Montag, 14. Dezember 2015

Pavel Dremov - Kosak und Ataman

In einem der zahllosen Polittalks im deutschen Fernsehen listete dermaleinst die Grüne Marielouise Beck jene Berufe auf, deren Ausübende keinen Staat aufbauen könnten. Benannt wurden seitens der selbstherrlichen Dame u.a. Elektromechaniker (A. Zaharchenko), Lokführer (M. Tolstych) und Sänger (A. Mozgovoy). Pavel Leonidovich Dremov (gesprochen: Dryomov) wäre in dieser Auflistung der Maurer gewesen.

Ungeachtet der Verachtung des fernen deutschen Politbürgertums für Menschen mit nichtakademischen Berufen gehörte - und gehört - Pavel Dremov in seiner Heimatregion Lugansk zu den Helden von Novorossia. Er ist ein Idol für viele Menschen in der Ostukraine. Hierzulande dürfte den meisten Menschen sein bewegtes Leben ebenso wenig bekannt sein, wie sein Sterben.

Wer also war Pavel Dremov?

In wenigen Tagen, am 22. Dezember, hätte er seinen 39. Geburtstag feiern können. Doch der 1976 im ostukrainischen Kadievka - heute Stachanov - geborene Donkosak kam am 12. Dezember 2015 ums Leben. Er starb infolge eines hinterhältigen Mordanschlags: Eine Autobombe tötete ihn auf der Strecke zwischen Pervomaisk und Stachanov. Sein Fahrer blieb zunächst am Leben, erlag aber seinen Verletzungen, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen.

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FOTO 1 - Pavel Dremov zu Beginn des Konflikts

Doch nicht über Pavel Dremovs Tod will ich berichten, sondern aus seinem Leben erzählen. Wie so oft stehe ich vor dem Problem, dass es kaum etwas aus der Zeit vor dem Krieg im Donbass zu schreiben gibt. Auch Pavel Dremov war ein ganz normaler Einwohner der östlichen Ukraine, der sich nicht von der großen Mehrheit der Bevölkerung abhob. Ein unauffälliger und uninteressanter Durchschnittsbürger, so scheint es zunächst.

Das wenige Bekannte vor dem Frühjahr 2014: Dremov war gebürtiger Donkosak und wuchs im Donbass auf. Dort erlernte er den Beruf eines Maurers, den er auch ausübte. Gedient hatte er in den ukrainischen Streitkräften. Bereits als junger Mann engagierte er sich in der Kosakenbewegung. Und er kümmerte sich um seine alte Mutter. Unbestätigten Aussagen zufolge habe er als 16-Jähriger als Freiwilliger in Transnistrien gekämpft. Durch Zeugen belegt ist hingegen seine Teilnahme am 2. Tschetschenien-Krieg auf der Seite der russischen Streitkräfte.

Mit dem Sturz der rechtmäßigen Regierung in Kiew, dem sogenannten Euromaidan und dem Ausbruch des Ostukrainekonflikts im Frühjahr 2014 geschah etwas, das einer Frau Beck als Unmöglichkeit erscheint: Der einfache Maurer Pavel Dremov betritt die Bühne des politischen Zeitgeschehens und stellt seine Begabung als Organisator und Anführer unter Beweis. Der einfache Kosak wird zum Mitinitiator der nicht anerkannten Lugansker Volksrepublik.

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FOTO 2 - Dremov redet in Stachanov (2.v.l.: Evgeniy Ishchenko)

Pavel Dremov gehörte zu den ersten pro-russischen Aktivisten in Lugansk. Anfangs ist sein Werdegang eng mit einem anderen Donkosaken verbunden: Aleksey Borisovich Mozgovoy. Über den legendären Brigadekommandeur und seinen Verband wurde hier vieles geschrieben. Doch heute steht die Erinnerung an Dremov im Mittelpunkt.

Populär wurde Pavel Dremov, als er am 6. April 2014 mit einer Gruppe Kosaken die Lugansker Zentrale des ukrainischen Militärgeheimdienstes SBU stürmte und dort u.a. eine nicht unerhebliche Anzahl Kleinwaffen erbeutete. Anschließend ging er als Kommandeur einer rund hundertköpfigen Kosakenabteilung der Lugansker Volksmiliz Mozgovoys nach Severodonezk.

Im Sommer 2014 wurden Mozgovoy und Dremov mit ihrer Miliz im Raum Lisichansk von der ukrainischen Armee eingekesselt und von jeder Unterstützung abgeschnitten, doch gelang den beiden Kommandeuren mit ihren Gruppen der Durchbruch nach Süden. Größere Verluste konnten vermieden werden. Allerdings trennten sich hier die Wege Dremovs und Mozgovoys.

Während Mozgovoy nach Alchevsk ging, begaben Dremovs Kosaken sich nach Pervomaisk, Stachanov und Bryanka. Dort vereinigten sie sich mit lokalen Milizen zur Kosakennationalgarde unter dem Donsker Marsch-Ataman Nikolai Kozitsyn. Es entstand das Kosakenregiment ‹Platov› unter Dremovs Kommando. Das Regiment kämpfte an der Lugansker Nordfront, um die Blokposts entlang der Bakhmutska-Trasse, im Kessel von Debalcevo.

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FOTO 3 - Dremov wird wegen Tapferkeit bei Debalcevo ausgezeichnet

Nach Diskrepanzen zwischen Ataman Kozitsyn und dem Lugansker Republikchef Igor Plotnizki und dem Weggang Kozitsyns stieg Dremov zum Kommandeur der Kosakennationalgarde auf. Im Rang eines Generalmajors der Großen Donarmee wurde er Kommandeur der Zentralfront der Kosakennationalgarde. Zudem war er der Ataman der Kosakenrepublik Stachanov.

Geblieben waren die Konflikte zwischen Plotnizki und den Kosaken. Während der Republikchef Kohle an die Ukraine liefern wollte, stellten Mozgovoy und Dremov sich dagegen. Die beiden Atamane warfen Plotnizki vor, die Idee eines geeinten Novorossia zu verraten, um seine Macht als Oberhaupt der Lugansker Volksrepublik zu erhalten, und beschuldigten ihn der Veruntreuung von Hilfsgütern aus Russland. Überhaupt forderten die Kosaken eine Volksdemokratie anstelle der parlamentarischen Republik ein. Die Kosakenrepublik blieb nur aus, weil Mozgovoy sich gegen Wahlen im Kriege aussprach und somit nicht gegen Plotnizki kandidierte.

Pavel Dremov war hingegen kein Politiker. Ihm fehlten diesbezügliche Ambitionen. Der Ataman bezeichnete sich selbst als Anhänger einer sozial gerechten Monarchie. Gerechtigkeit und Egalität gehören neben Christgläubigkeit, Freiheitsdrang und Tapferkeit zu den großen Tugenden aller Kosaken.

Schon während der gemeinsamen Aktionen mit Aleksey Mozgovoy war Letzterer der unermüdliche Organisator und Dremov der umsichtige Ausführende vor Ort. Beide gemeinsam hätten Großes vollbringen können! Aber beide fielen feigen Anschlägen zum Opfer. Verantwortliche für die Taten konnten nicht ermittelt werden. Doch heute ist ohnehin nicht der Tag für Schuldzuweisungen.

Jedenfalls kam es vor Dremovs Tod zu einem Burgfrieden mit Plotnizki. Aus dem Kommandeur der Kosakennationalgarde im Rang eines Generalmajors wurde im Rahmen der Bildung des einheitlichen Armeekorps der Lugansker Volksrepublik der Kommandeur des 6. selbständigen motorisierten Schützenregiments im Rang eines Obersten. Eine Degradierung. Doch Pavel Dremov legte sowieso keinen Wert auf Titel, Orden und Schnörkel. Trotz seines Aufstieges in der Kosakenhierarchie blieb er stets ein einfacher Mann, der für die Menschen im Donbass lebte, kämpfte und schließlich starb.

Am Tag vor seinem Tod hat Pavel Dremov geheiratet. Seine Ehefrau, heißt es, stammt aus Sankt Petersburg und arbeitete eine Zeit lang als Reporterin im Donbass. Ihr Schmerz muss unermesslich sein.

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FOTO 4 - Bürde des Kommandos: Dremovs Bart ist grau geworden

Ruhe in Frieden, Pavel Leonidovich, Bruder im Geiste, tapferer Kosak und pflichtbewusster Ataman, möge die Erde dir leicht wie ein Daunenbett sein. Der dritte große Sohn vom Don bist du, den wir nach Evgeniy Ishchenko und Aleksey Mozgovoy beklagen müssen. Doch deine Frau vermag allein der Herr zu trösten.

Du hast tapfer und redlich gefochten, deinen Männern warst du ein guter Oberster. Jenseits des Irdischen, angesichts der Pracht und Herrlichkeit des Himmelreiches, lebst du weiter in Ewigkeit. Ewig lebt auch das Gedenken an dich. Niemals wirst du vergessen werden.

Ewige Erinnerung!
stgeorgsband

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