, dass die territoriale Integrität von Ländern außer Frage steht und die Völker den Kurs ihres Staates souverän bestimmen können. Das finde ich auch. Aber was, wenn zwei große Bevölkerungsteile in verschiedene Richtungen streben, verschiedene Kurse einschlagen wollen? Was nimmt man in einem solchen Fall eigentlich eher in Kauf: die Trennung eines Staates in zwei neue Staaten oder die dauerhafte Unterdrückung einer der beiden Bevölkerungshälften?

Anderes Thema, aber das gleiche geostrategische Planspiel: Ich denke auch, dass Saudi-Arabien sich bald an neuen US-Waffen erfreuen darf. Immerhin hat der Ölstaat bereitwillig den Verfall der Ölpreise hingenommen und gegen die Reduzierung der Förderung gestimmt. Durch die Koppelung der Gaspreise an die Ölpreise ist der hauptsächliche Geschädigte die Russische Förderation. Dafür haben die Saudis sich gewiss eine Belohnung vom Weißen Haus verdient. Dass es Waffen sind, ist nur eine Annahme, die Belohnung steht für mich außer Frage.

Und wer nun immer noch nicht merkt, wem was nutzt oder schadet, und wer tatsächlich die Staaten und Menschen manipuliert, um die Weltordnung zu eigenen Gunsten zu bestimmen, der mag sich auf das Herannahen des Weihnachtsmanns freuen (ja, den gibt es!).

Nun gut, eine andere Pflicht ruft nach mir. Wir werden dann ja sehen, ob meine Vorhersagen zutreffen.

Montag, 24. November 2014

Werde ich Verfassungsschutzopfer?

Gemäß des Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsschutzes soll seine Behörde sich künftig auch mit der Überwachung von Menschen befassen, die sich in Netzwerken, auf Blogs oder Foren aus der Sicht des Dienstes positiv über die Politik Russlands äußern. Laut Herrn Maaßen »muss man sehen, wer dahinter steckt.« Mit anderen Worten: Wer gänzlich oder teilweise die russischen Positionen im Ukraine-Konflikt verteidigt, steht pauschal unter dem dringenden Verdacht, ein russischer Agent und Provokateur zu sein. Dass es hierzulande auch noch einige »Selbstdenker« gibt, die der vorgegebenen Regierungshaltung nicht blindlings folgen, sondern sich zur Meinungsbildung breit informieren möchten, scheint nicht mehr ins Bild dieses Nachrichtendienstes zu passen. Schon gar nicht versteht man dort noch, dass Menschen einfach nur Interesse an anderen Menschen haben, anstatt sich untertänig an der Regierung, der Politik, an weiten Teilen der Medien und all deren ideologischen Vorgaben zu orientieren.

Obwohl ich persönlich eigentlich vordergründig über Menschen in Kriegsgebieten berichte, zu denen in der jüngeren Vergangenheit auch andere Krisenländer gehörten, und dabei aktuell die Menschen auf der pro-russischen Seite näher betrachte, gehöre ich wohl auch zu Herrn Maaßens neuem Feindbild. Auch wenn ich oft genug westliche und NATO-Positionen verteidigt habe. Nun denn, ich war schon immer der Ansicht, dass man seine Haltung auch dann verteidigen muss, wenn es unbequem wird. Das habe ich schon immer so gehalten und werde es auch weiterhin tun.

Die Aussage des obersten deutschen Inlandsgeheimdienstlers untermauert die Positionen einer wachsenden Zahl von Menschen, die ohnehin ein Abtriften unserer Demokratie in eine »Meinungs- und Gesinnungsdiktatur« zu erkennen glauben. Es gehört nun mal zu den Gepflogenheiten einer Demokratie, dass Parteien und Bürger unterschiedliche Ansichten vertreten, sich deshalb in den Haaren liegen und mehr oder minder scharfe, kontroverse Dauerdebatten führen. Aber es bahnt sich hier die Entstehung einer neuen »Qualität« an: Eine staatliche Behörde überwacht die bloßen Meinungen der Bevölkerung und nimmt nachrichtendienstliche Einstufungen dieser geäußerten Ansichten vor. Der Denker, überhaupt der Nachdenkliche, kann leicht als feindlicher Agent gebrandmarkt werden. Das ist gefährlich und erinnert zudem an die Verfahrensweisen der gottlob überwundenen Diktaturen der deutschen Vergangenheit.

Der Verfassungsschutz soll die Verfassung schützen, also das deutsche Grundgesetz. Die schützenswerten höchsten Rechtsgüter wären diesbezüglich bspw. das Recht der Menschen auf informelle Selbstbestimmung und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Stattdessen beabsichtigt der Dienst im vorauseilenden Gehorsam - oder auf Weisung - die Überwachung jener Bürger, die eine von den gegenwärtigen Ansichten der Politik und der Regierung abweichende Meinung vertreten. Das ist alles andere als freiheitlich und demokratisch.

Vielleicht hatte AfD-Chef Bernd Lucke sogar ein Stückweit recht, als er von einer Demokratie sprach, die zunehmend die Gestalt verliert (den genauen Wortlaut erspare ich mir). Unter Verweis auf eine teils reale und teils abstrakte, aber schier allgegenwärtige Terrorgefahr wird der einzelne Mensch mehr und mehr gläsern - und wird mit stetig wachsendem Argwohn behandelt. Selbst wenn man nur einen gewissen Faible für Russland hat. Weil man dieses Land und seine Menschen liebt. Weil man eine russische Urgroßmutter hat und daher die »russische Seele« eher versteht als andere. Oder weil man kein konsumgeiler Einkaufskasper ist und noch ein paar andere, nicht-materielle Ideale vertritt.

Es zeigt sich erneut die üblich gewordene »Feigheit vor dem Feind«, mit der hier agiert wird. An Russland selbst wagt man sich natürlich nicht heran, also versucht man sich am eigenen, nicht regierungskonformen Bevölkerungsteil schadlos zu halten. Aber die Demokratie verliert an Wert, wenn die Menschen nur wegen der Äußerung ihrer Ansichten in den Fokus eines Geheimdienstes geraten, der zudem selbst einer Dauerkritik wegen »Farbenblindheit« ausgesetzt ist. Damit erzeugt man das Gefühl der Beklemmung und eine Kultur der Angst. Und das ist zutiefst undemokratisch.

Zur Quelle!

Dienstag, 18. November 2014

Scharfe Schüsse

Man muss Krieg und Gewalt nicht verstehen. Aber man muss verstehen, dass es Krieg und Gewalt gibt, wenn man mitreden möchte. Das Verfechten absoluter Gewaltfreiheit, das den Radikalpazifismus ausmacht, geht an der Wirklichkeit um Längen vorbei. Und, machen wir uns nichts vor, am lautesten schreien Menschen nach Gewaltverzicht, die ihr Leben lang mit körperlichen oder seelischen Übergriffen nicht konfrontiert wurden, die in sicherer Entfernung von Kriegen und Konflikten leben und die Schrecken und das Gräuel eigentlich gar nicht sehen wollen. Ertragen müssen stets die anderen.

Nun kann es durchaus begründet sein, dass ein serbischer Freiwilliger auf der Seite der pro-russischen Milizen kämpft (siehe Elsas Beitrag). Jedenfalls wird der Kämpfer selbst seine Gründe haben. Menschen sind verschieden. Manche sind sachlich bis zur Ermüdung, andere emotional bis zur Empörung. Im Grunde genommen tötet die Sachlichkeit, sofern sie Alleinstellungscharakter erlangt, die Emotionalität - oder bewirkt deren radikalen Ausbruch, der sich dann in einer Eskalationsspirale entlädt.

Bei vielen Debatten hierzulande frage ich mich häufig, worum es eigentlich geht. Will man die Situation verändern, oder will man nur darüber reden? Und warum überhaupt diskutieren, wenn am Ende eh alles bleiben soll wie es ist?

Aus irgendeinem Grund, den es zu analysieren gilt, steigt die Zahl der Kriege, Bürgerkriege, sonstiger Konflikte, aber auch der alltäglichen Gewalt gegen Personen und Sachen weltweit mehr und mehr an. Diesem Drama mit immer mehr abgehobenem Gerede begegnen zu wollen, kann nicht von Erfolg gekrönt sein, denn es beseitigt nicht die Ursachen. Es werden immer wieder Menschen zur Waffe greifen, wenn sie keinen anderen Ausweg sehen, um Gerechtigkeit zu erfahren. Das war so, ist so und bleibt so. So lange, bis man im gegenseitigen Einvernehmen die Ungerechtigkeiten beseitigt.

Freitag, 14. November 2014

Die Katze im Sack?

Das war einmal. »Der Sieg über den IS«, so teilte heute das Weiße Haus mit, »ist nicht möglich, solange Assad in Syrien an der Macht bleibt.« Wie ich bereits vor einiger Zeit im Kommentarbereich dieses Blogs anmerkte, geht es den USA hauptsächlich um das Erreichen eines exakt definierten Ziels: den Sturz Assads. Nicht der IS ist der Hauptfeind der USA, sondern das Assad-Regime. Im Duktus von Jennifer Psaki, der Sprecherin des US-Außenministeriums, hieß es unlängst, dass nicht Kobani wichtig ist, sondern dass es auf strategische Erwägungen ankommt. Kobani eröffnete allerdings die Möglichkeiten für eine militärische Intervention. Nun gibt es einen nachvollziehbaren Anlass, mit dem sich die Menschen identifizieren können. Nun ist die Katze also aus dem Sack: der eigentliche Feind heißt nicht Kalif Ibrahim, sondern Baschar al-Assad.

Der erste Versuch des Krieges der USA und einer üblich gewordenen ›Koalition der Willigen‹ gegen Assad scheiterte an der Kriegsmüdigkeit der Amerikaner, am Papst, am britischen Unterhaus und an den friedliebenden Menschen überall auf der Welt. Man musste sich gedulden im Pentagon. Die Terrorarmee IS öffnete jedoch die Hintertür ins Innere Syriens.

Nun liegt mir Assad wahrlich nicht am Herzen. Doch nicht nur der Diktator selbst wird die Zeche zahlen, die nach dem Ende des säkularen Syrien fällig wird. Aus Syrien wird der Irak 2.0, ein fragiles Gebilde, in dem bei Tag machtlose Marionetten regieren werden und bei Nacht diverse Milizen und Terrorgruppen. Die Vertiefung sozialer Gräben wird die Schwachen sich auf die Schwächsten stürzen lassen, jede Region wird von einem anderen Kriegsherrn gesteuert werden. Eine Rückkehr von Christen, Juden, Drusen oder Jesiden in ihre Heimat wird nicht mehr möglich sein.

Der IS wird möglicherweise tatsächlich vernichtet. Doch an dessen Stelle werden andere Terrorgruppen und islamistische Milizen treten. Eine vom 'Westen' installierte und gelenkte Regierung wird nicht in der Lage sein, der neuen Bedrohungen selbst Herr zu werden. Auch hier ist der Irak ein gutes Beispiel. Oder Afghanistan. Eine schwache Zentralregierung wird von starken Regionalmächten in Schach gehalten und Minderheiten werden ein weitaus übleres Dasein fristen als unter Assad.

Das ist die Zukunft Syriens.

Montag, 3. November 2014

Die Krisen dieser Welt (1)

Grenzen sind oft fließend. Deswegen können politisch gewollte Sprachregelungen ebenso wenig unverfälscht und natürlich wirken wie ein Gesetz über selbstbestimmtes Sterben. Ein Recht endet immer an jener Stelle, an der es die Rechte Dritter beeinträchtigt oder manipuliert. Diese Einsicht geht mehr und mehr verloren, und so scheint es allzu zwangsläufig zu sein, wenn man zwischen Kritik und Beleidigung nicht mehr zu unterscheiden versteht. Kommen noch andere Befindlichkeiten hinzu, geraten Freiheitsrechte rasch in Bedrängnis. Das gilt im Kleinen wie im Großen.

Es gibt in Deutschland kein Recht auf Beleidigung, aber ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Freiheit beinhaltet auch jedwede Kritik innerhalb des Rahmens der Gesetze. So kann sachliche Kritik an einzelnen Maßnahmen der US-Administration, sofern sie den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, kein ›Antiamerikanismus‹ und schon gar keine ›antiamerikanische Propaganda‹ sein, wie manche Mitmenschen es mittlerweile gern auszudrücken pflegen. Auch ist die Kritik an bestimmten Teilen der Gegenwehr Israels gegen militante Palästinenser zulässig, so lange man den Israelis das Recht auf Selbstverteidigung nicht abspricht. Antisemitismus ist dagegen etwas anderes. Und die Inanspruchnahme der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit kann - im Gegensatz zu bestimmten Einzeläußerungen - nicht pauschal undemokratisch sein, nur weil die Meinungen der Einen den Anderen nicht gefallen.

Es ist nun schon beinahe hundert Jahre her, als ein Großonkel meiner Wenigkeit (als Professor war er wohl mein klügster Verwandter) in die USA ausgewandert ist. Deswegen habe ich in den Staaten auch Onkeln und Tanten, Vettern und Basen. Die meisten wohnen im mittleren Westen, wo die Deutschstämmigen oft die größte ethnische Herkunftsgruppe stellen. Mit einigen habe ich Kontakt. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: eine gesunde, kritisch hinterfragende Haltung zur Administration und zum sogenannten Establishment. Und dies wäre hierzulande Antiamerikanismus? Welcher Unsinn!

In einigen Fällen mag Kritik unangebracht sein, allzu oft gar überzogen, in anderen Fällen ist sie jedoch gerechtfertigt. Eine auf dem Boden der Sachlichkeit bleibende Kritik muss erlaubt sein, emotionale Kritik sollte nicht verteufelt werden. Nicht jeder Mensch mit einer eigenen Meinung ist zugleich ein Genie oder jemand mit drei Doktorgraden. Sollen all jene Menschen, die nicht zu den gesellschaftlichen Meinungsbildnern gehören, fortan schweigen?

Die Neue Weltordnung

Während der Amtszeit Barack Obamas kamen mehr als 1.500 Menschen durch gezielte Drohnenangriffe um. In Afghanistan, Pakistan, Jemen, Libyen, Syrien und Irak starben über 150.000 Menschen durch unmittelbare oder mittelbare militärische Beteiligung der USA. Sechs Länder wurden bombardiert: Afghanistan, Pakistan, Jemen, Libyen, Somalia und Irak. Weiteren Ländern wurde mit Invasionen oder Angriffen gedroht: Syrien, Iran, Nordkorea, Südsudan, Kongo und Zentralafrika. Guantanamo besteht noch immer. In Libyen und Syrien wurden Terrorgruppen unterstützt. Das sind nur einige Zahlen und Fakten rund um die Etablierung einer ›Neuen Weltordnung‹, die sich rein an westlichen Bedürfnissen und Befindlichkeiten orientiert und andere Staaten in tiefe Krisen und Zerrüttungsprozesse stürzt. Bei aller Liebe zum Anderssein ist jedes dem politischen Westen widersprechendes Anderssein untolerierbar.

Bleiben wir zunächst bei den USA. Auch in den Vereinigten Staaten selbst gibt es unterschiedliche politische Parteien und verschiedene Interessenlagen - und damit zwangsläufig auch Kritik und Auseinandersetzungen. Tendenziell ist sie sogar ansteigend. Präsident Obama steht mittlerweile auf einem sehr wackligen Sockel. Viele Leute, die ihm einst die Leiter gehalten haben, wenden sich von ihm ab. Denn gerade die Armen und Ärmsten, die Kranken und Verlorenen, die ihn als ihren Hoffnungsträger unterstützt und gewählt haben, sind noch immer arm, krank und verloren.

Vor dem 1. Weltkrieg herrschte in den USA eine Doktrin vor, die sich jede Einmischung in US-Belange verbat und gleichzeitig jede US-Einmischung in europäische Vorgänge unterband. Mit der Beteiligung am 1. Weltkrieg brach man erstmals mit diesem zuvor ehernen Grundsatz. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs übernahmen die USA sogar endgültig die Rolle des ›Weltgendarmen‹. Heute geht es um die sogenannte ›New World Order‹ und um die Wiederherstellung von Einflusssphären, die man nach dem Ende des Kalten Krieges zuerst nicht mehr für möglich und nötig gehalten hat. Nun sind neue Konflikte entstanden.

Wie letztens an anderer Stelle angemerkt wurde, muss zwischen drei Ebenen der Konfliktbetrachtung unterschieden werden: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Geister scheiden sich allerdings. So wird den USA die Schuld an den Zuständen im Irak und in Syrien gegeben, wodurch jede Maßnahme der späteren Schadensbegrenzung in harsche Kritik gerät. Richtig ist: Der Irakkrieg hat die heutigen Verhältnisse begünstigt. Doch die daraus resultierenden Probleme können nicht mit dem bloßen Verweis auf frühere Verantwortlichkeiten gelöst werden. Menschen sterben - die Weltgemeinschaft muss zwangsläufig handeln (die Betonung liegt auf ›Weltgemeinschaft‹, denn ›Koalitionen der Willigen‹ schaffen nur neue Konflikte und vertreten nicht die Völker der Welt).

Die Völker dieser Welt? Nun ja. »Fuck the EU«, sagte Obamas Europa-Beraterin Nuland burschikos. Eine Offenbarung! Denn die übermäßige und zu unabgesprochenen Aktionen animierende Stärke der USA resultiert aus den Schwächen Europas, einem Gebilde mit 500 Millionen Menschen und enormer Wirtschaftskraft, das dennoch globalpolitisch und -strategisch kaum Gewicht hat - und das mehr und mehr von national abgewählten Politikern regiert wird. In mancherlei Beziehung ist Europa ohne den ›großen Bruder‹ ein lahmer Papiertiger. Und das Recht der Völker ist eher das Anrecht der Staaten auf ein Volk.

Geht es der US-Politik eigentlich immer und überall um die Menschen? Das kann bezweifelt werden. Nirgendwo sitzen mehr Leute hinter Gittern als in den USA. Kaum ein modernes westliches Land ist eine derartige soziale Schieflage. Die Amerikaner sind an Amerika interessiert. Nicht an ›Freundschaften‹, sondern am eigenen Vorteil orientiert man sich jenseits des Atlantik. Vielleicht hat der türkische Präsident Erdogan Recht mit seiner Behauptung, die USA hätten in den IS-Abwehrkampf erst dann eingegriffen, als die Terrorarmee mehrere Ölfelder besetzt hatte? Einige Indizien unterstreichen diese These. Aber eine Antwort können nur die Verantwortlichen selbst geben. Erdogans Aussage bleibt Spekulation - aber sie könnte wahr sein.

German Angst

Kürzlich sagte eine Anruferin beim ›Presseclub nachgefragt‹: »Was habe ich denn mit den Russen zu schaffen? Ich mag Amerika.« Nun denn, auch eine Meinung. Immerhin. Aber was kann man damit anfangen? Was genau mag die besagte Dame? Liberalismus, Cheeseburger, Guantanamo? Es ist aber eine symptomatische Aussage. Man ist für oder gegen etwas oder jemanden, aber entweder hängt man einer Ideologie an, die jedes eigene Urteilsvermögen trübt, oder man weiß selbst nicht den Grund für die eigene Parteilichkeit (meist ist es dann doch nur der eigene Vorteil). Die heutige Gesellschaft ist weit mehr von dieser leicht- und gutgläubigen Parteinahme geprägt als vom Realitätssinn. Ich bin PRO, ich bin ANTI - warum auch immer. Das ist halt so.

Nach den NSA-Abhörskandalen und vor dem IS-Terror waren die transatlantischen Beziehungen stark am Abkühlen - wie zuletzt während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders nach dessen Verweigerungshaltung zur Teilnahme am Irak-Krieg. Den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen waren diese Dissonanzen gar nicht recht. Doch nach dem Aufplustern eines lokalen Konflikts in der Ukraine (und der Erkenntnis, dass die Bundeswehr nicht fliegen kann), ist die ›Alte Ordnung‹ wiederhergestellt worden. Die Angst vor dem Bären im Osten treibt den abgemagerten Steinadler zurück unter die schützend ausgebreiteten Flügel des mächtigen Seeadlers weit im Westen. Der Preis: engere Gefolgschaft.

Nein, ich betreibe kein Amerika-Bashing, sondern nur Kritik an den ›Weltherrschaftsplänen‹ von Teilen der Politik und der Wirtschaft der westlichen Welt. Es läuft mir mittlerweile zu vieles falsch, zu künstlich. Ich möchte nicht im Sinn des Kommerz ›vereinheitlicht‹ und ›gläsern‹ werden, nicht zugunsten einer abstrakten Norm ›gegendert‹ werden, nicht zum Wohl des Einzelhandels feiern, nicht unbequemes menschliches Leben ›selbstbestimmt‹ ins Jenseits befördern.

Ich wünsche mir nur ein Stück Normalität zurück.

FORTSETZUNGEN FOLGEN
U.a.: TTIP - Handel oder Wandel?
Ist Deutschland souverän?
Die Wurzel der Gewalt
Russischer Winter!
Quo vadis EU?



Für heute abschließend ein Zitat von Carl Zuckmayer über die USA: »Amerika - ein Land ohne Tradition, ohne Kultur, ohne Metaphysik und ohne Heurigen, ein Land des Kunstdüngers und der Büchsenöffner, ohne Grazie und ohne Misthaufen, ohne Klassik und ohne Schlamperei, ohne Melos, ohne Apoll, ohne Dionysos.«

Der deutsche Schriftsteller Zuckmayer (u.a. Des Teufels General) erhielt er wegen seiner jüdischen Herkunft und der öffentlichen zur Schau getragenen Abneigung gegen den Nationalsozialismus 1933 Aufführungs- und Publikationsverbot. Bis 1938 lebte er in Salzburg, dann in der Schweiz und Amerika, kehrte 1946 nach Deutschland zurück und lebte ab 1958 endgültig in der Schweiz.

weltordnung
USA: »Ey, was denkst du, wer du bist?«

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