Mittwoch, 11. Februar 2015

Um es ein weiteres Mal anzumerken

Der Ostukrainekonflikt ist eine der wesentlichen Folgen des von einem Bevölkerungsteil erzwungenen Machtwechsels in Kiew. Es waren nicht DIE Ukrainer, die gegen die gewählten Verantwortlichen aufbegehrten, denn in diesem Sinne gibt es DIE Ukrainer nicht. Schon immer sind ein pro-westlicher und ein pro-russischer Teil vorhanden. Beide Teile blieben relativ friedlich (von gelegentlichen Schlägereien im Parlament abgesehen), so lange die Orientierung in die eine oder andere Richtung offen blieb. Besonders gern wird aber beiläufig übersehen, dass es sich bei der Absetzung des legitimen Präsidenten Janukowitsch um einen verfassungswidrigen Akt handelte. Dabei spielte es keine rechtlich relevante Rolle, ob der legitime Präsident sich zum Zeitpunkt seiner Absetzung in Kiew, Sewastopol oder Honolulu befand. Da der Umsturz in der Ukraine klar auf einem Rechtsbruch beruht, ist es zumindest erlaubt zu hinterfragen, inwiefern die nachträgliche Legitimierung einer illegitimen Regierung überhaupt zulässig ist. Diese Frage wird allerdings mit dem Verweis auf die territoriale Integrität eines Staates vollständig beiseite geschoben. SPON schrieb dazu in einem Artikel, der Bruch der Verfassung geschah eben »während einer Revolution.« Dabei ist der offensichtliche Verfassungsbruch eigentlich das entscheidende Kriterium für eine Beurteilung der Auswirkungen auf das weitere Geschehen.

Fest steht: Auf beiden Seiten gab es gewaltsame und gewaltfreie Proteste und Aktionen. In Kiew jagte man die regierungstreuen Kräfte davon, schlug Andersdenkende zusammen und zündete Sicherheitskräfte an, in der Ost- und Südostukraine vertrieb man die Statthalter der Oligarchen und verprügelte politische Gegner. Keinesfalls gab es jedoch einen friedlichen Machtwechsel auf dem Maidan. Tausende Videos und Fotografien bezeugen übelste Gewaltakte bis hin zur Verwendung von Schusswaffen. Doch die Öffentlichkeit wird niemals erfahren, wer die Heckenschützen auf dem Euromaidan waren, wie viele Polizisten von Gewalttätern getötet oder schwer verletzt wurden, wer das Gewerkschaftshaus in Odessa anzündete, wobei Dutzende Menschen bei lebendigem Leibe verbrannten. Denn jedes Ergebnis einer Untersuchung würde offenbaren, wie stark die stillschweigende Akzeptanz politischer pro-westlicher Kräfte gegenüber den faschistischen Mordbrennern gediegen war. Häufig vor Ort: westliche Politiker und Diplomaten.

Noch heute sehe ich einen deutschen TV-Reporter vor einem Zelt mitten auf dem Maidan, der davon berichtete, das hinter ihm, verborgen von Zeltplanen, Molotov-Cocktails hergestellt würden, er aber leider nicht hineingehen dürfe. Er äußerte sich in einer Weise, als würde er von einer ganz normalen Aktivität friedfertiger Zeitgenossen berichten. Schon damals unterstützte der Westen die Opposition gegen Janukowitsch. Gemäß US-Präsident Barack Obama war der Umsturz sogar ein »mit unserer Hilfe herbeigeführter Putsch.«

https://www.freitag.de/autoren/hans-springstein/obama-bestaetigt-us-gefuehrten-putsch-in-kiew Danke, Elsa!

Zu den Konflikten im Nahen Osten und in der arabischen Welt habe ich einst geschrieben, dass der Westen dem Osten und dem Süden zugestehen müsse, einen eigenen Weg in eine gerechte und lebenswerte Gesellschaftsform zu finden, die den jeweiligen Kulturen und Gegebenheiten entspricht. Dies gilt besonders auch für den ›fernen Osten‹ Europas. Doch jede Manipulation, jeder erzeugte Druck von außen, lässt bereits vorhandenes Konfliktpotential leicht überborden. In Situationen, in denen Mehrheiten und Minderheiten sich im Umfang nur geringfügig unterscheiden, ist das Aufbegehren starker Minderheiten, deren Interessen vollständig ignoriert werden, beinahe obligatorisch.

Die Art und Weise, mit der die neuen Machthaber in der Ukraine gegen Teile der eigenen Bevölkerung vorgeht, ist erschreckend. Städte werden bombardiert, es erfolgt der vorsätzliche Beschuss von Wohngebieten und die absichtliche Zerstörung der Infrastruktur, alten Menschen wurde die Rente gestrichen, Krankenhäusern die Zufuhr an Medikamenten entzogen; der Donbass unterliegt einer totalen Wirtschaftsblockade. So verhält sich kein Rechtsstaat, der in EU und Nato strebt, sondern eine Despotie. Doch de facto erkennt man damit an, dass der Donbass nicht mehr zur Ukraine gehört. Was also bleibt, sind der Durst nach Vergeltung und die Sucht nach der Zerstörung der russischen Kultur in der Ukraine, ja jedes Leugnen einer gemeinsamen Vergangenheit. Dass der ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk, in dessen Wahlblock viele Faschisten und Ultranationalisten unterkamen, die pro-russische Bevölkerung im Donbass zweimal als ›Untermenschen‹ bezeichnet hat (besonders britische Medien berichteten, deutsche nur kaum wahrnehmbar), ohne dass es einen Aufschrei gab, spricht Bände.

Nicht Donezk und Lugansk haben Kiew den Krieg erklärt, sondern umgekehrt. In einer Zeit, während der beinahe Anarchie herrschte und jede beteiligte Gruppe ihre jeweiligen Ansprüche und Interessen sichern wollte, reagierten die pro-westlichen Machthaber in Kiew umgehend mit einer Mobilmachung und der Bewaffnung von Faschisten und anderer zweifelhafter ›Kämpfer‹, mit der Entsendung gepanzerter Truppenteile und dem Einsatz von Kampfbombern. Verhandelt wurde nicht. Aus Widerständlern wurden ›Terroristen und Banditen‹, die Polizistenmörder vom Maidan hat man hingegen zu ›Helden‹ der Ukraine verklärt. Heute feuern diese ›Helden‹ blindwütig auf Zivilisten im Donbass.

Nun ist ständig die Rede von der russischen Beteiligung am Bürgerkrieg im Donbass. Sicher, es gibt sie. Der russische Präsident Putin und die überwiegende Masse der Menschen in Russland sehen die Ukrainer als ein Brudervolk, sie unterstützen ihre Landsleute und die pro-russischen Ukrainer im Kampf gegen eine russophobe Regierung, die sie für die Reinkarnation des Hitlerfaschismus halten. Tun so etwas nur die Russen? Nein, gewiss nicht. Denn was hört man häufig aus den USA?: »Wenn im Ausland eine US-Einrichtung oder ein US-Bürger geschädigt wird, reagieren wir umgehend mit aller Härte.« Zur Umsetzung dieses Grundsatzes, den man für richtig oder falsch halten kann, starben weltweit zahllose Schuldige und Unschuldige gleichermaßen. In dieser Hinsicht geht Putin wesentlich behutsamer und umsichtiger vor.

Hinter vorgehaltener Hand reden einige Experten bereits über einen internen Machtkampf der ukrainischen Oligarchen, von denen einige sich bei der Verteilung des neu gebackenen Kuchens übergangen fühlen. Die Rede ist von einem möglichen Zerfall der Ukraine in einzelne ›Feudalherrschaften‹. Ich fürchte, der Westen würde dank seiner Wirtschaftsinteressen sogar ein solches System einem unabhängigen Donbass vorziehen. Die Puppenspieler hinter den verspiegelten Fassaden ihrer Glastürme wollen als Ausbeute der ›friedlichen Revolution‹ die gesamte Ukraine verspeisen. Demokratie und Menschenrechte sind für sie eher Nebensache.

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