Freitag, 3. Oktober 2014

Die Sicht der Anderen (1)

In mühevoller Kleinarbeit übersetzt: ein Offener Brief einer pro-russischen Miliz an die Bevölkerung der Ukraine. Die unterzeichnende Einheit operiert in der Nähe von Lugansk und umfasst etwa 2.000 Einheimische und Freiwillige. Ihren Namen ›призрак‹ - Gespenst - wählte sie, weil die Brigade von der Kiewer Regierung mehrfach totgesagt wurde, obwohl sie nur etwa 40 Mann verlor. Brigadekommandeur ist Alexej Mosgovoy, Jahrgang 1972, in der Nähe von Lugansk geboren. Der Nachkomme von Donkosaken diente sieben Jahre in der ukrainischen Armee und war u.a. als Bauarbeiter, Konstrukteur und Konzertdirigent tätig. Er gilt als einer der Hoffnungsträger ›Neurusslands‹.
Aus dem Volk an das Volk!

Ukrainisch, ja, das sind Sie. Sie wollen in die Europäische Union? Sie finden, es erwartet Sie ein samtweiches Leben? Alles ist rein und wunderbar gestaltet, kurzum ein Paradies? Es hat alles seinen Preis, aber glauben Sie uns, Sie können sich dieses Gut nicht leisten. Und Sie haben bereits damit begonnen zu bezahlen - mit Bergen von Leichen und Strömen von Blut.

Wissen Sie, dass es im Südosten Ihres Landes einen schrecklichen Vernichtungskrieg gibt? Jeden Tag sterben Ihre Landsleute. Das Massensterben trifft nicht nur das Militär, denn auch die Zivilisten müssen dieses Leid ertragen; all jene, die es nicht geschafft haben, aus der Konfliktzone zu entkommen. Wer fliehen konnte, ging hauptsächlich nach Russland, nicht jedoch ins Innere der Ukraine. Dies ist nur einer der Preise auf der Liste namens »Ich will die Europäische Union!« Warum denkt niemand darüber nach?

Wofür kämpfen die Soldaten Ihres Landes? Weshalb beschießen sie mit ihren Grad-Raketen und Granatwerfern die Siedlungen und Städte? In Slawjansk, Lugansk, Donezk, Schastye und vielen anderen Ortschaften tötet der Granatenregen Frauen, Kinder und ältere Menschen. Und das nennen Sie eine Anti-Terror-Operation? Zeigt das Ihr Fernsehen? Wissen Sie, was in Wirklichkeit geschieht? Ihre Medien zeigen nie, wenn ganze Abteilungen der (Anm.: ukrainischen) Armee sich ergeben oder zur (Anm.: pro-russischen) Miliz überlaufen. Weswegen flüchten die Menschen von Lugansk und Donezk nicht in die Richtung Kiews, sondern nach Russland? Auch darüber schweigen Ihre Medien.

Ihre Regierung ist bereits bis über beide Ohren verschuldet. Sie hinterlässt Ihnen danach (Anm.: nach dem Ende der Regierungszeit) nichts anderes als Schulden - gewiss, das kennen Sie. Bisher verließen alle Regierungen ihr Land in Richtung ihrer Erholungsorte, sie ließen die Ukraine für immer im Stich und hinterließen millionenschwere Schulden bei westlichen Staaten. Wie wollen Sie diese begleichen?

Sie kennen bereits einen unbeliebten Präsidenten, gingen im Jahre 2004 auf den Maidan und organisierten einen Umbruch - und der Maidan hat sich kürzlich wiederholt. Aber an der Spitze des Staates stehen wieder skrupellose Oligarchen, die nicht nur das Land bestohlen haben, sondern die auch Ihre Kinder in den sicheren Tod schicken und sie zum Töten von Zivilisten zwingen. An der südlichen Grenze der Ukraine sterben trotz Waffenruhe täglich weiterhin Menschen. Sagen dies die Medien, wissen Sie das? Und währenddessen befeuert Ihre Regierung mit Hilfe des Westens den Machnoismus - bei einer solchen Führung leider ein vorhersehbares Ergebnis.

Unsere Großväter kämpften im Großen Vaterländischen Krieg (Anm.: im 2. Weltkrieg) gegen den Faschismus und brachte ihn zu Fall. Ehre und unsterblicher Ruhm! Heute werden von den faschistischen Kämpfern des ›Rechten Sektors‹ Zivilisten hingerichtet und Frauen vergewaltigt. Wer bedient sich solcher Handlager? Bedauerlicherweise können wir den Siegern über den Faschismus kein neues Leben einhauchen. Doch vielleicht ist es an der Zeit, die Heldentaten unserer Vorfahren zu wiederholen und dieses Gräuel zu vernichten?

Seien Sie ehrlich. Sind Sie mit dem Wert der Währung, mit dem Preis für Verkehrsmittel, für das Wohnen und für die alltäglichen Waren und Dienstleistungen zufrieden? Und wie gedenken Sie den Winter zu verbringen? Sind Sie sich Ihrer Situation überhaupt bewusst? Vielleicht ist es wieder Zeit für einen ›Maidan‹? Alternativ können Sie sich aber auch dem Kampf derer anschließen, die Ihr Land schützen und eine Verwaltung zum Wohle aller Einwohner schaffen wollen.

Streitkräfte Neurusslands
Brigade PRIZRAK

Die Zitierfunktion wurde absichtlich genutzt. Es ist schließlich nicht MEIN Brief. Ich veröffentliche ihn nur deshalb, weil die Medien es nicht machen würden und die unmöglichsten Ansichten über die Motive der Separatisten kursieren. Auch der Brief der Lugansker Miliz zeigt nur einen von mehreren Beweggründen auf, erhebt also keinen absoluten Anspruch.

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