Freitag, 31. Januar 2014

Sicherheitspolitik

Alle Jahre wieder findet die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Zum 50. Mal treffen sich in diesem Jahr die Vertreter der westlichen Regierungen, ranghohe Militärs und Manager zu Gesprächen über die weltweite Sicherheitslage. Interessant dürfte hier eher sein, was man ohne Anwesenheit von Kameras und Blitzlichtgewittern zu bereden hat, anstatt das für die Öffentlichkeit bestimmte, übliche Gerede. Bemerkenswert ist indes die Eröffnungsrede von Bundespräsident Joachim Gauck, auf die später kurz eingegangen wird.

Zwei Denkschulen

Um die Sicherheitspolitik und die Möglichkeit von Militäreinsätzen überhaupt verstehen zu können, muss man wissen, dass es international zwei Denkschulen gibt. Eine von ihnen geht davor aus, dass ein Eingreifen in Drittstaaten keinesfalls zu erfolgen hat, da innere Belange eines souveränes Staates allein diesen betreffen und von diesem zu lösen sind. Zur Erinnerung: Kein Staat der Welt mischte sich militärisch in deutsche Belange ein, als Konzentrationslager für unliebsame Inländer errichtet wurden. Für die Vertreter dieser Richtung steht die Souveränität des Nationalstaates im Vordergrund, was immer auch geschehen mag.

Die andere Denkschule rechtfertigt das militärische Eingreifen von Drittstaaten, wenn dadurch eine gefährdete Region stabilisiert wird oder schwersten Menschenrechtsverletzungen, bspw. Genoziden, ein Ende bereitet wird. Und es geht darum, ein Übergreifen eines Krieges auf weitere Staaten im Vorfeld zu verhindern. Kern dieser Denkrichtung ist das Verständnis von Staaten als Bestandteil der Völkergemeinschaft, weswegen auch schlussendlich die Entscheidung über ein militärisches Eingreifen beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen liegt.

Der Bundespräsident

Auch in Deutschland findet man Vertreter beider Denkschulen (und dazwischen Ideologen und Parteigänger - und ganz besonders - viele Uninformierte). Während nun der Bundespräsident und die Bundesverteidigungsministerium ein stärkeres militärisches Engagement unter gewissen Voraussetzungen für sinnvoll erachten und auf Deutschlands internationale Verpflichtungen verweisen, wendet sich der Bundesaußenminister zögerlich dagegen. Letzterer trifft damit den Nerv der Zeit, in der man sich sogar derart entblödet zu behaupten, ohne die Intervention Frankreichs in Mali wäre der Globus sicherer. Was die Malier dazu sagen, wird in den hiesigen Medien leider nicht berichtet.

Die glückselig anmutende Oase Deutschland, als wichtige Industrie- und Exportnation auf den sicheren Handel und den Zugriff auf Rohstoffe besonders angewiesen, macht sich nur wenig Gedanken hinsichtlich der Gewährleistung der notwendigen Voraussetzungen. Man kann der Bevölkerung bestimmte Maßnahmen einfach nicht plausibel erläutern. Weil manche Leute hierzulande sowieso nicht hören wollen, was andere Staaten längst eingesehen haben. Dass wir nämlich in einer gefährlichen Welt mit vielseitigen Bedrohungen leben und in der die Kriegsgefahr regional eher gestiegen als gesunken ist. Joachim Gaucks Vorgänger Horst Köhler trat sogar wegen einer politisch unklugen, aber sachlich richtigen Aussage betreff möglicher Militäreinsätze zurück.

Macht und Wirksamkeit der Medien

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich weniger Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte. Lieber möchte man mit Diplomatie und Geld unterstützen. Nett gedacht, aber nicht immer machbar. Mit wem wollte man in Somalia verhandeln? Wem würde man dort Geld in die Hand geben? Das Land ist völlig zerrissen, in jedem Landesteil herrscht nach Gutdünken eine andere Miliz und die Hauptstadt wird von kenianischen Truppen gehalten, sonst wäre auch sie längst in der Hand einer Soldateska. Ausländer sind dort nicht willkommen, der katholische Bischof von Mogadischu wurde in seiner Kathedrale erschossen usw. Oder wen würde man in Syrien als allgemein von der Mehrheit der Syrer anerkannten Gesprächspartner akzeptieren und wen finanziell unterstützen? In diesen Tagen geht die Syrienkonferenz ergebnislos zu Ende.

Und wer befasst sich überhaupt mit der globalen Sicherheitslage? Die deutschen Medien nur in sehr geringem Maße. Derzeit hat man sich an der Ukraine festgebissen, doch die Situation in Somalia und Mali, in der Zentralafrikanischen Republik und Südsudan sind weitestgehend unbekannt. All das Leid der von den Bürgerkriegen in diesen Ländern geht unter, zwischen Outings von früheren Fußballstars, zwischen Dauerdebatten über die Energiewende, die Klimaerwärmung, das Dschungelcamp, Schuhfarben, die Homo-Ehe und darüber, wer mit wem ins Bett gehen darf und wer besser nicht.

Wer also etwas über Mali wissen möchte, muss ausländische Medien nutzen und sich das Wesentliche herausfiltern. Seltsamerweise bringen dank anderer Berichterstattung bspw. die Franzosen weit mehr Verständnis und Unterstützung für die Einsätze ihrer Präsidialarmee auf, als die Deutschen für ihre Parlamentsarmee - ohne dabei kriegslüstern oder herzlos zu sein, wie man als Befürworter von Militäreinsätzen bis zur Übersättigung zu hören und lesen bekommt. Würde man das Elend in den Bürgerkriegsgebieten häufiger vor Augen gehalten bekommen, was eigentlich zu den Aufgaben der Medien gehört, sähe man manche Dinge gewiss etwas anders.

Man fragt sich nach Sinn und Zweck

Siebzig Prozent der Deutschen, Frau von der Leyen und viele Soldaten sehen die Vereinbarkeit von Familie und Dienst als wichtige Angelegenheit. In anderen Ländern staunt man da nur. Aber nun gut, bei der gegenwärtigen Zusammensetzung unserer Streitkräfte muss das nicht verwundern, und was wir mit der Bundeswehr überhaupt anfangen wollen, weiß auch kaum jemand. Es fehlt nämlich etwas, das weder die Deutschen noch die Verteidigungsministerin zu vermissen scheinen: eine eigene Strategie.

Denn derzeit läuft die deutsche Sicherheitspolitik den Ereignissen hinterher. Ebenso den Akteuren. Die USA oder Frankreich preschen voran, Deutschland läuft ihnen nach. Irgendwie, irgendwo, irgendwann. Eigene geopolitische Ambitionen, geschweige denn Konzepte und Planungen, die über reine Wirtschaftsfragen hinausgehen, gibt es hierzulande nicht. Auch keine genaueren Überlegungen, wie die deutsche Sicherheitspolitik der Zukunft aussehen soll. Zu bequem sind die Deutschen, zu tief verfallen in die Zufriedenheit, sich hinter der historischen Schuld verstecken zu können. Andere sollen es richten. Wir nicht. Wir sind friedfertig.

Unterdessen überrollen der Terrorismus und der Islamismus halb Afrika. Zweifelhafte Wirtschafts- und Handelspartner Deutschlands, wie Saudi-Arabien und Katar, unterstützen den Vormarsch mit Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit dem schwarzen Gold. Und die meisten Deutschen jubeln. Denn einen Krieg, den man nicht sehen kann, gibt es auch nicht. So einfach ist das.

Taras Sirko
jenseits des Meeres

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