Donnerstag, 9. Februar 2017

Ein Dresdner Kunstwerk

Drei aufrecht stehende Busse sorgen derzeit in Dresden für Aufsehen. Ein deutsch-syrischer Künstler hat sie als Kunstwerk installiert, mit dem an die Opfer des syrischen Bürgerkriegs erinnert werden soll. Hierzu muss man erst mal wissen, dass in Aleppo Busse hochkant als Sichtschutz aufgestellt wurden. Ansonsten könnte das Kunstwerk auch «Auffahrunfall» heißen.

Nun sehen nicht wenige Dresdner darin ihre eigene kollektive Erinnerung an die Höllennacht der Bombardierung der Stadt durch westalliierte Flugzeuge gestört, bei der um die 20.000 Zivilisten den Tod fanden. Die Gegenseite argumentiert, man müsse ALLER Kriegsopfer gedenken. Aber warum ausgerechnet in Dresden? Und warum ausgerechnet jetzt?

Zu Dresden habe ich einen familiären Bezug. Ein mittlerweile verstorbener Onkel, der mir sehr nahe war, erzählte mir, er wäre damals, während der Flucht mit seiner Familie aus der zur Festung erklärten Stadt Breslau, mitsamt seiner Kolonne in einem Bahntunnel gestrandet und hat die Bombardierung Dresdens aus der Nähe mit ansehen müssen. Möglicherweise hat der Tunnel ihm und seinen Lieben das Leben gerettet.

Als junger Mann war ich ohnehin oft zweigespalten. Denn altvordere Verwandte kämpften auf beiden Seiten des mörderischen Vernichtungskrieges Hitlerdeutschlands gegen die Sowjetunion. Unmittelbar Beteiligte erzählten unterschiedliche Geschichten, und ich weiß sehr gut, dass die kollektiven Erinnerungen hier und dort sich stark voneinander entscheiden.

Jede Bevölkerung und jede Bevölkerungsgruppe erinnert sich auf die eigene Weise, trauert zuerst um ihre eigenen Verluste. Wirft man nun sämtliche Erinnerungen, alte wie neue, in einen Topf und verquirlt sie gut, dann wird die kollektive Erinnerung verdünnt und verwässert, bis sie eines Tages gänzlich aus dem Bewusstsein verschwindet und nur eine blasse, leere Hülle zurücklässt. Ein neuer Allerweltstrauertag ohne Bezug auf ein tatsächliches Ereignis.

Sicher darf man um die Opfer in Aleppo trauern. Man sollte es sogar. Man darf dabei aber nicht vergessen, wer den Krieg in die Stadt trug. Die Bevölkerung von Aleppo, einer Stadt des Handels und der Künste, wollte sich am Aufstand nicht beteiligen. Doch die Opposition - und an ihrer Seite die Islamisten - brachten den Krieg auch dorthin.

Vielleicht sollte an jenem Tag der Opfer des syrischen Bürgerkrieges gedacht werden, an die Menschen, denen der blutige Konflikt unverschuldet aufgenötigt wurde und die ihm kaum entrinnen konnten, und gleichzeitig den Dresdnern ihre Erinnerungen belassen bleiben. Doch auf diese Weise wird Geschichte verzerrt und aus einem Kunstwerk wird wieder einmal vorrangig ein politisches Statement.

Zeitgleich werden weitere politische Statements zum Thema als ungerechtfertigt verworfen. Punkt. Wir betreten erneut das Reich der Extreme.

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