Freitag, 26. Dezember 2014

Aleksander Bednov - Mensch, Soldat, Polizist

Aleksander Aleksandrovich Bednov benutzt den Funkcode ›Betmen‹. So nennt sich auch sein Bataillon, die Schnelle Eingreifgruppe der aufständischen Region Lugansk, die eine Fledermaus im Verbandszeichen führt. Gleichsam ergibt sich aus Code und Logo ein Wortspiel: ›Betmen‹ bzw. ›Batman‹ steht nicht nur für die bekannte Filmgestalt, sondern auch für ›Bednov's men‹. Im Gegensatz zu den väterlich-strengen Milizkommandeuren setzt Bednov auf das Gespräch mit seinen Unterstellten. Schonungslos offen spricht er mit jedem Bewerber ausführlich über die Schrecken des Krieges und lässt ihnen Zeit für die Entscheidung, ob sie trotz allem zu seiner Elitetruppe gehören wollen, die zugleich Kampf- und Militärpolizeieinheit ist.

Die Einheit führte Bednov bis vor wenigen Wochen. Heute ist er im Rang eines Oberstleutnants der Stabschef und faktische Kommandeur der 4. Brigade der Streitkräfte der Volksrepublik Lugansk, der neben den Bataillonen ›Leshij‹ und ›St. Georg‹ sowie weiteren Einheiten auch sein vorheriges Bataillon ›Betmen‹ angehört. Dieses hat noch immer Elitecharakter. Neben den allgemeinen Aufgaben ist es mit der Kriminalitätsbekämpfung und mit geheimen Operationen beauftragt. Seine Soldaten haben bei den Kämpfen um den Lugansker Flughafen zahlreiche Kampfpanzer, Schützenpanzerwagen, Lastwagen und anderes Material erbeutet. Sie sind auch hinter den feindlichen Linien aktiv. Mehr will der Kommandeur dazu nicht sagen.

Vor den Auseinandersetzungen im Donbass war Bednov seit 2006 Polizist im Ruhestand. Ein Pensionär des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Ukraine. Daneben hat der Reserveoffizier im Rang eines Hauptmanns für die Sicherheitsabteilungen verschiedener Unternehmen in Lugansk gearbeitet. Er hat eine bildhübsche Ehefrau und zwei Kinder. Der muskulöse Mann ist Kraftsportler, er trainierte vor dem Krieg eine Kampfsport-Kindergruppe. Fotos zeigen ihn mit internationalen Musikern. Überhaupt ist der gläubige orthodoxe Christ Bednov sehr kultiviert. Als er sich den Milizen anschloss, schickte er seine Familie fort. Gattin Irina war besorgt und unglücklich, aber sie sagte auch: »Die Moral ist auf deiner Seite«. Als die Bombardierungen von Lugansk einsetzten, verstand sie die Entscheidung ihres Mannes und ermutigte ihn.

Bednov kommt ursprünglich aus dem Umfeld Aleksei Mozgovoys, des Gründers der ersten Selbstverteidigungsgruppe im Donbass: der Volksmiliz Lugansk. Seine Freunde fanden schnell, Bednov solle selbst Kommandeur sein, da er Offizier sei und organisatorische und militärische Erfahrungen besitze. Bednov war in der ukrainischen Polizei der Führer einer Spezialeinsatzkompanie. »Ich musste einsehen, dass man in sich gesetztes Vertrauen rechtfertigen muss«, sagte er - und wurde Kommandeur einer eigenen Milizeinheit.

Ausführlich schildert er seine Beweggründe, die ihn in die Reihen der Miliz führten. »Ich musste mit ansehen, was sogenannte friedliche Demonstranten der Polizei angetan haben - Polizisten, frühere Kameraden, wurden geschlagen, erschossen, bei lebendigem Leibe verbrannt. So etwas ist überall auf der Welt ein schweres Verbrechen.« Alles, was dann geschah, so der Oberstleutnant, wurde mit einer Soße aus schwerer Russophobie, Rassenhass, Faschismus, Nationalsozialismus und dem Gerede von der »Überlegenheit der ukrainischen Nation über alle anderen« aufgetischt. »Diese Welle der Unruhen ist im März zu uns nach Lugansk gekommen«, erinnert sich Bednov bekümmert. »Als Mitglieder der UDAR (Vitali Klitschkos Partei ›Ukrainian Democratic Alliance for Reform‹) in der Lugansker Region die pro-russischen Aktivisten von der ›Jungen Garde‹ mit Feuerwaffen angriffen und unsere jungen Freunde verwundeten, da merkte ich, dass der Spaß zu Ende war. Mir wurde klar, dass es um das Überleben der russischsprachigen Bevölkerung ging. Die Kiewer Behörden nannten uns Terroristen und führten Truppen mit schwerem Gerät heran. Deswegen waren wir gezwungen, ebenfalls zu den Waffen zu greifen.«

Die Aufgaben des Bataillons ›Betmen‹ sind sehr vielfältig. Es ist auch im Rahmen der Strafverfolgung tätig. »Dieser Bereich steckt immer noch in den Kinderschuhen«, gibt Bednov zu. Seine Einheit muss die Rolle der Polizei übernehmen, damit Recht und Ordnung im rückwärtigen Gebiet der Stadt Lugansk durchgesetzt werden können. Da sind immer wieder Menschen, die ›Betmen‹ um Hilfe bitten. In den meisten Fällen geht es um Trunkenheit, Ruhestörung und Tumult. Auch um Plünderung und Diebstahl. Die Elitekämpfer haben bereits mehrere Personen wegen Mordes verhaftet. Es werden Beweise gesammelt und dokumentiert. »Wir werden den Menschen immer Hilfe schicken und die Kriminellen bestrafen«, sagt der Kommandeur nachdrücklich.

bednov

Mit einigen Trunkenbolden ist erstaunliches geschehen, schmunzelt Bednov. Einer der Inhaftierten bspw. bat nach zehn Tagen Arrest bei der Miliz bleiben zu dürfen und stellte sich als ein Mann mit ›goldenen Händen‹ heraus. Der Kommandeur hat ihn seiner Werkstatt zugewiesen und einen ausgezeichneten Waffentechniker gewonnen. Betrunken hat er sich seit diesem Tag nicht mehr.

In Bednovs Bataillon dienen hauptsächlich Bewohner der Region Lugansk. Es gibt auch Freiwillige aus Russland, aber der Kommandeur sagt, diese seien keine Söldner, von denen in Kiew gesprochen wird, sondern Menschen, die gekommen sind, um die russischsprachige Bevölkerung im Donbass zu schützen. Im Sommer lehnte Bednov zwei Studenten aus Russland ab, weil sie nie in der Armee waren. Er fand, sie könnten später exzellente Wissenschaftler sein, aber keine Soldaten. Sie fragten, ob sie andere Hilfe leisten können und Bednov setzte sie im humanitären Bereich ein. Bevor sie nach einigen Monaten wieder heimgingen, sagte ihnen der Offizier aufrichtig: »Ihr habt nun doch an den Kämpfen teilgenommen, denn auch hinter der Front gibt es wichtige Aufgaben zu erfüllen.« Bednov meint was er sagt.

Die Auswahlkriterien des Kommandeurs sind streng. Er akzeptiert nach Vorgesprächen, in denen er den Krieg ungeschönt schildert, eher ein ehrliches Nein als ein vages Ja. Kampf ist nur in Filmen romantisch, meint er, und kein Soldat darf seine Waffe wegwerfen und die Kameraden ohne Deckung lassen. »Ich verurteile niemanden, wenn er letztlich Nein sagt«, legt der Oberstleutnant dar. Oft lässt Bednov sich neue Männer von seinen Leuten empfehlen. Mit jedem Anwärter redet er besonders auch über die gefährlichen Aufträge des Bataillons. Der erste Einsatz könnte zugleich der letzte sein. Für Bednov ist es eine Ehre, das Abzeichen mit der Fledermaus tragen zu dürfen. Er will die Besten. Und er will, dass seine Kämpfer bei der Strafverfolgung nicht nur die Täter sehen, sondern auch die Opfer. Milizionäre, die sich ehrlos verhalten, werden ausgeschlossen.

Im Bataillon dienen auch Frauen. Eine von ihnen ist Bednovs Stellvertreterin. Es gibt Frauen in der Personalabteilung, in der Versorgung, aber auch unter den Scharfschützen und den Sanitätern. Fast alle wollen aktiv am Kampf teilnehmen und an der Front eingesetzt werden. »Wir Männer sind natürlich besorgt um die Mädels, wir behandeln sie fürsorglich und versuchen sie vor all dem Grauen zu schützen«, gesteht der Kommandeur ein.

Für Oberstleutnant Bednov ist gegenseitiger Respekt die Grundlage der Disziplin. Furcht, Einschüchterung oder idiotische Aufträge sind nicht der richtige Weg, findet er, es kann nichts Gutes herauskommen, wenn Unterordnung durch negative Einflüsse zustande kommt. Die Aufgabe eines Kommandeurs sieht er in der Übernahme der Verantwortung für jeden einzelnen Kämpfer. Für ihn ist jeder seiner Leute ein Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit, mit eigenen Ansichten und Problemen. Sie sind kein Kanonenfutter, kein Rädchen in einem riesigen Getriebe, sie sind vor allem Menschen. Daran erinnert er sich immer wieder selbst.

Aleksander Bednov ist ein Anhänger der Idee eines geeinten Landes Novorossia. Er war nie für eine Teilung in die Volksrepubliken Lugansk und Donezk, die aus seiner Sicht nur rein formalen Charakters ist. Statt autonomer ›Fürstentümer‹ muss ein einheitlicher Staat geschaffen werden, so Bednov, bestehend aus Menschen mit einer gemeinsamen Geschichte und einem gemeinsamen Glauben, der sie fest miteinander verbindet. Besonders wichtig ist ihm die soziale Gerechtigkeit.

Für zahllose Menschen im Donbass gilt Bednov als Kriegsheld. Er genießt neben der Beliebtheit als Feldkommandeur auch politische Autorität. Er verteidigt seinen früheren Weggefährten Aleksei Mozgovoy vor den Unterstellungen einiger politischer Konkurrenten, dieser wolle im Donbass einen eigenen Staat bilden. Für den Oberstleutnant existiert die Lugansker Volksrepublik in den Grenzen der Oblast Lugansk und steht wegen der Kämpfe derzeit unter der Kontrolle der verschiedenen Verbände der Miliz. Diese sind hauptsächlich die Armee des Südostens, der Bednov angehört, Mozgovoys Brigade ›Prizrak‹ und Dremovs Kosaken-Nationalgarde. Dennoch sieht der Offizier einen einheitlichen Staat. Er sagt: »Dieses Land gehört den Menschen hier und sonst niemandem.«

Über den Kommandeur, der oft im Verborgenen agieren muss, ist eine bezeichnende Episode bekannt geworden. Auf die in einem Interview mit der Frontfrau der ukrainischen rechtsextremen Partei ›Svoboda‹, Irina Farion, getätigte Aussage, in der ›neuen Ukraine‹ wäre kein Platz mehr für Kinder mit den Kosenamen Lena oder Mischa, sondern nur für Olenka und Michailik, antwortete ihr Aleksander Bednov: »In unserem Land ist für alle Kinder Platz, ganz gleich ob sie Olenka oder Lena gerufen werden, ob Michailik oder Mischa. Doch so lange es für unsere Kinder keinen Platz gibt, werden wir euch von ihnen fernhalten.«

Oberstleutnant Aleksander Bednov vereint in sich die Tugenden eines tapferen Soldaten, eines aufrechten Menschen und einer befähigten Führungskraft. Er verachtet den Krieg, er hasst ihn förmlich, und ist dennoch davon überzeugt, ihn bis zum Ende austragen zu müssen. »Wir mussten das Kämpfen lernen«, sagt er. Bednov ist Ehemann und Vater, Vorgesetzter, Freund und Kamerad. Zugleich ein furchtloser Kämpfer für seine Überzeugungen. Er will nicht Opfer der Gegenwart sein, sondern Gestalter der Zukunft.

1. Maulender Autor
2. Kasinogespräche
3. Zeitgeschehen
4. Nazis gegen rechts
Akte Bundeswehr
Akte Unsinn
Akte Weltordnung
Elsa fragt den Soldaten
Russischer Frühling
Sirkos Staniza
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren