Montag, 20. Oktober 2014

Korrekt bis zur Unvernunft! (1)

Die Güte der Gutmenschen

Man kann es übertreiben. Mit allem. Für einige Mitmenschen kann man nie ›gut‹ genug sein. Schon gar nicht kann man sich ›gut‹ genug artikulieren. Wer vom ›politisch korrekten‹ Sprachgebrauch abweicht, bekommt Hass unterstellt. Und schon fallen Kampfrufe, wie: »Keine Toleranz für Intolerante!« Ganz gleich, ob hinter geäußerten Bedenken die tatsächliche Geringschätzung anderer Menschen steht oder die ernste Sorge um die Zukunft. Bei der Lektüre mancher Online-Beiträge muss man annehmen, dass eine kleine, aber sehr rege ›Troll-Kolonne‹ zur mächtigen Bedrohung für die Demokratie geworden ist. Überall, in Scharen, bemüht man sie - all die Nazis und die Homo-, Frauen- und Migrantenhasser, die den armen ›Gutmenschen‹ verunglimpfen und sich dabei der ›politischen Unkorrektheit‹ bedienen.

In seiner ursprünglichen Bedeutung charakterisiert der Begriff ›politisch korrekt‹ lediglich die Übereinstimmung mit dem Gedanken, nach dem alle Ausdrücke und Vorgänge unterlassen werden sollen, die Gruppen von Menschen verletzen oder beleidigen können, etwa bezogen auf das Geschlecht, die Herkunft oder die Rasse.

Ich persönlich möchte weder eine Gruppe noch eine Person verletzen oder beleidigen. Zwar bin ich der geborene ›potentielle Diskriminierer‹ schlechthin - einfach nur deshalb, weil ich weiß, männlich und heterosexuell bin. Allerdings - und da liegt der Hase im Pfeffer - bin ich persönlich keine Mehrheit, sondern eine einzelne Person. Wie kann ich als Einzelner also eine ganze Minderheit diskriminieren? Indem ich die Worte ›Neger‹ oder ›Zigeuner‹ verwende? Das ist nicht gerade nett, und ich benutze diese Begriffe nicht, aber würde mich die Verwendung zur diskriminierungsfähigen Mehrheit machen? Sorry, aber das widerspräche der Mathematik.

Politisch korrekte Hexenjagd

Das zunehmend spürbare Ergebnis der überhöhten Ansprüche an die politische Korrektheit ist eine Renaissance wenig guter Eigenschaften, wie Denunziation, Anprangerung und Rufmord. Besonders in der Anonymität des Internet wird da eine nette alte Oma, der »die armen Negerkinder leid tun«, schnell zum Opfer eines verbalen Lynchmobs. Wegen eines Wortes, dass während der Kindheit der besagten Dame allgegenwärtig - und nicht grundsätzlich abwertend gemeint - war. Selbst Intellektuelle brüsten sich mit der Enttarnung der AfD als Nazi-Partei, obwohl es sich um eine nationalkonservative Partei handelt. Ähnlich der US-Republikaner, ähnlich der Putin-Partei Einiges Russland. Der Unterschied zwischen dem Nationalsozialismus (Abart des Faschismus) und dem Nationalkonservatismus (Teil des Konservatismus) wird schlicht negiert.

Der Hauptvorwurf: Hass. Hass auf Dies und Das, auf Alle und Jeden. Wer sich vor dem Einschleppen der Seuche Ebola fürchtet, muss ein Rassist sein. Wer sich Gedanken um die menschenwürdige und sichere Unterbringung von Flüchtlingen macht und bestimmte Gruppen nicht gemeinsam unterbringen will, ist islamophob. Wer eine andere Politik will, gilt schnell als undemokratisch.

Menschlichkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind heute linksliberal vereinnahmt. Jedenfalls scheint die Wahl der Worte wichtiger zu sein als der tatsächliche Inhalt einer Aussage. Dabei sind gerade die linksliberal ideologisierten Intellektuellen schnell dabei, andere Menschen sozial anzuprangern. Selbst Facebook-Äußerungen gegenüber ›Freunden‹ finden sich urplötzlich in der Öffentlichkeit wieder. Der ›Freund‹ wird zur Zielscheibe. Er dient als Negativprojektion.

Mehr und mehr prallen in den Disputen der Debattierwilligen deren Maximalforderungen aufeinander. Konsens und Kompromiss sind Begriffe von gestern. Entweder oder. Wer zwischen den Stühlen sitzt und noch eigene Gedanken hegt, ist einfach nur blöd. Die Rechthaberei der Meinungsmacher lässt keinen anderen Schluss zu. Gemeinsame Ziele trotz unterschiedlicher Wege? Fehlanzeige. Höflicher Umgang jenseits der PC? Unnötig. Der ›Klassenkampf‹ tobt heute oben. Wer nicht spurt, wird verbal niedergemacht. Wer nicht sonstwas-phil ist, ist sonstwas-phob. Nichts anderes lässt die linksliberale Ideologie zu. Anders sein ist okay, aber doch bitte nur in Bezug auf Nationalität, Rasse, Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Verständnis für Päderastie, aber bitte nicht für Angehörige einer ›Kinderfickersekte‹.

In einer solchen Welt der verhärteten Fronten und der kaum mehr möglichen politischen Verabredungen zugunsten des Gemeinwohls, täte man gut daran, sich voneinander zu lösen, wie Schiller dermaleinst schrieb, einander gar nicht mehr zu begegnen und schon gar nicht miteinander zu diskutieren.

Auch viele Konflikte auf dieser Welt resultieren daraus, dass Völker - und Menschen - ein solches System übergestülpt bekommen, das ihrer Kultur völlig widerspricht. Hinzu kommen Grenzen, die einst willkürlich gezogen wurden, ohne dass sie die althergebrachten Zugehörigkeiten und Befindlichkeiten der betroffenen Bevölkerungen berücksichtigten. Dazu mehr in einem anderen Beitrag.

Auch hier, im Rahmen der Betrachtung der Welt, scheiden sich die Geister. Zwischen denen, die vor der eigenen Tür potentielle Nazis und Sonstwas-Phobe suchen, und denen, die vom Leid der Welt erschüttert sind und nach Unterstützung für die Bedrängten rufen. Nun gut. Der ›Gutmensch‹, schreibt Heinrich Schmitz im European, engagiert sich, der ›Schlechtmensch‹ fordert eine andere Politik. Notwendig ist allerdings Beides.

Aber das wäre ein Konsens.

WIRD FORTGESETZT

1. Maulender Autor
2. Kasinogespräche
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Elsa fragt den Soldaten
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Sirkos Staniza
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