Mittwoch, 5. November 2014

Heiße Luft

Anders Fogh Rasmussen, abgewählter Ministerpräsident Dänemarks und einstiger heftiger Befürworter des Irak-Kriegs, wurde in bestimmten Kreisen gern mit einem wenig schmeichelhaften Namen bezeichnet: »Bushs Hämorrhoiden«. Während der Ukrainekrise wirkte er wie ein Propagandaminister mit der Neigung zur Kriegstreiberei. Sein Nachfolger als Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, galt als gemäßigter. Doch umgehend entpuppte er sich als Nachahmer seines Vorgängers. Auch er ist ein abgewählter Ministerpräsident. Es muss wohl abfärben, sich nach der Abwahl erneut auf eine politische Bühne begeben zu müssen, auch wenn man eigentlich »verduften« sollte. Der Jobwechsel scheint leicht einherzugehen mit einem Gesinnungswechsel, könnte man meinen.

Worin begründet sich das Auftrumpfen der NATO? Eigentlich ganz einfach. Die NATO hat nach dem Ende des Kalten Krieges den wesentlichen Grund für ihr Bestehen eingebüßt: die Verteidigung der Mitgliedsstaaten gegen einen vergleichbar starken (oder stärkeren) Militärpakt. Doch die letzte gemeinsame Aktion der NATO war wohl der Krieg in Afghanistan, den man als eingetretenen Verteidigungsfall bewertete. Seit dem Irak-Krieg steht an der Stelle des Verteidigungsbündnisses jeweils eine »Koalition der Willigen«, die mehr und mehr die NATO als Ordnungsmacht ablöst.

Diese temporären Koalitionen spotten teilweise jeder Beschreibung. Da finden sich die USA Seite an Seite mit den Saudis, die Franzosen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Großbritannien mit Katar.

Erst die Ukrainekrise und vor allem die historische, aber in der gegenwärtigen Lage völlig unbegründete Angst der Polen und Balten vor den Russen verhilft der NATO-Spitze zu einer neuen Aufgabe. Der alte Erzfeind muss in Schach gehalten werden, argumentiert man heute. So taucht der russische Bär wie ein Gespenst hinter jedem Busch auf, Erkundungsflüge im internationalen Luftraum werden beanstandet, Manöver auf dem eigenen Territorium werden als »nicht hinnehmbar« bezeichnet. Eigene und fremde Behauptungen ersetzen Belege. Säbelrasseln bester Güte.

Dabei wäre die NATO gar nicht in der Lage, den Säbel zu zücken. Die neue Eingreiftruppe, die »Speerspitze«, könnte dem Bären nicht mal den Pelz wässern. Zur Erläuterung: Sofort könnte die »Speerspitze« gerade mal ganze 3.000 bis 5.000 Mann bereitstellen. Nach drei Monaten stünden dann nicht mehr als 16.000 Soldaten zur Verfügung, nach sechs Monaten etwa 40.000. Letzteres ist etwa die Größenordnung, in der die Streitkräfte der Russischen Föderation derzeit ihre Manöver durchführen. Wen will man damit erschrecken, gar abschrecken?

Nun, die Gefahr vor einem 3. Weltkrieg ist momentan ohnehin sehr gering. Das wusste Rasmussen, das weiß auch Stoltenberg. Dementsprechend sollte man angesichts der eigenen Schwächen wieder verbal abrüsten und an den Verhandlungstisch zurückkehren, vielleicht sogar Zugeständnisse machen - bevor die Geduld des Gegenübers endgültig erschöpft ist.

Wenn die NATO unbedingt eine neue Aufgabe sucht, dann kann sie sich jederzeit gegen die Terrorarmee IS wenden. Doch dazu fehlt der Mut. Das Austragen eines heißen Krieges ist nämlich gefährlicher und verlustreicher als das Ausstoßen heißer Luft.

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