Mittwoch, 15. April 2015

Der stille Don

FÜR ELSA

Das große Werk Michail Scholochovs ›Der stille Don‹ beschreibt die Geschichte des Donkosaken Grigori Melechov und dessen tiefe innere Zerrissenheit. Er ist mit wohlhabenden Natalja verheiratet und liebt die schöne Aksinja. Er wendet sich zuerst den Bolschewiki zu und kämpft dann doch für die Weiße Armee. Zuletzt schließt er sich sogar einer Räuberbande an. Auch Boris Pasternaks Romanfigur Doktor Juri Schivago ist hin- und hergerissen zwischen Ehefrau Tonja und seiner Geliebten Lara, er wandelt sich nach Irrungen und Wirrungen vom sozialistisch Gesinnten zum Dissidenten.

Beide Autoren, Scholochov wie Pasternak, beschreiben in ihren Büchern die ureigene russische Seele in ihrer Standfestigkeit und Wankelmütigkeit, sich oft hin und her bewegend zwischen Euphorie und Lethargie, zwischen nüchternem Pragmatismus, brodelndem Überschwang und stiller Melancholie.

Dass es mir manchmal ebenso ergeht, ist wohl meinem urgroßmütterlichen, russisch-kosakischen Erbe geschuldet. Es beinhaltet, dass ich auf nahezu identische Situationen höchst unterschiedlich reagiere, dass mich ein und das Selbe mal aufregt, mal mit einem Schulterzucken quittiert wird, in meinen Augen mal bedeutsam und mal uninteressant ist. Und Ideen oder Ideale müssen, sofern sie mich erreichen wollen, groß sein. Dafür oder dagegen, selbst trotz mancher Zweifel loyal zu jenen, die ich ›meine Leute‹ nenne.

Auch im II. Weltkrieg war es so, dass der russische Bär erst dann erwachte, als die deutschen Faschisten und ihre Verbündeten tief in sein Heimatland eingedrungen waren und dessen Fortbestehen ernsthaft bedrohten. Es ist sogar eine der Gemeinsamkeiten der Russen mit den Deutschen, lange Zeit stillschweigend oder leise murrend zu erdulden und zu ertragen, bis sie sich erheben und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ebenfalls gemeinsam: dann kommt es dicke.

Dies gilt auch für den Donbass und seine Menschen. Es kann nicht einen halben Frieden geben, keine halbe Autonomie. Dazu ist es zu spät. Der sehnliche Wunsch nach Frieden und das gleichzeitige aufopferungsvolle Streben nach Autonomie schließt einen Burgfrieden nämlich aus, auch wenn der Wille zum Frieden ebenso stark ist, vielleicht noch stärker ist, als die Sehnsucht nach Freiheit.

Da ist eine einzige Gewissheit: Es geht immer weiter. Nach einer Zeit des Winters und der Finsternis kommt eine Zeit des Frühlings und des Lichts. Mit Zuversicht und Gottvertrauen verwandelt die längste Nacht sich wieder in einen sonnigen Tag. Irgendwann. Auch wenn der einsame Lichtstrahl noch hinter dichten schwarzen Wolken verharrt.

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