Montag, 1. Juni 2015

Transnistrien II

Zurück nach Osteuropa. Zurück zum Krieg im Donbass und den Zuständen in der Ukraine. Dass die Regierung des ukrainischen Präsidenten Poroschenko ein wenig an eine Mischung aus White House und Fremdenlegion erinnert, mutet verwunderlich genug an. Doch nun hat Poroschenko endgültig den Bock zum Gärtner gemacht. Oder korrekt: den georgischen Ex-Präsidenten und Promi-Exilanten Micheil Saakaschwili zum Gouverneur von Odessa. Dafür gab der Georgier eigens seine frühere Staatsbürgerschaft ab - was ihm von der dortigen Regierung heftige Kritik einbrachte. Verständlich.

Ausgerechnet Micheil Saakaschwili! Werfen wir einen kurzen Blick auf seine schillernde Persönlichkeit, deren Amtssitz als georgischer Präsident (2004 bis 2013) mehrere hundert Millionen Euro verschlungen hat. Im Grunde genommen sind wir wieder bei ›guten‹ und ›bösen‹ Diktaturen - wobei die pro-westlichen immer die ›Guten‹ sind. In seinem Herkunftsland Georgien wird Saakaschwili indes mit Haftbefehl gesucht. Zu den Vorwürfen gehören vor allem Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit und Veruntreuung, aber vermutet werden auch Anstiftung zu Mord und Folter.

Während der Massenproteste gegen ihn in Tiflis 2007 verhängte Saakaschwili sogar den Ausnahmezustand. Er ließ die friedfertigen Demonstranten, die ihm Versagen im Kampf gegen Armut und Korruption sowie autoritäres Regieren vorwarfen, mit Wasserwerfern und Tränengas auseinander treiben. Auch die Verantwortung für den Kaukasuskrieg 2008 um die De-facto-Staaten Südossetien und Abchasien lastet sein ehemaliges Volk ihm schwer an. Saakaschwili wird vorgeworfen, die harsche Reaktion Russlands in Form einer militärischen Intervention maßgeblich verursacht zu haben. Der Konflikt kostete etwa 850 Menschen das Leben, um die 3.000 wurden verletzt, die georgische Armee wurde völlig zerschlagen. Seine Wiederwahl erfolgte sehr knapp, nur weniger als 60 Prozent der wahlberechtigten Georgier nahmen an der Abstimmung teil. 2013 setzte Saakaschwili sich in die USA ab.

Jedenfalls begab sich Saakaschwili nach dem Ausbruch der Unruhen auf dem Maidan aus dem US-Exil in die Ukraine und gehörte schnell zu den ausländischen ›Einpeitschern‹. Daneben forderte er nach Ausbruch des Krieges im Donbass seine amerikanischen Freunde zu einer »militärischen Lösung der Krise« auf. Gemeint war wohl: Die USA sollten einen Krieg gegen Russland beginnen.

Doch endlich zu Transnistrien. Der nachstehende Kartenausschnitt zeigt die Lage der kleinen, nicht anerkannten Republik zwischen Moldawien und der Ukraine. Sie grenzt im Osten unmittelbar an die ukrainische Oblast Odessa an - in deren gleichnamiger Hauptstadt nunmehr der verhinderte ›Sonnenkönig‹ und Russenhasser Saakaschwili als Gouverneur residiert. Ein Mann, der im Krieg gegen Russen, Südosseten und Abchasen auch ukrainische Neonazis für sich kämpfen ließ.

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Karte: Transnistrien und Umgebung

Nicht nur, dass Saakaschwilis Ernennung eine offensichtliche Provokation Russlands und des pro-russischen Bevölkerungsanteils in der Ukraine, besonders in Odessa selbst, darstellt, nein, diese Personalentscheidung verschärft das gesamte Umfeld des Konflikts und die Spannungen zwischen den Hintergrundmächten und den Nachbarregionen. Gemäß Poroschenko soll Saakaschwili nicht nur über Odessa herrschen, sondern auch um internationale Unterstützung werben.

Ein erneutes Aufflammen des Konflikts zwischen Transnistrien und Russland einerseits und Moldawiens und der Ukraine andererseits kann durch verbales Zündeln und totale Blockade des kleinen Gebietsstreifens jederzeit hervorgerufen werden. Und Saakaschwili ist für unbedachte Äußerungen bekannt (falls er nicht gerade auf seiner Krawatte herumnagt). Wie gefährlich die Situation geworden ist, verdeutlichen die Worte des stellvertretenden Sprechers der Russischen Staatsduma, Sergey Zheleznyak: »Wenn ein Angriff auf die 160.000 Bürger Russlands, einschließlich der Friedenstruppen, stattfindet, wird Russland nicht zuschauen, dann wird das Regime in Kiew fallen.«

Man kann nur inständig hoffen, dass ein solches Szenario ausbleibt. Unwahrscheinlich ist es indes keineswegs. Die Möglichkeit, die Russische Föderation unmittelbar in einen regionalen Konflikt hineinzuziehen, steigert erheblich die Gefahr eines größeren Krieges, in dessen Verlauf die NATO indirekt Unterstützung an Kiew und Chisinau leisten müsste, um ihren Einfluss nicht zu verlieren. Wie auch immer, jedenfalls nähme Russland es nicht hin, wenn ukrainische Soldaten auf die russischen Einheiten in Transnistrien feuern würden. Für die Ukraine wäre dies der letzte Akt im jämmerlichen Schauspiel der neobanderistischen Umtriebe.

Für die Menschen in Odessa auf der pro-russischen Seite dürfte sich zumindest eine letzte Hoffnung zerschlagen haben. Es wird unter einem Gouverneur Saakaschwili keine Aufarbeitung der faschistischen Verbrechen an den unbewaffneten Demonstranten geben, die im Mai letzten Jahres im niedergebrannten Gewerkschaftshaus ihr Leben verloren haben.

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