Russischer Frühling

Samstag, 10. Januar 2015

Einige Gebetsangebote

In Nigeria wurden in den letzten Tagen um die 2.000 Menschen massakriert. Ein zehnjähriges Mädchen wurde von Boko Haram als Selbstmordattentäterin missbraucht. Wo bleibt der Aufschrei? Will denn niemand ›Nigeria‹ sein? Oder für die Terroristen beten, die dem Mädchen den Sprengstoffgurt angelegt haben? Bitte, wer dies kann, mag es tun, aber gefälligst ohne deswegen andere Menschen zu denunzieren, die es ablehnen für Meuchelmörder zu beten, sorry.

Ich werde hingegen für den neunjährigen Ivan Volotov aus Shachtersk beten. Durch eine Granate der ukrainischen Artillerie verlor er beide Füße, die rechte Hand und beide Augen. Ärzte kämpfen um sein Leben, die Blutkonserven sind zu knapp, Menschen bemühen sich um schnelle Hilfe. Ivans sechsjähriger Bruder Timofej starb bei dem Beschuss, ein Onkel ebenfalls, und die Mutter der beiden Kinder liegt im Koma.

Ivan ist ein unschuldiges Kind und hat niemandem etwas angetan. Vielleicht haben ja auch andere ein Herz für ihn und finden ein paar Worte im Gebet. Aber auch das ist jedem selbst überlassen.

Medienmacht

Die wichtigsten Oligarchen der Ukraine und ihre Medienmacht:

Dmitri Firtash insgesamt 24,5 Prozent Anteil an drei TV-Sendern
Viktor Pinchuk insgesamt 22,1 Prozent Anteil an drei TV-Sendern
Rinat Achmetov insgesamt 11,9 Prozent Anteil an einem TV-Sender
Igor Kolomoiski insgesamt 10,7 Prozent Anteil an zwei TV-Sendern
Petro Poroshenko insgesamt 1,4 Prozent Anteil an einem TV-Sender

Damit weiß man nun auch, wer die mächtigsten ukrainischen Oligarchen sind.

Deutsche Medien versus Mozgovoy

Unlängst berichtete eine deutsche Journalistin im ÖR-Fernsehen von armen Waisenkindern im Donbass, die mit bösen und schwerbewaffneten Milizionären Weihnachten feiern mussten und darüber sehr unglücklich gewesen sein sollen.

Hier die besagte Szene in einem Video: Aleksei Mozgovoy (mit Strickmütze), Kommandeur der Prizrak-Brigade und völlig unbewaffnet, überbringt mit zwei seiner Milizionäre höchstpersönlich die Geschenke für das Heim für verwaiste Mädchen in Alchevsk. Es ist einer der seltenen Momente, in denen Mozgovoy schmunzelnd und lachend zu sehen ist.

Die Geschenke für die Mädchen stammen übrigens von russischen Gemeinschaften in Deutschland.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Soldatengeschichten: Stille Nacht

KARINA BELONOG GEWIDMET

Pervomaisk, 6. Januar 2015

Heute fühlt Ksenia sich seit Monaten wieder als die hübsche junge Frau, die sie zweifelsohne ist. Sie steht am Fenster und wartet auf drei gute Freunde, mit denen sie den Heiligabend verbringen wird. Hinter ihr spielt Michail, der kleine Bruder des Mädchens, und unten sieht sie den Kommandanten der hiesigen Garnison, Evgeniy Ishchenko, im angeregten Gespräch mit einigen Anwohnern. Ksenia mag den stämmigen Offizier, besonders wegen seiner umgänglichen und hilfsbereiten Art. Zufällig blickt er zu ihr hinauf, Ksenia hebt grüßend die Hand und der Kommandant nickt ihr freundlich zu.

Aus einer Nebenstraße kommen auch schon Ksenias Freunde Nikolai, Igor und Juri. Ishchenko sieht sie ebenfalls und winkt sie heran, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Der Kommandant betrachtet prüfend das Pflaster an Igors Kopf, nickt zufrieden und legt dem Bergmann kurz die Hand auf die Schulter. Die Männer trennen sich. Ishchenko geht zu seinem Wagen, die drei Freunde setzen ihren Weg zu Ksenias Haus fort. Das Mädchen eilt zur Wohnungstür. Sie will ihre Gäste nicht warten lassen. Im Vorbeigehen streicht sie ihrem kleinen Bruder liebevoll über den Kopf. Er ist die ganze Familie, die sie noch hat.

Es läutet. Mit einem strahlenden Lächeln öffnet Ksenia die Tür und lässt ihre Freunde eintreten. Juri ist zutiefst beeindruckt und bekommt weiche Knie. Er kennt Ksenia seit mehreren Monaten, aber heute sieht er sie erstmals in feierlicher Kleidung. Mit leicht zittrigen Fingern reicht er ihr ein kleines Pappschächtelchen, das sie überrascht entgegennimmt. Zwar haben sich die Freunde bereits am Tag vor Neujahr beschenkt. Es sind nur Kleinigkeiten gewesen, denn niemand von ihnen bezieht derzeit ein festes Einkommen. Das größte Geschenk hat der kleine Mischa erhalten: einen flugfähigen Spielzeughelikopter, den Nikolais Ehefrau in ihrem ›Exil‹ in Rostov am Don beschafft hat und der mit einem der zahllosen Versorgungsfahrzeuge sein Ziel unbeschadet erreichen konnte.

Ksenia bittet ihre Freunde ins Wohnzimmer. Ihr Brüderchen umarmt sie freudig nacheinander und präsentiert stolz sein Geschenk, indem er es ausgelassen lachend über den Köpfen der Erwachsenen herumfliegen lässt. Ksenia öffnet im Gehen die kleine Schachtel und findet darinnen ein goldenes Kettchen mit einem Kreuzanhänger. Sie fragt sich erschrocken, wie Juri dieses wertvolle Schmuckstück bezahlt hat. Igor weiß es. In den vergangenen Tagen hat er Juri mit Zigaretten ausgeholfen, denn der junge Mann hat bei einem Kameraden seinen ganzen Tabakvorrat gegen das Präsent für Ksenia eingetauscht. Das Mädchen umarmt Juri gerührt, die Freude überwiegt und verdrängt die Frage nach der Bezahlung. Der Bursche war zu anständig, um es ergaunert zu haben, weiß sie.

Nikolai zündet währenddessen auf Bitten Ksenias die Wachskerzen am Christbaum an. Er schmunzelt dabei, weil die Rotorblätter des neben ihm schwebenden Spielzeughubschraubers einige Lichter wieder zum Erlöschen bringen und neu angezündet werden müssen. Eine weitere, größere Kerze stellt er auf den Tisch. Er hat sie vor einiger Zeit aus der zerstörten Kirche geborgen und für einen besonderen Anlass aufgehoben. Bevor sie sich am Tisch niederlassen, spricht der Kosak ein kurzes Gebet. Alle bekreuzigen sich. Auch Juri, der Atheist. Er findet, dass man nur mit anderen Menschen vernünftig zusammenleben kann, wenn man die einzelnen Befindlichkeiten wechselseitig achtet, ohne sich dabei selbst verleugnen zu müssen.

Kaffee und Tee stehen bereit. Dazu Kleingebäck. Die Freunde haben mit viel Einsatz und Ideenreichtum alles für die Feier Benötigte zusammengetragen. Igor zaubert aus seinem Rucksack zwei Flaschen mit Vodka und Likör. Heute gönnt man sich ausnahmsweise einen guten Tropfen. Der Kompanieführer Nikolai drückt beide Augen zu, denn für das Bataillon gilt striktes Alkoholverbot, das er als Vorgesetzter durchsetzen müsste. Doch heute ist kein gewöhnlicher Tag. So lässt er sich nicht nehmen, eigenhändig die Gläser zu füllen.

»Früher ist Papa immer mit einigen Freunden in den Wald gegangen, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen«, erzählt Ksenia wehmütig. »Es musste immer ein besonders großes Exemplar sein, das bis unter die Decke reichte und prächtig geschmückt wurde.« Es klingt beinahe wie eine Entschuldigung, dass es heute nur ein kaum meterhohes Bäumchen gibt. Igor tröstet das Mädchen und verspricht ihr nach dem Krieg den schönsten Baum des gesamten Donbass. Ksenia lächelt wieder. Sie bittet Juri, ihr beim Auftragen des Essens zu helfen. Als er dem Mädchen in die Küche folgt, stolpert er beinahe über die Schwelle. Igor und Nikolai grinsen sich an. Der kleine Mischa quetscht sich zwischen seine beiden ›Onkeln‹ und erklärt ihnen stolz die Funktionen der Fernbedienung seines Spielzeugs. Erneut dreht der Helikopter seine Runden.

Zwölf verschiedene Speisen gibt es heute. Eine für jeden Apostel, so verlangt es die Tradition. Ksenia muss Mischa, der nicht von seinem Helikopter ablassen kann, förmlich ein paar Häppchen aufzwingen. Als sie nach dem Essen einen Vodka trinken, meutert der Kleine. Er möchte auch einen Vodka und löst damit Heiterkeit aus. Doch nun quengelt er erst recht und Ksenia wird ganz still. Natürlich kann sie ihrem kleinen Bruder keinen Alkohol geben, das ist ihr klar, aber sie ist es auch leid ihm ständig erklären zu müssen, wofür er zu klein und zu jung war, wo er doch für diesen schrecklichen Krieg groß und alt genug sein muss. Der Kosak Nikolai, der ihre Gedanken zu lesen scheint, nickt ihr ermutigend zu. Ksenia holt also ein weiteres Glas, füllt es mit Mineralwasser und fügt ein paar winzige Tröpfchen Vodka hinzu. Mischa ist stolz wie ein Zarewitsch, albert glückselig herum und stößt mit Nikolai und Igor an. Ksenia lächelt lautlos in sich hinein.

Draußen wird es dunkel. Es ist ruhig an der Front. Auch für die Gegner ist heute ein besonderer Tag. Außerdem gibt es in hier kaum noch etwas zum zerstören. Pervomaisk ist unter den noch bewohnten Orten die Stadt mit den größten Schäden. Selbst der Bolzplatz zwischen den Wohnhäusern, auf dem Mischa früher mit seinen Freunden Fußball gespielt hat, ist nur noch ein schwarzer Flecken verbrannter Erde. Am Tisch wird heute viel geredet.

Sie schmieden einen Pakt. Sie beschließen - einfach so! - allesamt den Krieg zu überleben und im nächsten Jahr wieder gemeinsam zu feiern, doch dann mit den Familien Igors und Nikolais. Und sie würden die Zukunft zusammen meistern und immer füreinander da sein - wie eine Großfamilie, die in Russland noch immer Tradition hat. »Ich werde mit Nikolai und Igor in der Mine arbeiten«, sagt Juri konsequent zu Ksenia, »und du wirst endlich dein Studium beginnen.« Das Mädchen nickt und erwidert nur: »Aber anschließend wirst du auch studieren.« Plötzlich ist da eine Selbstverständlichkeit im Raum. Igor und Nikolai rempeln sich unter verschwörerischen Blicken gegenseitig an. Der kleine Mischa weiß dank seiner kindlichen Klugheit sowieso, dass seine Schwester und Juri zusammengehören.

Schnell verrinnt die Zeit. Der kleine Hubschrauber fliegt eine letzte Runde um den Christbaum und setzt zur Landung an. Mischa muss endlich ins Bett, befindet seine große Schwester. Auch die drei Männer müssen zurück in die Kaserne. Juri ist traurig, denn er wird seine Liebste nicht so schnell wieder in einem hübschen Kleid sehen können. Kurz vor Mitternacht begeben sich die Milizionäre auf den Weg. Dankbar für den schönen Abend umarmen sie Ksenia und Michail herzlich. Ein weiterer Kriegstag ist an der kleinen Gemeinschaft vorbeigegangen, ohne aus ihren Reihen ein Opfer zu verlangen. Eine kurze Zeit des gefühlten Friedens findet ihr Ende. Morgen wird wieder Krieg sein.


DIE WIDMUNG
Diese Geschichte ist der kleinen Karina Belonog gewidmet. Die Schülerin einer 4. Klasse hatte weniger Glück als die Menschen, von denen ich berichtet habe. Sie wurde im Alter von neun Jahren in der Folge des Beschusses der Stadt Gorlovka in der nicht anerkannten Volksrepublik Donezk am 19.12.2014 durch ukrainische Schrapnellsplitter getötet. Die Mutter des Mädchens erlitt eine schwere Kopfverletzung und musste bereits zweimal operiert werden. Ob sie jemals wieder ein normales Leben führen kann, ist mehr als fraglich.


karina

Dienstag, 6. Januar 2015

Man meint es doch nur gut ...

Vor dem Krieg im Donbass stellten sich orthodoxe Geistliche zwischen die verhärteten Fronten der pro-europäischen und pro-russischen Kräfte. Doch nun, inmitten des blutigen Kampfes, lindern sie die Not der Menschen.

Das russisch-orthodoxe Kloster in Chervonopartisansk im Süden des Gebiets Lugansk ist zu einer Anlaufstelle für zahlreichen Menschen geworden, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind: Arme, Rentner, Behinderte. Der Abt des Klosters organisiert mit seinen Brüdern nicht nur Lebensmittel und andere wichtige Güter, sondern bereitet auch warme Mahlzeiten zu - unter schwierigen Bedingungen. Unterstützt wird der Abt nicht von deutschen oder europäischen ›Wohlmeinenden‹, sondern von der ›Bewegung Novorossia‹ des dank der Medien besonders verpönten Obersten Igor Strelkov.

Zum Vergleich: Das Spendenaufkommen des Deutschen Roten Kreuzes hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr nahezu halbiert. Der ›Wohlmeinende‹, so könnte man meinen (kleines Wortspiel), ist nur ›wohlmeinend‹ in der Verbreitung seiner Ideologien und Phrasen. Aber wenn es um tatsächliche Hilfe geht ... macht man wohl lieber das Licht aus - nicht nur am Kölner Dom. Man meint es halt gut. Mehr nicht.

Montag, 5. Januar 2015

Kosak des Monats

Der Donkosak Viktor dürfte mit seinen 62 Jahren einer der ältesten Kämpfer im Donbass sein. An seiner Seite kämpfen nicht weniger als fünf seiner Enkelkinder. Weiteres ist derzeit nicht bekannt, aber ich möchte den zähen alten Herrn dennoch erwähnen.

viktor

Bei dem Gebäude im Hintergrund könnte es sich um das Hauptquartier der Brigade ›Prizrak‹ in Alchevsk handeln. Am linken Bildrand sieht man eines der zahllosen Privatfahrzeuge, die rund um die Uhr humanitäre Güter in den Donbass schaffen.

(Nein, das wird keine neue Rubrik!)

Video-Nachruf

Eigentlich war es ein Geburtstagsgeschenk des Kriegsberichterstatters und langjährigen Freundes des Kommandeurs des Lugansker Milizbataillons ›Betmen‹ an Aleksandr Bednov:

Das verlinkte Video zeigt den Kommandeur und dessen Familie in privaten Bildern.

Samstag, 3. Januar 2015

Gesichter des Donbass

Neu im Rahmen der Reihe 'Gesichter des Donbass':
Taras, genannt ›Kluny‹

Freitag, 2. Januar 2015

Bevor Bednov starb

Oberstleutnant Aleksandr Bednov wurde am Tage seines Todes nicht nur der Patenonkel der Tochter eines seiner Männer, sondern auch für einen neugeborenen Jungen, der von seiner Mutter im Krankenhaus verlassen wurde und der jetzt der ›Sohn des Regiments‹ genannt wird. Bednov sagte: »Die Verteidiger von Novorossia werden sich um jedes einzelne Kind in unserer jungen Republik kümmern, denn dies ist das wahre Prinzip des Lebens, das wir nie aufgeben werden.«

Für ein drittes neugeborenes Kind übernahm Aleksandr Bednovs Bataillon ›Betmen‹ die Patenschaft. Der Kommandeur versprach, dieses Kind vor allem Übel schützen zu wollen, und dass kein Kind ohne elterliche Fürsorge bleiben werde.

Ich frage mich heute einmal mehr, wie viel Liebe und Güte sich hinter diesen hartgesottenen Kämpfern im Donbass verbirgt - und wie viel Häme und Verächtlichkeit hinter manchen dauergrinsenden ›Wohlmeinenden‹ im Westen ...

Ewiges Gedenken

Unlängst habe ich auf diesem Blog ein Porträt über den pro-russischen Kommandeur Aleksandr Aleksandrovich Bednov veröffentlicht. Nun habe ich die traurige Pflicht, seinen Tod bekannt zu geben. Mit fünf oder sechs seiner Männer vom Bataillon ›Betmen‹ geriet er in einen Hinterhalt, bei dem es keine Überlebenden gab. Näheres ist noch unbekannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um ein vom ›Republikchef‹ Plotnizki initiiertes, schändliches Attentat. Zu befürchten sind üble Auswirkungen auf die innere Stabilität der nicht anerkannten Lugansker Volksrepublik. Auch dazu später mehr.

Doch zurück zu Aleksandr Bednov: Mir ist in diesem Moment, als hätte ich einen guten Bekannten verloren. Denn der Offizier war mir innerlich sehr nahe. Er war - und bleibt - mir ein Freund im Geiste. In einer Zeit des Krieges war er aus meiner Sicht einer der aufrechtesten und anständigsten Menschen im Donbass - ein Kämpfer wider Willen, der für seine Untergebenen eher ein Freund und Kamerad war, der den Faschismus verachtete und geprägt war vom Streben nach Gerechtigkeit. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

Lieber Aleksandr, möge Dir und Deinen Kameraden die Erde leicht wie ein Daunenbett sein.

Вечная память.

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