Dienstag, 14. Oktober 2014

Unsere Bundeswehr und ihre Probleme (4)

Die deutsche Luftwaffe verfügt seit einigen Tagen über ein Transportflugzeug, das mit einer Quarantänekabine ausgestattet ist. Diese Maschine soll notfalls Ebola-Patienten aus den Seuchengebieten ausfliegen. Vermutlich kann man dieser Einrichtung sogar trauen, denn in speziellen Fragen ist Deutschland wirklich fortschrittlich. Im Allgemeinen eher nicht. Es bleibt zu befürchten, dass das Flugzeug den Dienst verweigert und einfach nicht abhebt, sobald es gebraucht wird.

Das Ausrüstungsdebakel der deutschen Bundeswehr zeigt ein generelles Defizit auf: dass es nämlich zwischen Sylt und Zugspitze in mancherlei Beziehung mehr Schein als Sein gibt. Die Mehrzahl der Großprojekte erweist sich als Milliardengrab und Dauerbaustelle, auf Schultoiletten überfällt einen Brechreiz, Provinzbahnhöfe wirken wie nachkriegszeitliche Ruinen. Es scheint bisweilen, als würde das Eigentum des Bundes, der Länder und der Kommunen sich in Richtung ›Verwahrlosung‹ bewegen. Wie sollte die Bundeswehr da eine Ausnahme machen?

Tadellos in Schuss sind - neben öffentlichen Prestigeobjekten - hingegen Einrichtungen mit wirtschaftlichem und zivilgesellschaftlichem Engagement. Nun könnte man die sprudelnden Steuereinnahmen instrumentalisieren, aber die wären gar nicht mehr so hoch, wenn man sie ins Verhältnis von Bruttosozialprodukt und Staatsquote bringt. Und die Privatisierung der Landesverteidigung geht schon mal gar nicht. Wie kann man also dem materiellen Verfall der Bundeswehr entgegenwirken, ohne die Bevölkerung noch stärker zur Kasse zu bitten?

Wie auch immer. Der derzeitige Zustand der Bundeswehr und das gleichzeitige Gerede von mehr internationalem Engagement erinnert mich an einen zu Unrecht euphorischen Menschen, der mit einer Schreckschusspistole auf einen Schwerbewaffneten feuert und davon ausgeht, dass Letzterer den Beschuss ohne Gegenreaktion hinnimmt. Es ist interessant, wenn Abgeordnete der Grünen plötzlich den Einsatz von deutschen Bodentruppen im Irak und in Syrien fordern, aber es handelt sich bei diesem Verlangen eher um eine realitätsferne Verkennung des Machbaren.

Nun gut. Suchen wir nach Lösungen. Kurzfristig ist kaum etwas zu machen. Rüstungsprojekte erfordern viel Zeit und sind kostenintensiv. Einen Jagdbomber oder Kampfhubschrauber kann man nicht mal schnell bei ›amazon‹ bestellen. Und bevor überhaupt Material geordert wird, muss zuerst eine grobe Vorstellung herbei, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll. Denn über die Ausrüstung kann nicht der Markt bestimmen, sondern das Verteidigungs- und Sicherheitskonzept. Nur daran kann sich der Bedarf orientieren.

Leider gibt es kein solches Konzept. Jedenfalls kein schlüssiges. Die Bundeswehr soll gleichzeitig der Landesverteidigung und der Krisenbewältigung dienen, aber in beiden Bereichen klemmt es. Zur Zeit ist es der Bundeswehr schlicht unmöglich, die im Rahmen der NATO vertraglich vereinbarten Kontingente bereitzustellen. Die Verteidigung Deutschlands liegt quasi in den Händen anderer Staaten. Besonders vertrauenserweckend ist dies nicht.

Was ist also zu tun? Oder was könnte getan werden? Ich biete einfach mal als Lösungsmöglichkeit fünf aus dem Stehgreif formulierte Grundgedanken an:

1. Erarbeitung einer Militärdoktrin und eines Verteidigungs- und Sicherheitskonzepts in Abstimmung mit den Partnerstaaten. Spezialisierungen einzelner Bündnispartner sind zwar möglich, doch es muss zur Orientierung einen generellen ›Masterplan‹ geben. In der Summe müssen alle Eventualitäten materiell und personell abgedeckt sein.

2. Ausrichtung der Strukturierung der Bundeswehr entsprechend der o.g. Richtlinien, inklusive der Ermittlung und Planung des konkreten Bedarfs an Waffensystemen und Ausrüstungen, die eine Umsetzung der Konzepte überhaupt zulässt.

3. Erstellung eines detaillierten Rüstungs- und Beschaffungsplans sowie eines Finanzkonzeptes bei gleichzeitiger Straffung und Bündelung des Material- und Beschaffungswesens der Bundeswehr. Dabei ist die mögliche Kooperation mit anderen Staaten nicht außer Acht zu lassen. Man muss nicht auf jedem Boden Staub saugen, sondern multinational Kapazitäten, Kräfte und Mittel bündeln.

4. Umsetzung der Ausstattungskonzepte im Rahmen eines Zeitplans. Entsprechend möglicher Veränderungen der weltweiten Lage oder anderen, neuen Bedrohungsszenarien muss zeitnah reagiert werden können.

5. Überdenken des Personalkonzepts. Eine global agierende Armee kann nicht personell aufsaugen, was Wirtschaft und Verwaltung übrig lassen, sondern muss aus militärischen Spezialisten bestehen. Der ›Mensch guten Willens‹ hat auf dem modernen Schlachtfeld keinen Platz. Auch sollte endlich eine militärische Spitzenbehörde in Form eines Generalstabs gebildet werden.

Ein letzter Punkt: Der Gedanke von einer Streitmacht als ›modernes Unternehmen‹ mit Betriebskindertagesstätte und Laienspieltheatergruppe ist zwar sexy, aber praktisch kaum haltbar. Eine Armee ist kein Unternehmen. Der Umbau zu einer schlagkräftigen Truppe, die mit den Streitkräften anderer moderner Staaten mithalten kann, kann nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgen.

Der Soldat ist kein herkömmlicher Angestellter, sondern übt einen ›Beruf besonderer Art‹ aus, für den eine gewisse Eignung und Haltung erforderlich ist. Dementsprechend muss man für Bewerber Anreize jenseits von Teilzeitstellen, Babybetreuung und Leselampen schaffen. Denn wie sollte eine solche Truppe gegen eine Terrorarmee wie den ›Islamischen Staat‹ bestehen?

Mit dieser Frage, die sich jede Leserin und jeder Leser gern selbst beantworten mag, beende ich die Reihe ›Unsere Bundeswehr und ihre Probleme‹ vorerst.

1. Maulender Autor
2. Kasinogespräche
3. Zeitgeschehen
4. Nazis gegen rechts
Akte Bundeswehr
Akte Unsinn
Akte Weltordnung
Elsa fragt den Soldaten
Russischer Frühling
Sirkos Staniza
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