2. Kasinogespräche

Mittwoch, 25. November 2015

Sirkos Weisheiten

Wenn ich auf ein Band spreche und die Aufnahme abspiele, ist damit lediglich bewiesen, dass ich irgendwann auf ein Band gesprochen habe. Nicht mehr und nicht weniger.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Zitat des Tages

«Betrachtet man die abwesende Pietät einiger Mitmenschen, so kommt man zwangsläufig zu der Annahme, dass deren Kinderstube sich nur direkt neben der Latrine befunden haben kann.» Sirko T. D.

Samstag, 11. April 2015

Weil mal gefragt wurde ...

Wo ordnet sich der Sirko politisch ein? Die Antwort gibt das weiße X auf der nachstehenden Grafik. Mein Weltbild ist sozial-konservativ. Dies bedeutet, dass für mich persönlich die Bewahrung positiver Traditionen in Verbindung mit sozialem Fortschritt wichtig sind. Der aufmerksame Beobachter mag erkennen, wie weit für mich der Weg zu den Liberal-Konservativen (1) und den Sozial-Linksliberalen (2) ist, geschweige denn zu den rein liberalen Lagern. Da ich keine radikalen Neigungen habe, aber auch nicht beliebig bin, befindet das Kreuz sich hinsichtlich der Breite auf einer mittleren, moderaten Position.

Der Spaßfaktor der Grafik: Alle Leserinnen und Leser können nun ihr eigenes Kreuz setzen und daran ablesen, wie nahe oder fern sie mir in den politischen Ansichten sind - was nicht unbedingt eine Auswirkung auf die Vergabe von persönlicher Sympathie oder Antipathie hat!

lager.jpg

Jedenfalls hat für mich die höchste Priorität, dass die Menschen weltweit wie Menschen behandelt werden, indem sie als eigenständige kulturelle und soziale Wesen wahrgenommen werden, die sie nun mal sind, und indem ihre Grundbedürfnisse gewährt sind, zu denen ein Dach über dem Kopf, Kleidung und ausreichend Nahrung gehören. Auch die Möglichkeit der Bildung und die freie Ausübung einer Religion (oder Nichtreligion).

Aber salopp und - zugegeben - verkürzt gesagt: Pressefreiheit für halb verhungerte Analphabeten herbei zu bomben, ist wenig geistreich, tötet aber Schuldige und Unschuldige gleichermaßen. Im Irak waren es bis zu 600.000 Zivilisten. Der ›Dank‹ hierfür ist nunmehr der internationale Terrorismus, eine Bedrohung, der paradoxerweise vermehrt mit der Einschränkung von Freiheiten begegnet wird.

Ich sehe in den durch das Schüren von Krieg, Bürgerkrieg und Aufruhr herbei gerufenen ›Demokratisierungsprozessen‹ keinerlei Fortschritt für die Menschheit. Auch das Beharren auf die Existenz von Kunststaaten lässt oftmals die Friedensordnung lediglich zum Kriegsgrund werden. Es ist außerdem alles andere als liberal, ganzen Völkern und Gemeinschaften die eigenen Ansichten und Ansprüche gewaltsam oder korrumpierend aufzunötigen. Globalisierung ist teilweise eine moderne Form des imperialistischen Kolonialismus, bei dem die ›Kolonialherren‹ jedoch keinerlei eigene Verantwortung für ihre ›Kolonien‹ übernehmen.

Es mutet beinahe lächerlich an, wenn die gewaltsame Durchsetzung der Freiheit des Einzelnen und der Schutz von Minderheiten weltweit Abermillionen Menschen, die bislang lediglich durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe einigermaßen geschützt waren, in die Flucht - und damit oft in die Isolation - treiben. Die ›Demokratisierung‹ Afghanistans bewirkte den Rückzug der um ihr bloßes Überleben kämpfenden Christen in den Untergrund, die ›Demokratisierung‹ Iraks besorgte lange vor der Terrormiliz IS den beginnenden Exodus der religiösen Minderheiten.

Merkt das niemand? Also weiter so?

»Was nicht zusammen kann bestehen, tut am besten, sich zu lösen«, schrieb dermaleinst Friedrich Schiller. Ja, die Selbstbestimmung von Menschengruppen gehört aus meiner Sicht ebenso zu den Rechten von Menschen, wie die Selbstbestimmung des Einzelnen. Wer mit wem ins Bett geht, ist mir persönlich hingegen völlig schnuppe, sofern es sich um Erwachsene im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte handelt. Das ist weder meine Angelegenheit noch die angestammte Obliegenheit irgendeines Staates.

Vielleicht resultiert aus diesen Ansichten auch mein vom sogenannten ›mainstream‹ abweichendes Verständnis für die Vorgänge im Donbass, weil dort eben nicht nur rein politische und kulturelle Differenzen (leider blutig) ausgetragen werden, sondern weil in diesem Zusammenhang vor allem auch die Anschauungen und Lebensentwürfe des ›kritischen Begleiters von Rhein‹ mit denen des ›soliden Kämpfers vom Severskiy Donez‹ aufeinander prallen. Das eigene Selbstbild bestimmt über Zuwendung oder Ablehnung. Das ist sogar durchaus menschlich.

Aber, um beim Beispiel zu bleiben, muss ich nun mal anfügen, dass die vom Krieg betroffenen Menschen und ihre Schicksale mir sehr viel näher gehen als das juristische Gebilde der ›Einigen Ukraine‹, die nichts anderes ist als ein ehemaliges sowjetisches Verwaltungskonstrukt, um das sich nun die Großmächte rangeln.

Wenn mich dies alles zum ›ganz Linken‹ oder ›ganz Rechten‹ macht, dann bin ich eben ein ›linker Rechter‹ oder ›rechter Linker‹. Es steht jedermann frei, sich an dieser Form der Quadratur des Kreises zu üben, wenn es Spaß macht.

Angenehmes Wochenende!

Mittwoch, 14. Januar 2015

Stimmungen und Meinungen

Nicht ganz ernst zu nehmen!

Angela Merkel: Der Islam gehört zu Deutschland.
Joachim Gauck: Alles gehört zu Deutschland.
Ahmet Davudoglu: Die Türkei gehört zu Deutschland.
Claudia Roth: Sonne, Mond und Sterne gehören zu Deutschland.
Cem Özdemir: Ich gehöre zu Deutschland.
Pierre Vogel: Ich auch.
Ataman Sirko: Ich nicht.
Ataman Kozitsyn: Inzest gehört zu Deutschland.
David Berger: Schwulsein gehört zu Deutschland.
Edward Snowden: Die NSA gehört zu Deutschland.
Daniel Deckers: Bischofsbashing gehört zu Deutschland.
Kalif Ibrahim: Polygamie gehört zu Deutschland.
Radio YouFM: Zoophilie gehört zu Deutschland.
Zeitschrift Titanic: Beleidigen gehört zu Deutschland.
Pegida-Bewegung: Kartoffeln gehören zu Deutschland.
Arsenij Jazenjuk: Die Ukraine gehört zu Deutschland.
Vladimir Putin: Deutschland gehört zu Russland.
Gerard Depardieu: Ich auch.

U.v.m.

Samstag, 10. Januar 2015

Wenn man sich

mal ganz nebenbei im Netzwerk twitter umsieht, fehlt da eindeutig die Nagaika eines gestandenen Atamans - mit besonders vielen eingeflochtenen Bleikugeln ... :-))))

Dienstag, 30. Dezember 2014

Klöster des Ostens

Die nachstehende Fotografie zeigt das russisch-orthodoxe Solowki-Kloster (auch Solowezki-Kloster) auf einer Insel im Weißen Meer nahe der Metropole Sankt Petersburg.

solowki

Man beachte den historischen Wehrmauerring, der die imposante Klosteranlage eindrucksvoll umzieht und vermutlich geliebte Feinde vom Morden und Plündern abhalten sollte.

Puettko & Co. würden jetzt gewiss eine fehlende Willkommenskultur bemängeln ... ;-)

Dienstag, 9. Dezember 2014

Der Puettko mal wieder

Zur Freiheit des Menschen, Major Puettko (oder wie auch immer), gehört es auch, traditionell statt modern oder konservativ statt liberal sein zu dürfen, östlich statt westlich, eigennützig oder kollektivistisch statt Dritten nützlich oder individualistisch, deutsch-national oder russisch-national statt global-besitzdienerisch, regierungstreu oder eben nicht regierungstreu.

Unfreiheit entsteht durch die Abwesenheit von Wahlmöglichkeiten. Das sollte man wissen, bevor man den Superkritiker und Supererkenner mimt.

Ob die russische Orthodoxie mit Ihnen, lieber Puettko, eine Ökumene anstreben würde, stelle ich ohnehin in Frage. Denn Sie verstehen das Grundsätzliche an den weltlichen Betrachtungen der ROK nicht. Seit jeher strebt die russische Orthodoxie eine Symphonia mit dem Staat an. Eine Harmonie, einen Gleichklang. Der Patriarch von Moskau und ganz Russland (bzw. dem ganzen Norden) ist nicht mal für und mal gegen einen Präsidenten, sondern sucht den Schulterschluss mit der jeweiligen weltlichen Macht. Dadurch nimmt man EInfluss auf die Regierenden. Das ist weit im Osten eine jahrhundertealte Tradition.

Gut, Major, auch ein paar Zahlen: Nach siebzig Jahren Staatssozialismus in Russland bekennen sich heute etwa 62 Prozent der Russen zur ROK. Im Osten Deutschlands gibt es nach vierzig Jahren Staatssozialismus weiterhin nur rund 20 Prozent Christen.

Irgendwas machen Sie anscheinend falsch.

Samstag, 8. November 2014

Eine wahre Geschichte

Ich war gerade achtzehn Jahre jung und musste zum ersten Mal im Leben Kasernenwache schieben. Der mir zugeteilte Postenbereich löste damals bei manchen Soldaten einen Kälteschauer aus. In den Nachtstunden galt der schmale Pfad zwischen einem Doppelzaun mitten durch einen dichten Wald als unheimlich. Jemand hatte sich sogar in einem Anfall von geistiger Umnachtung selbst erschossen. Nun stand ich am Startpunkt dieses Pfades und bekam vom Aufführenden, also dem Kameraden, der die Posten ablöst, ein aufmunterndes Schulterklopfen.

Als ich mit mir und der Unheimlichkeit allein war, klemmte ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen. Es herrschte zwar Rauchverbot auf Posten, aber der richtig gute Soldat ignoriert bisweilen Gebote, die er für unnütz hält, wie er sich auch um unangenehme Dienste herumdrückt. Das Sturmgewehr in Hüftanschlag, die »Kippe« im Mund, bewegte ich mich Schritt für Schritt hinein in eine tatsächlich beklemmende Finsternis. Zuerst hatte ich an einen Scherz geglaubt, den man sich mit mir, dem Neuen, gemacht hatte. Aber da war etwas Ungreifbares. Absolutes Fehlen jedweden Lichts und eine Stille, die nur von noch nie zuvor vernommenen Geräuschen gestört wurde. Wie in einem Gruselfilm. Wie im »Blair Witch Project«. Dennoch ging ich stur weiter. Sturheit ist wohl eine meiner wesentlichen Eigenschaften. Manches Mal wirkt sie wie Entschlossenheit.

Am Ende dieser Finsternis, dieser totalen Abwesenheit von Bekanntem und Vertrautem, gab es eine Alarmausfahrt. Und eine Laterne. Dort erwartete mich bereits der Nachbarposten. Er sagte: »Endlich kommt hier mal jemand an. Die meisten Leute gehen nicht soweit.« Entgegen aller Vorschriften plauderten wir eine Weile miteinander und rauchten eine Zigarette. Dann ging wieder jeder seiner Wege. Den Pfad in umgekehrter Richtung zu beschreiten, war auch nicht angenehmer. Irgendwann wurde ich abgelöst.

Gegen 03:00 oder 04:00 Uhr war ich erneut an der Reihe. Ich war erschöpft und hundemüde. Der richtig gute Soldat kann im Stehen schlafen. Auch im Gehen. Nach einer guten Stunde des Auf- und Abgehens lehnte ich mich einfach an den Maschendrahtzaun und döste vor mich hin - bis mir jemand auf die Schulter tippte! Normalerweise hätte ich mich erschrecken müssen, doch dazu war ich einfach zu müde. Ich taumelte zwei, drei Schritte nach vorn und drehte mich um.

Mitten im Wald saßen drei ältere Herren in Uniform. Reserveoffiziere, nahm ich an, die bisweilen in einem nahe gelegenen Gebäude geschult wurden. Sie saßen auf einer ausgebreiteten Decke, hatten Bier und Lebensmittel dabei und spielten Karten. Ich bekam ein Bier angeboten, reagierte aber nicht.

Denn diese Menschen gab es nicht, so real sie mir in diesem Augenblick auch erschienen. Sie waren eine durch Schlafentzug erzeugte Halluzination. Ich wusste instinktiv, dass ich in diesem geheimnisvollen Waldstück allein war. Also zuckte ich mit den Schultern und setzte meinen Weg in Richtung der Laterne am Ausfalltor fort.

Obwohl ich mir sicher war, einem Trugbild begegnet zu sein, ließ mir der Vorfall keine Ruhe. Tage später ging ich zu besagtem Ausbildungsgebäude und ließ mir Auskunft über die Belegung geben. Meine Beinahe-Gewissheit wurde bestätigt. Seit Wochen war das Gebäude nicht genutzt worden. Irgendwie beruhigend.

In dieser Zeit überkam mich jedenfalls eine Erkenntnis. Sie lautete: »Nimm nicht alles hin, was man dir sagt, selbst dann nicht, wenn du es zu sehen meinst.« Vielleicht ist diese Feststellung der Grund, weshalb ich Konflikte anders bewerte als bspw. Experten für Sicherheitspolitik. Vielleicht bin ich neutraler und habe einen anderen Blick für die Unterscheidung zwischen Realität, Annahme und Wunschdenken. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich entweder sofort eine Entscheidung treffe - oder nie, sofort eine Meinung habe - oder nie. Und ich weiß, dass Bilder trügen können. Um so tiefer dringe ich gedanklich in für mich interessante Geschehnisse ein, bis ich beinahe das Denkmuster eines Gegenübers zeitweilig übernehme.

Erfahrung und Intuition, Logik und Kreativität, besonders auch Neutralität in der Betrachtung und Analyse führen mich oft an Beurteilungen und Schlussfolgerungen heran, die anderen Menschen fremd sind und sogar missverständlich erscheinen, so dass sie Kritik oder gar Ablehnung hervorrufen. Manchmal verwerfe ich sämtliche Bewertungen von Experten - und behalte doch meistens Recht. Weil ich niemandem in seiner (politischen) Haltung folgen muss, sondern frei in meiner Diagnostik bin. Und weil ich JEDE Position hinterfrage, die nicht auf eindeutigen Beweisen beruht. Da kann der Widerstand noch so gewaltig sein.

So einfach ist das ;-)

Samstag, 23. August 2014

Moral sättigt!

Echt jetzt. Zumindest dann, wenn sich darunter eine Scheibe Toast und darüber eine Scheibe Wurst befindet. Ansonsten bleibt man nämlich hungrig und beißt möglicherweise in den erhobenen Zeigefinger des Schulmeisters.

Montag, 3. Februar 2014

Eine (un)wahre Geschichte

Diese Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen sind beabsichtigt.

Ich diente bereits seit einigen Jahren im Kosakenkorps. Mein Regiment war nicht besonders groß und auch nicht bedeutend. Ich führte eine der sechs Hundertschaften. Wir waren in einer Provinzstadt stationiert, oberhalb eines kleinen Flusses. Eines Tages hatten wir einen neuen Regimentskommandeur bekommen: Oberst Tebarew. Viele Kameraden trauerten unserem alten Kommandeur nach, der sich immer inmitten seiner Soldaten bewegt hatte. Bald kam es zu einer Spaltung des Regiments. Oberst Tebarew, so sagten einige, gehöre nicht zu uns. Er sei nicht unser Kommandeur, sondern ein Aufpasser des weit entfernt residierenden Atamans. Ich dachte mir damals nichts dabei, solche Auseinandersetzungen gehörten, so lange sie im Korps ausgetragen wurden, zum Alltag der Kosaken. Und wenn ich gefragt wurde, auf welcher Seite ich stehe, antwortete ich beständig: »Auf keiner. Es geht mich nichts an.«

Eines Nachts wurde das Regiment aus dem Schlaf gerissen und zu einem Manöver ins Feld verlegt. Meine Hundertschaft, die beste der Truppe, bildete die Vorhut, und in der Morgendämmerung ritten wir aus. Wir fanden einen geeigneten Platz für das Lager und sicherten ihn ab. Zwei Stunden später kamen auch die fünf anderen Hundertschaften an. Die Zelte wurden errichtet, Posten aufgestellt, es gab nur Zwieback und dünnen Kaffee. Bald übergab ich meinem Leutnant das Kommando über die Hundertschaft und schlenderte zum Tross. Dort war ich oft und gern, bei den altgedienten Invaliden und den glutäugigen Marketenderinnen, bei einem ordentlichen Wodka den Geschichten aus früheren Zeiten lauschend. Und Taras der Bär, wie man mich wegen meiner Größe und Statur nannte, war dort immer willkommen.

Im Lager herrschte eine schlechte Stimmung. Beim Tross angekommen, empfing mich der alte Stabszahlmeister Bogdan Apostol mit besorgter Miene. »Setz dich, Sirko, und trink ein Wässerchen mit mir. Schlechte Zeiten, sage ich dir, nichts ist mehr so wie es war. Der neue Oberst hat das Unheil über uns gebracht.«

»Bruder Apostol spricht wahr«, sagte ein Stabsfeldwebel mit drei Narben aus drei Kriegen im Gesicht und starrte düster in seinen Becher. »Da haben wir einen bekommen, den niemand will. Er gehört nicht zu uns, er ist ein Fremder. Er sammelt goldenen Schnickschnack. Das ist völlig unsoldatisch. Und er kann nicht mal die Truppe richtig führen. Schau dir nur sein Zelt an, Brüderchen Sirko, es ist dreimal so groß wie die anderen.«

»Und darunter ist ein aus Edelholz errichteter Unterstand mit zwei Badewannen und drei Latrinen«, bemerkte kichernd die rothaarige Marketenderin Ksenia.

»Er soll auch in die Regimentskasse gegriffen haben, weil der Kommandeurshaushalt für seinen immensen Geldbedarf nicht ausreicht«, behauptete ein junger Unterfähnrich, der die Trosswache kommandierte. »So einer kann uns doch nicht anführen.«

»Das sind doch bloß Gerüchte«, knurrte ich und bekundete ein weiteres Mal: »Mir ist es egal, wer das Regiment führt. Und so gewaltig ist das Zelt des Obersten auch wieder nicht.« Mir war dieses Gespräch unangenehm. Nicht wegen des Obersten, mit dem ich noch nie ein Wort gewechselt hatte, sondern wegen der Gefährdung der Einheit des Regiments. Es tat mir weh, es derart zerrissen zu sehen. Denn ich liebte es sehr.

Lange blieb ich heute nicht beim Tross, sondern ging nach nur einer Stunde zurück zu meiner vertrauten Hundertschaft. Dort war ich beliebt, weil ich immer ein offenes Ohr für meine Jungs hatte, ihnen stets voraus war, wenn es ins Feld ging, und alle Entbehrungen mit ihnen teilte. Ganz anders als der Oberst dachte ich, wischte den Gedanken aber schnell beiseite. Nein, ich würde neutral bleiben. Sachlich, gerecht.

Die Stimmung verschlechterte sich von Stunde zu Stunde. Oberstleutnant Elzin, der Stabschef, inszenierte sogar eine Meuterei. Gegen Mittag erschien ein Stabsoffizier des Atamans im Lager und gegen Abend setzte sich der Oberst zum Hauptquartier des Kosakenkorps ab, verfolgt von einem Mob aus feindseligen Zivilisten. Noch immer war ich der Meinung, es ginge mich nichts an. Doch bald sollte ich mich positionieren müssen.

Der Divisionskommandeur, ein langgedienter und im gesamten Korps äußerst verehrter Generalleutnant, führte eine Untersuchung durch und lud alle Offiziere, Fähnriche und Stabsfeldwebel vor. Auch ich saß auf einer der langen Bänke, die man für die Wartenden aufgestellt hatte, eingequetscht zwischen meinem Leutnant und Major Püttko, einem Mann mit vielen Orden und vielen Titeln. Sein Lieblingswort, das er in jedem zweiten Satz verwendete, war konservativ. »Hör mal, Sirko", raunte der Major mir zu, »jetzt können wir dem Tebarew eine auswischen, ihn vielleicht sogar vertreiben. Du sagst doch gegen ihn aus. Oder? Du weißt doch selbst, dass er nicht zu uns passt. Es soll dein Schaden nicht sein, wenn du dich auf unsere Seite schlägst.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Was geht es mich an, Püttko?«, murrte ich. »Mir ist es egal, wer unser Oberst ist.« Schon döste ich weiter, begutachtet von den ärgerlichen Blicken des hochdekorierten Majors.

»Hauptmann Sirko«, schnarrte irgendwann die müde Stimme eines Adjutanten. Ich war einer der letzten, die zum General beordert wurden. Meinen Körper straffend betrat ich das Zelt des Generals. Der Divisionskommandeur wirkte angespannt, und hinter ihm, einen Galgenstrick in der Hand, stand Oberstleutnant Elzin, der Chef des Regimentsstabs. Ich durfte mich setzen. Der General stellte Fragen über Fragen, aber ich schwieg. Taras der Bär, Sirko der Bequeme. Mir lag es fern, mich in diesem Konflikt einzumischen. Ohnehin scheute ich die Öffentlichkeit und hielt mich gern zurück, abgesehen von gelegentlichen, spöttischen Bemerkungen.

»Hauptmann Sirko, Sie müssen doch eine Meinung haben«, bedrängte mich der General verärgert. »Sie sind ein guter Offizier. Einer der besten in der Division. Aber jetzt und hier geben Sie ein trauriges Bild ab. Oberstleutnant Elzin findet, Oberst Tebarew fügt mit seiner Führungsschwäche dem Regiment Schaden zu. Und Major Püttko nennt ihn einen Lügner. Das kann Sie doch nicht kalt lassen. Also, Sirko, was haben Sie mir zu sagen?«

Ich schwieg weiter. Um keinen Preis wollte ich mich äußern. Doch plötzlich fiel mir eine Soldatin ein. Leutnant beim Korpsstab, klein und zierlich. Sie war sehr klug und konnte wundervolle Texte verfassen. Manchmal ließen ihre Emotionen sie über das Ziel hinausschießen, doch stets korrigierte sie sich. Im Grunde genommen begegnete sie jedem Menschen wohlwollend, auch wenn viele es nicht merkten. Nur mich konnte sie nicht leiden, weil ich bisweilen aufbrausend und ruppig war. Sie hatte sich nicht davon abhalten lassen, Oberst Tebarew zu verteidigen und sich dabei eine blutige Nase zu holen. Jedenfalls, so regte ein Gefühl in mir, konnte ich mir den Schneid nicht von einem Mädchen abkaufen lassen. Ich bat den General frei sprechen zu dürfen. Er nickte überrascht.

»Bei allem Respekt, Herr General«, begann ich, mich erhebend und dem General entgegentretend, »als ich in das Korps eintrat, wurden mich Werte gelehrt. Ehre und Tapferkeit, Loyalität und Kameradschaft, Güte und Mitgefühl. Diese Werte, Herr General, sind das Fundament unseres Handelns, sagte man mir. Gilt das heute nicht mehr? Ist es eines Kosaken würdig, den Galgen für den Kameraden zu errichten, der noch nicht einmal angeklagt ist? Ist es würdig, einen der Unseren unter dem lüsternen Geschrei der Gegner mit der Nagaika aus der Garnison zu treiben? Sie wissen, Herr General, dass ich die Dienstvorschriften oft sehr weit auslege, aber dass mir die Werte des Korps über allem stehen. Wer, sagen Sie, wer sind wir noch, wenn wir dem Gestrauchelten nicht mehr aufhelfen, dem Verfolgten nicht länger Zuflucht bieten, den Schwachen nicht weiterhin schützen und dem Beschuldigten nicht seine Rechte zusichern? Der Oberst mag gefehlt haben. Wie wir alle. Dennoch ist er einer von uns. Es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, ihm beizustehen in seiner Not. Dies sollten wir bedenken. Wir sollten ihm helfen und ihn nicht verjagen. So lautet meine Meinung.«

Ich sah Oberstleutnant Elzin purpurrot anlaufen. Den Galgenstrick um so fester packend, schnappte er nach Luft. Der General lächelte kaum merklich. »Sie können gehen, Hauptmann Sirko. Ich werde Ihre Worte berücksichtigen, bevor ein Urteil gefällt wird.«

Ich verließ das Zelt, stieg auf mein Pferd und galoppierte davon. Statt zum Tross weiterzureiten, verharrte ich auf der Anhöhe über dem Fluss. Ich fühlte mich verlassen. Einsam und leer. Wie würden die Jungs meiner Hundertschaft reagieren? Würde ich der beliebte Anführer bleiben? Ja, sie würden mich verstehen. Nach einem letzten Blick auf die abendliche Silhouette der Stadt vor dem prächtigen Abendrot spürte ich nunmehr das süße Gefühl der Freiheit. Es war Zeit für einen Wodka. Heute hatte ich ihn mir redlich verdient.

ENDE

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