Dienstag, 7. April 2015

Sie sind unwählbar

Das Problem für Russlands Liberale: Kaum jemand würde sie wählen. Michail Prochorov, der derzeit beliebteste pro-westliche Politiker in Russland, käme, falls aktuell Präsidentschaftswahlen anstünden, auf gerade mal EIN Prozent der Wählerstimmen.

Welcher Politiker würde aktuell wie viele Stimmen bekommen?

PUTIN, Einiges Russland: 75 Prozent
SCHIRINOVSKIY, Nationalisten: 4 Prozent
ZYUGANOV, Kommunisten: 3 Prozent
PROCHOROV, Liberale: 1 Prozent
MIRONOV, Sozialdemokraten: 1 Prozent

Die Angaben sind dem Blog http://russia-insider.com entnommen, das von einem US-Amerikaner namens Charles Bausman geleitet wird und dessen Fachgebiet die Pressefreiheit in Russland ist. Die Differenz zu 100 Prozent ergibt sich aus dem Weglassen der Nichtwähler und von Wählern unbedeutender Splittergruppen.

Der Direktlink zum Beitrag:
http://russia-insider.com/en/russian-liberal-opposition-facts-piling/5259

In einem anderen Artikel auf dem selben Blog beklagt Bausman den traurigen Zustand der liberalen Opposition, während er Vladimir Putin starke öffentliche Auftritte zugesteht.

Ich selbst würde es drastischer ausdrücken: Die russische pro-westliche Opposition besteht vornehmlich aus gelangweilten und frustrierten Millionären und Extravaganten, deren Ansichten und Lebensweisen der Mehrheit des Volkes eher fremd sind, aus teilweise kinderlosen Müttern, aus Pussy Riot und Gefrierhühnchen. Da hätte vermutlich ein Urgroßneffe des Stiefcousins des letzten Zaren bessere Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden.

Ein weiterer Makel der liberalen Opposition: Sie gilt kaum als russisch, sondern man sieht sie mehr als eine pro-amerikanische bzw. pro-westliche Interessenvertretung. Zwei Fotos des ermordeten Oppositionsführers Boris Nemzov, die ich aus Pietätsgründen nicht weiter kommentieren werde, die aber die Ablehnung der Liberalen durch die Mehrheit der Menschen in Russland zu begründen helfen, nämlich wegen der Zuwendung der Liberalen zu antirussischen Kräften.

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Nemzov, Tymoschenko, Poroschenko

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Nemzov und McCain

Aber mir drängt sich grundsätzlich eine Frage auf: Mit welchem Recht will man der Mehrheitsgesellschaft eines souveränen Landes die eigenen Maßstäbe aufzwingen? Wer legt fest, dass eine Gesellschaft allein nach westlichen Normen existieren darf? Ich kann hier nur wiederholen: Für die große Mehrheit der Menschen in Russland ist das Soziale und Kollektive weitaus wichtiger als das Liberale und Individuelle. Dies spiegelt sich letztlich in der Wählergunst wider.

Insbesondere ein Land namens USA, das gemeinsam mit Deutschland so viele Staatsschulden hat wie alle anderen Staaten der Welt zusammen, das in 33 Bundesstaaten keine Leistungen an Arbeitslose mehr auszahlen kann, das 50 Millionen verarmte Staatsbürger über Lebensmittelmarken versorgen muss, dessen Polizei in einem Jahr mehr Menschen erschießt als die britische Polizei in einem ganzen Jahrhundert, das Kriege führt und Aufruhr schürt, Guantanamo, Abu Gareib und eine halbe Million tote Iraker zu verantworten hat, sollte mit dem Erteilen von Ratschlägen wesentlich zaghafter umgehen. Und noch vorsichtiger mit Aktionen.

Mehr zum Thema Demokratieverständnis:
http://sirko.twoday.net/stories/die-dimensionen-der-demokratie/

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