Dienstag, 24. Januar 2017

Russisch vs. Ukrainisch

Mehr als 60 Prozent der Menschen in der Ukraine verwenden als Verkehrssprache die russische Sprache. Unter den Abgeordneten der Rada sind es sogar rund zwei Drittel (ebenso viele haben russische Wurzeln), bei den Ministern sind es knapp die Hälfte. Dies ist die in Jahrhunderten gewachsene Realität.

Dennoch setzt sich Ihor Lutsenko, Abgeordneter der Partei «Vaterland» in der Rada, dafür ein, die russische Sprache aus dem Alltag zu verbannen - und aus dem Parlament. »Wer Russisch spricht, soll künftig die Klappe halten«, findet er. Dabei nutzen selbst viele Deputierte der nicht ganz rechten Parteien in der Rada lieber die russische als die ukrainische Sprache.

Lutsenko rät auch zum Erwerb von PC-Tastaturen mit ukrainischen Schriftzeichen, die geringfügig anders als die russischen sind. Doch in fast allen Computergeschäften in der Ukraine gibt es gegenwärtig keine solchen Tastaturen zu kaufen, da sie kaum nachgefragt werden.

Wie gesagt, bei den Russischsprachigen handelt es sich weder um eine Minderheit noch um in die Ukraine neu Zugewanderte, sondern um eine Mehrheit, die schon immer dort lebt. Russisch und Ukrainisch existierten parallel, die meisten Menschen sprechen beide Sprachen. Aber ich kenne es noch aus eigenem Erleben in der Vergangenheit, dass die Ukrainischsprachigen wegen der seltenen Verwendung ihrer Sprache beinahe Minderwertigkeitskomplexe entwickelt hatten.

Nun wird der Vorschlag Lutsenkos kaum auf Gegenliebe stoßen. Viele sehen den Vorstoß sogar als eine Form der Apartheid. Ich persönlich sehe ihn als einen weiteren Schritt in einen nationalistisch-bäuerlich geprägten Staat. Denn das Russische war und ist in der Ukraine vorrangig die Sprache der Menschen in den Bildungs- und Industriezentren.

Woran liegt das? Eigentlich ganz einfach. Wie das Lateinische in Westeuropa zur notwendigen gemeinsamen Sprache der Gelehrten vieler Völker wurde, war es unter den Völkern der Rus das Russische. Im Vielvölkerstaat bedurfte es einer gemeinsamen Sprache in Wissenschaft und Kunst, in Kultur und Alltag, besonders für jene, die über ihre Stadt- und Dorfgrenzen hinaus agierten. Während Latein später aus dem Alltag weitestgehend verschwand, hat sich Russisch als gemeinsame Sprache der ostslawischen bzw. postsowjetischen Völkern bis heute erhalten.

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