Montag, 24. November 2014

Werde ich Verfassungsschutzopfer?

Gemäß des Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsschutzes soll seine Behörde sich künftig auch mit der Überwachung von Menschen befassen, die sich in Netzwerken, auf Blogs oder Foren aus der Sicht des Dienstes positiv über die Politik Russlands äußern. Laut Herrn Maaßen »muss man sehen, wer dahinter steckt.« Mit anderen Worten: Wer gänzlich oder teilweise die russischen Positionen im Ukraine-Konflikt verteidigt, steht pauschal unter dem dringenden Verdacht, ein russischer Agent und Provokateur zu sein. Dass es hierzulande auch noch einige »Selbstdenker« gibt, die der vorgegebenen Regierungshaltung nicht blindlings folgen, sondern sich zur Meinungsbildung breit informieren möchten, scheint nicht mehr ins Bild dieses Nachrichtendienstes zu passen. Schon gar nicht versteht man dort noch, dass Menschen einfach nur Interesse an anderen Menschen haben, anstatt sich untertänig an der Regierung, der Politik, an weiten Teilen der Medien und all deren ideologischen Vorgaben zu orientieren.

Obwohl ich persönlich eigentlich vordergründig über Menschen in Kriegsgebieten berichte, zu denen in der jüngeren Vergangenheit auch andere Krisenländer gehörten, und dabei aktuell die Menschen auf der pro-russischen Seite näher betrachte, gehöre ich wohl auch zu Herrn Maaßens neuem Feindbild. Auch wenn ich oft genug westliche und NATO-Positionen verteidigt habe. Nun denn, ich war schon immer der Ansicht, dass man seine Haltung auch dann verteidigen muss, wenn es unbequem wird. Das habe ich schon immer so gehalten und werde es auch weiterhin tun.

Die Aussage des obersten deutschen Inlandsgeheimdienstlers untermauert die Positionen einer wachsenden Zahl von Menschen, die ohnehin ein Abtriften unserer Demokratie in eine »Meinungs- und Gesinnungsdiktatur« zu erkennen glauben. Es gehört nun mal zu den Gepflogenheiten einer Demokratie, dass Parteien und Bürger unterschiedliche Ansichten vertreten, sich deshalb in den Haaren liegen und mehr oder minder scharfe, kontroverse Dauerdebatten führen. Aber es bahnt sich hier die Entstehung einer neuen »Qualität« an: Eine staatliche Behörde überwacht die bloßen Meinungen der Bevölkerung und nimmt nachrichtendienstliche Einstufungen dieser geäußerten Ansichten vor. Der Denker, überhaupt der Nachdenkliche, kann leicht als feindlicher Agent gebrandmarkt werden. Das ist gefährlich und erinnert zudem an die Verfahrensweisen der gottlob überwundenen Diktaturen der deutschen Vergangenheit.

Der Verfassungsschutz soll die Verfassung schützen, also das deutsche Grundgesetz. Die schützenswerten höchsten Rechtsgüter wären diesbezüglich bspw. das Recht der Menschen auf informelle Selbstbestimmung und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Stattdessen beabsichtigt der Dienst im vorauseilenden Gehorsam - oder auf Weisung - die Überwachung jener Bürger, die eine von den gegenwärtigen Ansichten der Politik und der Regierung abweichende Meinung vertreten. Das ist alles andere als freiheitlich und demokratisch.

Vielleicht hatte AfD-Chef Bernd Lucke sogar ein Stückweit recht, als er von einer Demokratie sprach, die zunehmend die Gestalt verliert (den genauen Wortlaut erspare ich mir). Unter Verweis auf eine teils reale und teils abstrakte, aber schier allgegenwärtige Terrorgefahr wird der einzelne Mensch mehr und mehr gläsern - und wird mit stetig wachsendem Argwohn behandelt. Selbst wenn man nur einen gewissen Faible für Russland hat. Weil man dieses Land und seine Menschen liebt. Weil man eine russische Urgroßmutter hat und daher die »russische Seele« eher versteht als andere. Oder weil man kein konsumgeiler Einkaufskasper ist und noch ein paar andere, nicht-materielle Ideale vertritt.

Es zeigt sich erneut die üblich gewordene »Feigheit vor dem Feind«, mit der hier agiert wird. An Russland selbst wagt man sich natürlich nicht heran, also versucht man sich am eigenen, nicht regierungskonformen Bevölkerungsteil schadlos zu halten. Aber die Demokratie verliert an Wert, wenn die Menschen nur wegen der Äußerung ihrer Ansichten in den Fokus eines Geheimdienstes geraten, der zudem selbst einer Dauerkritik wegen »Farbenblindheit« ausgesetzt ist. Damit erzeugt man das Gefühl der Beklemmung und eine Kultur der Angst. Und das ist zutiefst undemokratisch.

Zur Quelle!

1. Maulender Autor
2. Kasinogespräche
3. Zeitgeschehen
4. Nazis gegen rechts
Akte Bundeswehr
Akte Unsinn
Akte Weltordnung
Elsa fragt den Soldaten
Russischer Frühling
Sirkos Staniza
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren