Montag, 3. November 2014

Gesichter des Krieges

Heute aus Syrien: Die Stadt Kobani, die nicht offizielle Hauptstadt der syrischen Kurden, ist derzeit in aller Munde. Doch wer führt das Kommando über die dortige Kurdenmiliz YPG und bietet der IS-Terrorarmee mit großer Tapferkeit die Stirn?

Es ist diese Frau: Nalin Afrin!

nalinafrin

Der Kommandeurin viel Erfolg,
der Kämpferin alles Glück!

Die Krisen dieser Welt (1)

Grenzen sind oft fließend. Deswegen können politisch gewollte Sprachregelungen ebenso wenig unverfälscht und natürlich wirken wie ein Gesetz über selbstbestimmtes Sterben. Ein Recht endet immer an jener Stelle, an der es die Rechte Dritter beeinträchtigt oder manipuliert. Diese Einsicht geht mehr und mehr verloren, und so scheint es allzu zwangsläufig zu sein, wenn man zwischen Kritik und Beleidigung nicht mehr zu unterscheiden versteht. Kommen noch andere Befindlichkeiten hinzu, geraten Freiheitsrechte rasch in Bedrängnis. Das gilt im Kleinen wie im Großen.

Es gibt in Deutschland kein Recht auf Beleidigung, aber ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Freiheit beinhaltet auch jedwede Kritik innerhalb des Rahmens der Gesetze. So kann sachliche Kritik an einzelnen Maßnahmen der US-Administration, sofern sie den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, kein ›Antiamerikanismus‹ und schon gar keine ›antiamerikanische Propaganda‹ sein, wie manche Mitmenschen es mittlerweile gern auszudrücken pflegen. Auch ist die Kritik an bestimmten Teilen der Gegenwehr Israels gegen militante Palästinenser zulässig, so lange man den Israelis das Recht auf Selbstverteidigung nicht abspricht. Antisemitismus ist dagegen etwas anderes. Und die Inanspruchnahme der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit kann - im Gegensatz zu bestimmten Einzeläußerungen - nicht pauschal undemokratisch sein, nur weil die Meinungen der Einen den Anderen nicht gefallen.

Es ist nun schon beinahe hundert Jahre her, als ein Großonkel meiner Wenigkeit (als Professor war er wohl mein klügster Verwandter) in die USA ausgewandert ist. Deswegen habe ich in den Staaten auch Onkeln und Tanten, Vettern und Basen. Die meisten wohnen im mittleren Westen, wo die Deutschstämmigen oft die größte ethnische Herkunftsgruppe stellen. Mit einigen habe ich Kontakt. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: eine gesunde, kritisch hinterfragende Haltung zur Administration und zum sogenannten Establishment. Und dies wäre hierzulande Antiamerikanismus? Welcher Unsinn!

In einigen Fällen mag Kritik unangebracht sein, allzu oft gar überzogen, in anderen Fällen ist sie jedoch gerechtfertigt. Eine auf dem Boden der Sachlichkeit bleibende Kritik muss erlaubt sein, emotionale Kritik sollte nicht verteufelt werden. Nicht jeder Mensch mit einer eigenen Meinung ist zugleich ein Genie oder jemand mit drei Doktorgraden. Sollen all jene Menschen, die nicht zu den gesellschaftlichen Meinungsbildnern gehören, fortan schweigen?

Die Neue Weltordnung

Während der Amtszeit Barack Obamas kamen mehr als 1.500 Menschen durch gezielte Drohnenangriffe um. In Afghanistan, Pakistan, Jemen, Libyen, Syrien und Irak starben über 150.000 Menschen durch unmittelbare oder mittelbare militärische Beteiligung der USA. Sechs Länder wurden bombardiert: Afghanistan, Pakistan, Jemen, Libyen, Somalia und Irak. Weiteren Ländern wurde mit Invasionen oder Angriffen gedroht: Syrien, Iran, Nordkorea, Südsudan, Kongo und Zentralafrika. Guantanamo besteht noch immer. In Libyen und Syrien wurden Terrorgruppen unterstützt. Das sind nur einige Zahlen und Fakten rund um die Etablierung einer ›Neuen Weltordnung‹, die sich rein an westlichen Bedürfnissen und Befindlichkeiten orientiert und andere Staaten in tiefe Krisen und Zerrüttungsprozesse stürzt. Bei aller Liebe zum Anderssein ist jedes dem politischen Westen widersprechendes Anderssein untolerierbar.

Bleiben wir zunächst bei den USA. Auch in den Vereinigten Staaten selbst gibt es unterschiedliche politische Parteien und verschiedene Interessenlagen - und damit zwangsläufig auch Kritik und Auseinandersetzungen. Tendenziell ist sie sogar ansteigend. Präsident Obama steht mittlerweile auf einem sehr wackligen Sockel. Viele Leute, die ihm einst die Leiter gehalten haben, wenden sich von ihm ab. Denn gerade die Armen und Ärmsten, die Kranken und Verlorenen, die ihn als ihren Hoffnungsträger unterstützt und gewählt haben, sind noch immer arm, krank und verloren.

Vor dem 1. Weltkrieg herrschte in den USA eine Doktrin vor, die sich jede Einmischung in US-Belange verbat und gleichzeitig jede US-Einmischung in europäische Vorgänge unterband. Mit der Beteiligung am 1. Weltkrieg brach man erstmals mit diesem zuvor ehernen Grundsatz. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs übernahmen die USA sogar endgültig die Rolle des ›Weltgendarmen‹. Heute geht es um die sogenannte ›New World Order‹ und um die Wiederherstellung von Einflusssphären, die man nach dem Ende des Kalten Krieges zuerst nicht mehr für möglich und nötig gehalten hat. Nun sind neue Konflikte entstanden.

Wie letztens an anderer Stelle angemerkt wurde, muss zwischen drei Ebenen der Konfliktbetrachtung unterschieden werden: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Geister scheiden sich allerdings. So wird den USA die Schuld an den Zuständen im Irak und in Syrien gegeben, wodurch jede Maßnahme der späteren Schadensbegrenzung in harsche Kritik gerät. Richtig ist: Der Irakkrieg hat die heutigen Verhältnisse begünstigt. Doch die daraus resultierenden Probleme können nicht mit dem bloßen Verweis auf frühere Verantwortlichkeiten gelöst werden. Menschen sterben - die Weltgemeinschaft muss zwangsläufig handeln (die Betonung liegt auf ›Weltgemeinschaft‹, denn ›Koalitionen der Willigen‹ schaffen nur neue Konflikte und vertreten nicht die Völker der Welt).

Die Völker dieser Welt? Nun ja. »Fuck the EU«, sagte Obamas Europa-Beraterin Nuland burschikos. Eine Offenbarung! Denn die übermäßige und zu unabgesprochenen Aktionen animierende Stärke der USA resultiert aus den Schwächen Europas, einem Gebilde mit 500 Millionen Menschen und enormer Wirtschaftskraft, das dennoch globalpolitisch und -strategisch kaum Gewicht hat - und das mehr und mehr von national abgewählten Politikern regiert wird. In mancherlei Beziehung ist Europa ohne den ›großen Bruder‹ ein lahmer Papiertiger. Und das Recht der Völker ist eher das Anrecht der Staaten auf ein Volk.

Geht es der US-Politik eigentlich immer und überall um die Menschen? Das kann bezweifelt werden. Nirgendwo sitzen mehr Leute hinter Gittern als in den USA. Kaum ein modernes westliches Land ist eine derartige soziale Schieflage. Die Amerikaner sind an Amerika interessiert. Nicht an ›Freundschaften‹, sondern am eigenen Vorteil orientiert man sich jenseits des Atlantik. Vielleicht hat der türkische Präsident Erdogan Recht mit seiner Behauptung, die USA hätten in den IS-Abwehrkampf erst dann eingegriffen, als die Terrorarmee mehrere Ölfelder besetzt hatte? Einige Indizien unterstreichen diese These. Aber eine Antwort können nur die Verantwortlichen selbst geben. Erdogans Aussage bleibt Spekulation - aber sie könnte wahr sein.

German Angst

Kürzlich sagte eine Anruferin beim ›Presseclub nachgefragt‹: »Was habe ich denn mit den Russen zu schaffen? Ich mag Amerika.« Nun denn, auch eine Meinung. Immerhin. Aber was kann man damit anfangen? Was genau mag die besagte Dame? Liberalismus, Cheeseburger, Guantanamo? Es ist aber eine symptomatische Aussage. Man ist für oder gegen etwas oder jemanden, aber entweder hängt man einer Ideologie an, die jedes eigene Urteilsvermögen trübt, oder man weiß selbst nicht den Grund für die eigene Parteilichkeit (meist ist es dann doch nur der eigene Vorteil). Die heutige Gesellschaft ist weit mehr von dieser leicht- und gutgläubigen Parteinahme geprägt als vom Realitätssinn. Ich bin PRO, ich bin ANTI - warum auch immer. Das ist halt so.

Nach den NSA-Abhörskandalen und vor dem IS-Terror waren die transatlantischen Beziehungen stark am Abkühlen - wie zuletzt während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders nach dessen Verweigerungshaltung zur Teilnahme am Irak-Krieg. Den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen waren diese Dissonanzen gar nicht recht. Doch nach dem Aufplustern eines lokalen Konflikts in der Ukraine (und der Erkenntnis, dass die Bundeswehr nicht fliegen kann), ist die ›Alte Ordnung‹ wiederhergestellt worden. Die Angst vor dem Bären im Osten treibt den abgemagerten Steinadler zurück unter die schützend ausgebreiteten Flügel des mächtigen Seeadlers weit im Westen. Der Preis: engere Gefolgschaft.

Nein, ich betreibe kein Amerika-Bashing, sondern nur Kritik an den ›Weltherrschaftsplänen‹ von Teilen der Politik und der Wirtschaft der westlichen Welt. Es läuft mir mittlerweile zu vieles falsch, zu künstlich. Ich möchte nicht im Sinn des Kommerz ›vereinheitlicht‹ und ›gläsern‹ werden, nicht zugunsten einer abstrakten Norm ›gegendert‹ werden, nicht zum Wohl des Einzelhandels feiern, nicht unbequemes menschliches Leben ›selbstbestimmt‹ ins Jenseits befördern.

Ich wünsche mir nur ein Stück Normalität zurück.

FORTSETZUNGEN FOLGEN
U.a.: TTIP - Handel oder Wandel?
Ist Deutschland souverän?
Die Wurzel der Gewalt
Russischer Winter!
Quo vadis EU?



Für heute abschließend ein Zitat von Carl Zuckmayer über die USA: »Amerika - ein Land ohne Tradition, ohne Kultur, ohne Metaphysik und ohne Heurigen, ein Land des Kunstdüngers und der Büchsenöffner, ohne Grazie und ohne Misthaufen, ohne Klassik und ohne Schlamperei, ohne Melos, ohne Apoll, ohne Dionysos.«

Der deutsche Schriftsteller Zuckmayer (u.a. Des Teufels General) erhielt er wegen seiner jüdischen Herkunft und der öffentlichen zur Schau getragenen Abneigung gegen den Nationalsozialismus 1933 Aufführungs- und Publikationsverbot. Bis 1938 lebte er in Salzburg, dann in der Schweiz und Amerika, kehrte 1946 nach Deutschland zurück und lebte ab 1958 endgültig in der Schweiz.

weltordnung
USA: »Ey, was denkst du, wer du bist?«

1. Maulender Autor
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Elsa fragt den Soldaten
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Sirkos Staniza
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