Sonntag, 29. Januar 2017

Neulich im Garten

Im Rahmen der alljährlichen stationären Routineuntersuchung begab ich mich mit meinem Bettnachbarn in den Garten. Zum Raucherpavillon. Wir plauderten über Dies und Das, und irgendwann kam er auf die Lage im Donbass zu sprechen. Ich begann notgedrungen meine Sichtweise ausführlich zu schildern. Nach und nach gesellten sich weitere interessierte Menschen hinzu, darunter auch ein Ukrainer und ein Kosovare.

Ich hörte vielfach „Ah?“ und Oh!“, oft die Aussage: „Das wusste ich gar nicht.“ Ob ich alle Anwesenden von meiner Sicht überzeugen konnte, blieb offen. Man diskutierte nicht, man hört zu und stellte Fragen. Zumindest konnte ich Neugier erwecken - und auch Verständnis für die ihnen fremde Seite hervorrufen. Selbst vom Ukrainer und vom Kosovaren. Da war plötzlich eine nachdenkliche Stimmung entstanden.

Als das Grüppchen sich auflöste, nahm jeder seine eigenen Gedanken mit auf das Zimmer. Mein neuer Kumpel und ich blieben noch zurück und redeten über eine Welt, in der sich alle Menschen unabhängig ihrer Hautfarbe, Nationalität, Religion zusammenfinden und friedlich miteinander leben würden. Das müsste doch gehen, fand er, weil wir ja allesamt Menschen sind.

Ich fand sein Szenario zwar schön, aber widersprach. Selbst wenn alle Menschen die gleiche Hautfarbe, Nationalität und Religion hätten, würden sich neue Gruppen bilden und die bestehenden ablösen, weil wir ja allesamt Individuen sind. Unsere Interessen sind unterschiedlich, argumentierte ich, und so würden die Konflikte sich nur verlagern. Am Entstehen von Konflikten würde sich nicht einmal bei nahezu absoluter Gleichheit etwas ändern.

Denn Konflikte beruhen nicht nur auf Hautfarbe oder Religion. Der schwarze Besitzlose fühlt sich dem schwarzen Milliardär nicht näher als der weiße Besitzlose dem weißen Milliardär. Oder sollte sich gar der weiße Besitzlose dem schwarzen Milliardär verbunden fühlen? Oder umgekehrt?

Was, wo starke Minderheiten sich schwachen Mehrheiten beugen sollen? Was, wenn eine Mehrheit von 50,01 Prozent eine Minderheit von 49,99 Prozent fortwährend überstimmt? Wenn statt des Gemeinnutzes für 100 Prozent nur der Eigennutz für 51 Prozent von Belang ist? Und leben wir nicht bereits in der von mir skizzierten Welt?

Ich denke: Ja. Ich finde sogar darüber hinaus, dass längst bunte Minderheiten über ebenso bunte Mehrheiten bestimmen. Nur sind die Minderheiten im Gegensatz zu den Mehrheiten straff organisiert und entsprechend wahrnehmbar. Die Mehrheiten lassen sich zu leicht auseinander bringen und übersehen ihre gemeinsamen Interessen. Auch darüber habe ich an diesem Abend geredet. Und auch dafür erntete ich mehrheitliche Zustimmung.

Für eine kurze Abendstunde lang war ich ein Volkstribun ;-)

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