Samstag, 11. Oktober 2014

Der erwachende Bär (2)

Weshalb wird Russland ab dem Jahr 2020 über die modernsten Streitkräfte in Europa und Asien verfügen? Lassen wir den Vizepremierminister der Russischen Föderation, Dmitri Rogosin, der dem militärisch-industriellen Komplex vorsteht, zu Wort kommen: »Russland wird bis 2020 die Bewaffnung der strategischen nuklearen Streitkräfte völlig erneuern.«

Ursprünglich angedacht war eine Erneuerung von 70 Prozent der Nuklearwaffen. Mit der Vorbereitung des Raketenabwehrschildes der NATO zog Russlands Rüstungsplanung allerdings nach und beabsichtigt nunmehr eine vollständige Umrüstung. Dabei setzt man künftig auf mehr Qualität und weniger Quantität.

Dazu erneut der Vizepremier: »Wir setzen auf prinzipiell neue Eigenschaften von Waffen, die uns erlauben werden, die Verteidigungsfähigkeit vor dem Hintergrund der zweckorientierten Personalreduzierung zu erhöhen. Es muss nicht viele Waffen geben. Wir müssen eine kompakte Armee schaffen, die man auf jeden beliebigen Kriegsschauplatz verlegen kann. Unsere Aufgabe ist die Entwicklung von Waffen, mit denen es jedem Soldaten und Offizier möglich ist, wie fünf Mann zu kämpfen. Außerdem müssen diese Waffen die Soldaten aus dem realen Schussfeld herausführen.«

Während in Deutschland, das sehr eigene Probleme mit der Militärtechnik hat, noch gern auf Russland herabgeschaut wurde, lief der Erneuerungsprozess bereits an. Im Jahr 1999, während Wladimir Putins erster Amtszeit als Präsident der Föderation, kamen unbemerkt von der Weltöffentlichkeit eine neue Militärdoktrin und ein neues Sicherheitskonzept zustande. Diese sehen u.a. vor, den technischen Abstand zu den US-Streitkräften komplett aufzuholen.

Was kaum bekannt ist: Mittlerweile verfügt Russland über hochmoderne Technologien für den sogenannten Cyber War sowie über Möglichkeiten zur künstlichen Herbeiführung von Naturkatastrophen. Manchem deutschen Russland-Kenner dürfte das Lachen und Lästern längst vergangen sein, wenn er ein wenig mehr Kenntnis vom tatsächlichen Zustand der Streitkräfte Russlands haben würde.

Die künftige Armee Russlands wird rund 800.000 aktive Soldaten umfassen. Das Offizierskorps wird gestrafft, ein qualifiziertes Unteroffizierskorps ausgebildet, mehr Kontraktsoldaten (Zeitsoldaten) werden Wehrpflichtige ersetzen, die Besoldung und die Lebensbedingungen der Soldaten erfahren eine enorme Verbesserung.

Die konventionelle Schlagkraft des Heeres wird mit Kampfpanzern eines neuen Typus gewährleistet. Erstmals am 9. Mai 2015 soll der Panzer ›Armata‹ gezeigt werden. Dessen Besatzung wird sich nicht im Turm befinden, sondern in einem abgetrennten Abteil, von dem aus der Turm ferngesteuert wird. Dadurch ist die Besatzung von der Munition abgeschirmt, die im Fall eines Treffers des Panzers detoniert und das Fahrzeug zerstört. Bis 2020 soll es 2.300 Panzer dieses Typs geben (die Bundeswehr wird dann noch 250 Panzer haben).

Die Kampfkraft wird durch weitere Projekte - ebenfalls bis 2020 wesentlich realisiert - erhöht: den Ketten-Schützenpanzer ›Kurganez-25‹ und den Rad-Schützenpanzerwagen ›Bumerang‹. Beide Fahrzeuge verfügen über die gleiche Besonderheit wie der Kampfpanzer ›Armata‹, nämlich die entscheidend verbesserte Sicherheit für die Besatzungen. Auch diese Technik soll am Tag des Sieges über Hitlerdeutschland 2015 vorgeführt werden. Hinzu kommen moderne taktische Raketensysteme und neue Arten von Mehrfachgeschosswerfern.

Kern der neuen Seestreitkräfte werden neben Tarnkappen-Schiffen, Hubschrauberträgern und Marine-Landungstruppen acht hochmoderne strategische Nuklear-Unterseekreuzer der Klasse ›Juri Dolgoruki‹ sein, jeweils ausgestattet mit 16 Atomraketen mit je sechs Sprengköpfen.

Bis 2020 sind für die Erneuerung der russischen Streitkräfte umgerechnet gigantische 490 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Allein im laufenden Jahr sind 60 Milliarden Dollar (rund 2,3 Billionen Rubel) bewilligt. Jeder fünfte Rubel wird in die Modernisierung des russischen Nuklearschildes investiert.

Die Militärreform zielt auf die hohe Fähigkeit zur Landesverteidigung ab. Mit hochmodernen Waffen, darunter Nuklearwaffen, gesteigerter Mobilität, einer schlankeren Struktur und professionellen hochqualifizierten und -motivierten Soldaten, die an jedem Ort der Welt auf jedem beliebigen Schauplatz effektiv ihre Aufgaben lösen können.

Neben den regulären Streitkräften wird es auch künftig mehr als 1,5 Millionen Reservisten geben, starke paramilitärische Kräfte, wie die Truppen des Innenministeriums (OMON u.a.) und die rund 650.000 Mann der sogenannten registrierten Kosaken, die als Nationalgarde und Grenzschutztruppe fungieren. Es ist anzunehmen, dass diese Verbände mit derzeit vorhandenen, zum Teil noch sehr brauchbaren Waffen und gepanzerten Fahrzeugen verstärkt werden.

Das Tempo wird mehr und mehr beschleunigt. So soll die Neubewaffnung mit Nuklearwaffen bereits 2020 hundertprozentig abgeschlossen sein. Die Atomraketen vom Typ ›Sotka‹ sind bereits durch die wesentlich effizienteren ›Jars‹-Raketen ersetzt worden. Bis zum Jahresende sollen drei Divisionen der Nuklearstreitkräfte umgerüstet sein. In absehbarer Zeit werden dann die ›Wojewoda‹, ebenfalls Nuklearraketen, durch die stärkeren ›Sarmat‹ ausgetauscht. Der Umbau ist also in vollem Gange. Es ist keine Modernisierung, sondern vielmehr eine komplette Erneuerung.

Vermutlich werden viele Militärexperten bei der Siegesfeier 2015 erstaunt sein. Und in Russland wird man weithin jubeln. Viele Menschen in diesem den Westeuropäern fremden Land wollen nichts mehr hören von Sprüchen, wie »auf den Knien liegendes Volk«. Die überwiegende Mehrheit wird die Vorhaben ihres Präsidenten befürworten. Und man sollte nicht vergessen - hier kommen wir wieder zurück zur moralisch-motivierenden Frage -, dass eines den Menschen weit im Osten über die einzelnen politischen Befindlichkeiten hinweg besonders heilig ist:

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