Russischer Frühling

Freitag, 13. Februar 2015

Die Pufferzone

Gemäß der Süddeutschen Zeitung zeigt die nachstehende Karte angeblich die vereinbarte Pufferzone, in der keine schweren Waffen stationiert sein dürfen. Erkennbar sind die jeweiligen Linien - rot für die pro-russischen Milizen, blau für die ukrainische Armee. Unverständlich ist die unterschiedliche Entfernung der eingezeichneten Linien von der gegenwärtigen Kontaktlinie. Die Milizen müssen sich nämlich noch hinter die Demarkationslinie vom September 2014 zurückziehen, während für die Kiewer Truppen der aktuelle Frontverlauf gilt.

puffer

Damit werden die Donezker und Lugansker Zivil- und Militärführungen ihre Probleme haben. Denn die jüngsten Winteroffensiven dienten nicht nur dem Bemühen um eine Gebietserweiterung, sondern auch dem Abdrängen der ukrainischen Artillerie von den arg gebeutelten Städten und Siedlungen im Kampfbereich. So hat ein Lugansker Bataillon einen risiko- und opferreichen Infanterieangriff auf ukrainische Stellungen gestartet, um das Feuer von der Stadt Lugansk abzulenken, indem es den Beschuss auf sich selbst zog.

Diesbezüglich einige Angaben über die Reichweiten von Mehrfachgeschosswerfern: Das System BM-21 ›Grad‹ verfügt über eine Reichweite von bis 40 km, das BM-28 ›Uragan‹ bis 35 km und der BM-30 ›Smerch‹ sogar bis 120 km.

Sollte die Karte der SZ den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, würde dies bedeuten, dass zahlreiche Ortschaften, u.a. die Städte Donezk, Gorlovka und Pervomaisk, an der aktuellen Kontaktlinie weiterhin im Schussbereich der ukrainischen Artillerie lägen, die Artillerie der Milizen jedoch keine Möglichkeit zur Bekämpfung der gegnerischen Geschützstellungen und Artilleriesysteme hätte.

Sorry, aber das kann und wird nicht funktionieren. Im Grunde wird schon im Vorfeld der Verstoß gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen seitens der neurussischen Armee durch den Gegner provoziert, wenn nur eine einzige ukrainische Granate ›unbeabsichtigt‹ hinter der Kontaktlinie einschlagen wird. Das kann nicht gut gehen.

Bericht aus Telmanovo

Der Milizsoldat Michail berichtet aus seiner Stellung bei der strategisch wichtigen Kleinstadt Telmanovo von einem Beschuss der Ortschaft mit schwerer Artillerie. Glücklicherweise gab es keine Opfer. Zwei Fahrzeuge und das Dach eines Hauses wurden zerstört. Versuchte Vorstöße der ukrainischen Armee (VSU) auf Novoasovsk blieben ohne Erfolg. Die Angriffe wurden von den Milizen des Donbass zurückgeschlagen.

In der Neutralen Zone wurden Aufklärer der VSU mit einem Schützenpanzerwagen ohne Kennung gesichtet, die völlig wirr durch ein leeres Dorf fuhren. »Dieses seltsame Manöver können wir nicht verstehen«, meint Michail.

Ich auch nicht, füge ich an.

Bericht aus Uglegorsk

Frontberichterstatter Semen Pegov vom Sender Life News in der Ortschaft Uglegorsk am Rand des Kessels von Debalcevo: Was Oberstleutnant Viktor Anosov, Kommandeur der Donezker Militärpolizei, ab Minute 1:40 dort mit seinem Feuerzeug anzündet, sind Überreste von Weißem Phosphor.

Video - Semen Pegov in Uglegorsk
https://www.youtube.com/watch?v=uWW-VGAV_HI#t=30

Ohne Einkaufszettel

Es gibt Menschen, die fühlen sich besonders klug, wenn sie in einer Talkshow folgenden Satz sagen dürfen: »Panzer kann man schließlich nicht im Supermarkt kaufen.« Früher schon, merke ich an, zumindest in der Spielzeugvariante. Aber das ist heute böse.

Der ›Supermarkt‹ der neurussischen Milizen hat einen Namen: Gefechtsfeld. Hier vier Fotos von Waffen und Material, die allein an einem Tag von einem einzigen Kampfverband der Milizen im Kessel von Debalcevo erbeutet wurden:

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Granaten und Kisten mit Munition

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Schützenpanzerwagen

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Kampfpanzer

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Panzerabwehrkanone

Ein freundliches »Vielen Dank für Ihren Einkauf« gab es wohl nicht, dafür dennoch eine Bezahlung in einer schrecklichen Währung: dem Blut der Kämpfer im Donbass.

Übrigens, ein Dankeschön an Elsa, wegen der Idee mit dem ›hotlinken‹ von Bildern. Zwar umständlich, aber es klappt ;-)

Danke auch an Novorossia.TV für die Fotos.

Ewiges Gedenken

Tausende Menschen nahmen gestern in Stachanov trotz des Beschusses der Ortschaft an einem Begräbnis von zehn gefallenen Kämpfern der neurussischen Milizen teil. Die Männer gehörten dem Platov-Regiment der Kosaken-Nationalgarde an, die von Ataman Pavel Dremov geführt wird. Die Ortschaft Stachonov beherbergt das Hauptquartier des Regiments. Für die meisten Menschen in der Ortschaft und im Donbass sind die Gefallenen als Helden gestorben.

Fotos - Trauergäste in Stachanov (c) Graham Phillips
Im Vordergrund des unteren Fotos: Ataman Pavel Dremov, Kosaken-Nationalgarde

funeral1

funeral2

Videokommentar - Graham Phillips
https://www.youtube.com/watch?v=1PnrIAB7Oxs

Kurzporträt - Graham Phillips
http://tarassirko.livejournal.com/6033.html

Kurzporträt - Pavel Dremov
http://tarassirko.livejournal.com/7916.html

Weitere Kampfhandlungen

Da der Waffenstillstand noch nicht in Kraft getreten ist, werden die Kämpfe mit unverminderter Härte fortgesetzt. Jede Seite ist bemüht, ihre Position zu verbessern. Die Schwerpunkte:

Raum Debalcevo
Die Angriffe der ukrainischen Streitkräfte (VSU) aus Svetlodarsk und Debalcevo konnten die Umklammerung nicht durchbrechen. Die Igelstellung der neurussischen Armee (VSN) bei Logvinova hielt allen Attacken stand. Ihrerseits greift die VSN die wichtige Höhe 307,9 und die Stellungen bei Sansharovka, Debalcevo und Kalinovka an. Weitere Kämpfe gibt es bei Chernukhino, Maloorlovka und der Höhe 331,4 (Mogila Ostraya). Die VSN eroberte die Siedlung Kamenka. Gemäß des neurussischen Bataillonskommandeurs Arsenij Pavlov (Btl. Sparta) soll der Kessel von Debalcevo bis zum Eintritt des Waffenstillstands zerschlagen sein.

kessel2

Dass auf der Karte zwei der blauen Pfeile (VSU) mitten ins Leere stoßen, zeugt von einer gewissen Panik im Kessel. Einfach gesagt: »Nur raus hier!«

Raum Mariupol
Die vollmundig angekündigte Offensive der VSU am Schwarzen Meer hat sich vollständig festgefahren. Das Nazi-Regiment ›Asow‹ und weitere Verbände kamen nicht nur kaum über die so genannte ›Neutrale Zone‹ hinaus, sondern es gelang der VSN, die vorherige Frontlinie wieder herzustellen. In den beiden Tagen bis zum Eintritt des Waffenstillstands ist hier keine Veränderung mehr zu erwarten.

Beschuss von Ortschaften
Hier müssen die gleichen Ortschaften wie gestern genannt werden. Von Nordosten nach Südwesten: Lugansk, Slavyanoserbsk, Pervomaisk, Stachanov, Bryanka, Gorlovka, Donezk und Makeyevka, Elenovka, Dokuchaevsk, Styla, Komsomolskoe und Telmanovo. Mindestens drei Zivilisten kamen in Donezk ums Leben, drei Kinder starben in Gorlovka. In den meisten Fällen wurden Objekte der Infrastruktur attackiert. Es scheint, als würde man versuchen, noch den größtmöglichen Schaden anzurichten.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Militärische Lage

Raum Debalcevo
Die neurussische Armee (VSN) hält den Kessel von Debalcevo weiterhin geschlossen. Bei Logvinovo hat die VSN zur Sperrung der Verbindung zwischen Svetlodarsk und Debalcevo eine große Igelstellung errichtet, die heftige Angriffe aus dem Norden und Süden erfolgreich abwehrt. Aus Uglegorsk, Zorinsk und Chernukhino stoßen Verbände der VSN ins Innere von Debalcevo vor. Die Milizen konnten weitere Zivilisten aus Chernukhino evakuieren: 34 Personen, darunter fünf Kinder, wurden über Zorinsk nach Alchevsk gebracht. In der Nachbarschaft des Kessels toben Straßenkämpfe in Popasnaya und Maloorlovka. Die ukrainischen Streitkräfte (VSU) versuchen erfolglos auf Krasny Pakhar nördlich von Svetlodarsk vorzurücken.

Foto - Donezker Kämpfer vor Debalcevo
donmiliz

Raum Mariupol
Nahe der Schwarzmeerstadt Mariupol kam es zu weiteren Angriffen der VSU auf Pavlopol, Kominternovo und Lebedinskoe. Bisher wurden lediglich menschenleere Dörfer in der Neutrale Zone besetzt. Die Frontlinie ist unverändert. Die Offensive der VSU stößt ins Leere.

Beschuss von Ortschaften
Weiterhin stehen Städte und Ortschaften entlang der Kontaktlinie unter Beschuss. Von Nordost nach Südwest: Lugansk, Slavyanoserbsk, Pervomaisk, Stachanov, Bryanka, Gorlovka, Donezk und Makeyevka, Elenovka, Dokuchaevsk, Styla, Komsomolskoe und Telmanovo. In Donezk starben mindestens fünf Zivilisten.

Zum Minsker Abkommen

Nein, ich werde mich nicht an den Spekulationen und Vorhersagen hinsichtlich des heute morgen in Minsk erzielten Abkommens beteiligen, sondern möchte kurz darstellen, was ich für die wesentlichen Punkte im Sinne der Menschen im Donbass halte.

1
Ab dem 15. Februar 2015, 00:00 Uhr, soll ein Waffenstillstand in Kraft treten. Dieser ist für die persönliche, soziale und wirtschaftliche Erholung der Menschen nach zehn Monaten Krieg dringend erforderlich. Allerdings gehe ich davon aus, dass eine sehr fragile Situation eintreten wird, die durch einen einzigen Schuss zerbrechen kann.

2
Zwei Tage nach Beginn des Waffenstillstandes soll mit dem Abzug aller schweren Waffen begonnen werden. Dafür ist ein Zeitraum von zwei Wochen vereinbart worden. eine wirksame Überwachung obliegt der OSZE. In einer zwischen 50 und 140 km breiten Sicherheitszone soll keine Artillerie mehr stationiert werden. Damit entkämen die Städte und Siedlungen an der Kontaktlinie endlich dem Schussfeld.

3
In der Ukraine soll bis Ende 2015 eine Verfassungsreform durchgeführt werden, die den Weg für eine Autonomielösung ebnen soll. Ein separates Gesetz soll die dauerhafte Sonderstellung bestimmter Gebiete in den Regionen Donezk und Lugansk garantieren. Hier wird es aus meiner Sicht einige Probleme mit der endgültigen Grenzziehung geben. Künftig sollen die Regierungen im Donbass an der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten einbezogen werden. Erlaubt sich eigene Streitkräfte (Milizen).

4
Vereinbart wurde auch der Rückzug aller ausländischen Söldner, Waffensysteme, Einheiten und Ausrüstungen. Hierbei wird es die größten Probleme geben, da der Status ausländischer Kämpfer völlig unklar ist. So sind Freiwillige, die keinen Sold bekommen, rechtlich keine Söldner, die Ukraine hat ausländische Kämpfer schlichtweg eingebürgert, viele pro-russische Kämpfer sind Russen mit ukrainischen Wurzeln oder Ukrainer mit russischen Wurzeln. Hier ist ein Stück weit Chaos vorprogrammiert.

5
Für alle strafrechtlich relevanten Aktionen im Zusammenhang mit den Ereignissen der vergangenen zehn Monate in bestimmten Gebieten der Regionen Donezk und Lugansk wird Amnestie vereinbart. Es ist der Erlass eines entsprechenden Gesetzes vorgesehen, das die Verfolgung und Bestrafung von in die Ereignisse verwickelten Personen verbietet. Alle Gefangenen sollen ausgetauscht werden.

Von diesem Abkommen, das ich persönlich begrüße, hinsichtlich der Umsetzung aber mit einiger Skepsis betrachte, geht ein Hoffnungsschimmer aus. Mehr nicht. Die politischen Akteure müssen aufeinander zugehen und harte Arbeit leisten. Maximalforderungen kann keine Seite durchsetzen, ohne dabei den Krieg weiterführen zu müssen.

Ich wünsche mir inständig, dass die Menschen im Donbass und deren Interessen über Ideologien und Phrasen gestellt werden. Aber ich fürchte gleichzeitig, dass ich diese Hoffnung schon heute begraben kann. Wie ich letztens anmerkte, sehe ich nach wie vor eher das Einfrieren des Konflikts und weniger eine tatsächliche Lösung.

Mittwoch, 11. Februar 2015

Revolution!

Oder Konterrevolution! Oder was auch immer. Auf jeden Fall eine Protestaktion.

Video - Heute in Kiew
https://www.youtube.com/watch?v=L2vxUwsnESU

Mobilisierung im Donbass

Die im Februar angekündigte Mobilisierung von Freiwilligen für die Milizen der nicht anerkannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken ist vor einigen Tagen angelaufen. Der Zulauf von potentiellen Kämpfern ist hoch. Allein im Donezker Anwerbezentrum melden sich jeden Tag zwischen 100 und 120 Bewerber. Angestrebt wird die Bildung von sechs neuen Brigaden.

»Im Gegensatz zur Aushebung von Wehrpflichtigen in der Ukraine, setzt die Donezker Volksrepublik (DVR) auf Freiwillige«, sagte der Leiter des Anwerbezentrums. »Täglich kommen mehr als einhundert Menschen im Alter von 18 bis 50 Jahre.«

Die meisten der Bewerber verfügen über eine ausgezeichnete Gesundheit. Viele haben militärische Vorkenntnisse. »Es sind starke und gesunde Leute, die an den Kämpfen teilnehmen wollen«, berichtete die Musterungsärztin Elena Sushinski. »Die meisten haben bereits militärische Erfahrungen gesammelt.«

»Es hat sich viel Wut aufgestaut«, erläutert der Freiwillige Sergej Latinzev, »wegen des unaufhörlichen Beschusses von Wohngebieten, von Bussen und Automobilen. Meine Familie lebt im (Donezker) Kuibischev-Viertel unter Beschuss. Unser Haus ist noch intakt, aber wer weiß wie lange.«

Sollten die Friedensverhandlungen scheitern oder sollte kein befriedigendes Ergebnis zustande kommen, sind sich die Führungen in Donezk und Lugansk einig, dass im Frühjahr eine umfangreiche Offensive starten wird.

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