Mittwoch, 10. Juni 2015

Seltsame Blüten

Im Lauf der Jahrhunderte trieb die Juristerei oft seltsame Blüten. Insbesondere französische Gerichtsakten aus dem 15. Jahrhundert beschreiben skurrile Prozesse, über die man heute nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Wie beispielsweise das Todesurteil gegen ein Wildschwein, das ein Kind ›ermordet‹ haben soll. Tatsächlich wurde das Tier enthauptet. Noch irrer war das Urteil - Tod durch Erhängen - gegen einen Mann und eine Eselin, die miteinander Sodomie getrieben haben. Immerhin wurde die Eselin unmittelbar vor dem Vollzug des Urteils begnadigt und freigelassen.

Gemäß der Natur bleibt eine ›sexuelle Beziehung‹ zwischen Mensch und Esel unfruchtbar. Unabhängig vom Glauben an einen Schöpfer oder an die Evolution muss festgehalten werden, dass es infolge einer ›natürlichen Paarung‹ keine Mesel geben wird.

Zurück zum Akt der Sodomie und zur Todesstrafe für den ›Eselschänder‹. Letzteren hätte man in einer Kosaken-Staniza vermutlich tüchtig verprügelt und anschließend weggejagt oder in den Dorfteich geworfen. Die arme Eselin wäre vermutlich mit einer zusätzlichen Futterration getröstet worden. Aber ein juristisch korrektes Todesurteil gegen eine ›Unzucht treibende Eselin‹? Darauf wäre wohl niemand gekommen. Eine derartige Rechtssprechung entwickeln keine Menschen mit einem vernünftig ausgeprägten Empfinden für Recht und Gerechtigkeit, sondern nur Menschen, deren Vernunft durch abstrakte Rechtsvorgaben stark beeinträchtigt wird. Die das Unnatürliche in formelle Paragrafen packen wollen, um es dem Natürlichen anzugleichen. Die gar das Unnatürliche erklären möchten, indem sie es per Gesetz als natürlich festschreiben.

Französische Juristen des 15. Jahrhunderts setzten Menschen und Tiere gleich. Dies hatte zur Folge, dass während eines gewissen Zeitraums Menschen und Tiere gleichermaßen für ihre Missetaten von einem Strafgericht zur Verantwortung gezogen wurden. Durch Tiere begangene und - damit abstruse - ›Rechtsverstöße‹ führten zu ebenso abstrusen juristischen Ahnungen, zum Beispiel der Hinrichtung von ›mordenden Wildschweinen‹ und ›vergewaltigenden Hirschen‹. Übrigens wurden gegebenenfalls sogar Ratten als Zeugen vorgeladen, doch sie mussten wegen der Gefährdung für ihr Leben durch streunende Katzen nicht zum Termin erscheinen. Gut für die Ratten, schlecht für den ordnungsgemäßen Prozessablauf.

Einiges an der heutigen Gesetzgebung erinnert mich an solche Absurditäten. Unabhängig von der Betrachtung eines einzelnen Themas oder Bereichs muss man die Entwicklung zu einem Wirrwarr an abstrakten Entscheidungen, Empfehlungen und Vorhaben in ihrer Gesamtheit betrachten und sämtliche mögliche Auswirkungen berücksichtigen. Doch dann würde sich eigentlich nur eine einzige Frage stellen:

Was ist der Mensch?
Ein natürliches, biologisches Wesen?
Ein abstraktes, juristisches Wesen?

Die Antwort auf diese Frage wird eines Tages über das Wohl und Wehe der Menschheit, deren Fortbestand und Entwicklung, entscheidend mitbestimmen. Vielleicht gar den Ausschlag geben. Also sollte man die oben gestellte Frage immer im Hinterkopf behalten, bevor man unbedacht Ungleiches juristisch angleicht. Ganz gleich, in welcher Beziehung. Denn in der längst geöffneten Büchse der Pandora wird man immer eine weitere Büchse finden. Nichts sonst.

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